Verteidiger in eigener Sache
Antonio Rüdiger wurde selbst schon rassistisch beleidigt und verlangt hartes Durchgreifen. Weniger auskunftsfreudig gibt er sich bei Fragen zu seiner Zukunft
Antonio Rüdiger ist nicht als Lautsprecher im Kreis der deutschen Nationalmannschaft bekannt. Beim Thema Rassismus in Fußballstadien aber erhebt der dunkelhäutige Profi seine Stimme. Und das tut er so kompromisslos wie als Abwehrspieler auf dem Platz. Schon vor dem Anpfiff des Confed Cups forderte der 24-Jährige die Rote Karte, falls es in den vier russischen WM-Arenen zu Schmährufen und Beleidigungen von Spielern wegen deren Hauptfarbe kommen sollte.
„Meiner Meinung nach sollte dagegen hart vorgegangen werden“, sagte der ehemalige Stuttgarter, dessen Mutter aus Sierra Leone stammt, vor der Weltpresse im Teamhotel des Weltmeisters in Sotschi. Drei Abstufungen sehen die Fifa-Vorgaben an die Schiedsrichter bei Sanktionierungen vor. Eine Verwarnung über den Stadionsprecher, dann eine Spielunterbrechung und im Extremfall den Abbruch des Spiels. „Ich fände es gut, wenn ein Spiel abgebrochen wird“, plädierte Rüdiger. Der Profi des AS Rom vertrat seine Ansichten auf dem DFBPodium bestimmt und überzeugend. Affenlaute musste er in seiner Wahlheimat Italien schon erdulden. „Ich wurde in mehreren Spielen mit dem uh, uh, uh ausgebuht – und es ist nichts passiert“, sagte Rüdiger. Er verlangt endlich Gegenmaßnahmen: „Dagegen muss gehandelt werden.“Weghören sei keine Lösung.
Plakataktionen und Anti-Rassismus-Spots der Fußballverbände reichen ihm ebenfalls nicht aus. „Es ist leicht zu sagen: Bleib ruhig.“Jedenfalls für die Menschen, die nicht seine Hauptfarbe hätten. „Diese Leute werden niemals wissen, wie es sich anfühlt“, sagte Rüdiger zu den verletzenden Rufen. In deutschen Stadien waren Affenlaute früher auch ein großes Problem. Das hat sich geändert. „Wir sind im Jahr 2017, da sollte und dürfte es so etwas nicht geben“, sagte Rüdiger zur Lage an anderen Orten.
Beim Confed Cup möchte der Abwehrspieler in erster Linie Freude am Auftritt mit den Kollegen im DFB-Team haben. Schließlich ist es sein Turnierdebüt als Nationalspieler – mit einjähriger Verspätung. 2016 verletzte er sich kurz vor der EM beim ersten Training nach der Ankunft in Frankreich schwer am Knie. Ein Kreuzbandriss stoppte ihn. „Für mich war der letzte Sommer nicht so schön. Umso mehr freue ich mich auf den Confed Cup. Es ist die Chance, mich zu beweisen“, sagte Rüdiger vor dem Auftaktspiel am Montag gegen Australien (17 Uhr/ZDF).
Der 1,90 Meter große Rüdiger zählt zu jenen Kandidaten, denen Bundestrainer Joachim Löw zutraut, auf dem Weg zur WM in Russland und dann auch beim Turnier 2018 den etablierten Weltmeistern – wie in seinem Fall Jérôme Boateng oder Mats Hummels im Abwehrzentrum – Druck zu machen. In Italien und speziell in Rom fühlt sich Rüdiger übrigens trotz der verbalen Übergriffe sehr wohl. „Die Serie A ist qualitativ eine gute Liga“, urteilte er in Sotschi.
Weniger auskunftsfreudig war er „zu den Gerüchten“, er könnte den AS Rom im Sommer verlassen und etwa seinem bisherigen Trainer Luciano Spalletti zu Inter Mailand folgen. Der neue Sportdirektor der Roma habe ihn ja gerade erst für unverkäuflich erklärt, bemerkte Rüdiger: „Ich bin konzentriert auf den Confed Cup. Mehr kann ich nicht sagen.“Was ihm wirklich wichtig war, hatte er zuvor gesagt – umfassend und unüberhörbar.
Südamerikameister Chile hat in der deutschen Gruppe einen wichtigen Auftaktsieg beim Confed Cup geschafft. Der Turnierfavorit setzte sich am Sonntag in Moskau gegen Afrikameister Kamerun mit 2:0 (0:0) durch. Arturo Vidal von Rekordmeister FC Bayern München erzielte für Chile das Führungstor in der 81. Minute. Für den Endstand sorgte Alexis Sanchez (90.+2).
Vor 33 492 Zuschauern wurde der Treffer allerdings erst nach einem Videobeweis gegeben, nachdem der Linienrichter die Fahne bereits gehoben hatte. Ein Tor wurde nach dem Videobeweis auch wieder aberkannt. Schiedsrichter Skomina aus Slowenien nahm beim 0:0 erst nach mehr als einer Minute einen Treffer des Chilenen Eduardo Vargas wieder zurück (45.+1). Mittelläufer folgten Franz Beckenbauer und der Libero. Eine schöne, kurze Zeit, der das Effizienzdenken den Garaus machte. Raus mit den freigeistigen Flaneuren. Es begann die Zeit der Viererketten, die Pirouettendreher in Eisen legten.
Helmut Kohl ist trotzdem beim Fußball geblieben. Anders als andere musste er sich nicht anwanzen. Schließlich war er ja von Beginn an dabei, klatschte bei Länderspielen an den richtigen Stellen und erkannte Olaf Thon auch ohne einflüsternden Referenten.
Der Fußball war ihm eine Leidenschaft. 1996 hat er Deutschland zum EM-Titel geführt – aus dem Hintergrund und der Tiefe des abhörsicheren Raumes. Berti Vogts wollte nach der verkorksten WM 1994 in den USA aufhören. Kohl bebabbelte ihn so lange, bis er am Ball blieb. Natürlich war der Kanzler beim EM-Triumph in England im Stadion. Er war auch als Glücksbringer ein Riese.
Bis 1998. WM in Frankreich. Achtelfinale. Kohl auf der Tribüne – und Deutschland verlor. Wer ein Gespür für Zusammenhänge hatte, ahnte, dass Helmut Kohls politisches Ende bevorstand. Nun ist er gestorben – einer der letzten großen Mittelläufer.