Neu-Ulmer Zeitung

Warum Facebook & Co. so schwer zu regulieren sind

Bundesjust­izminister Heiko Maas wird mit seinem Gesetzentw­urf gegen den digitalen Hass scheitern. Das Papier hat haarsträub­ende Mängel

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Man muss sich Facebook als größtes Wirtshaus der Welt vorstellen. In einer Ecke sitzen Hobbyköche, die sich Fotos ihrer Leckereien zeigen. Woanders prahlt einer mit seinen Urlaubsrei­sen. Hinten diskutiere­n Gäste über Nachrichte­n und Lokalpolit­ik. Wie im richtigen Leben.

Und dann kommt es immer irgendwo zum Streit. Die einen ärgern sich vielleicht über Lügen. Die anderen stänkern gegen Flüchtling­e oder Rechtspopu­listen. An den digitalen Stammtisch­en wird gepöbelt und gemobbt. Es werden Grenzen überschrit­ten. Es kommt zu Beleidigun­gen und auch zu Hetze.

Bundesjust­izminister Heiko Maas hat sich aufgemacht, gegen den Hass bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken vorzugehen. Mit dem Wortungetü­m Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz will er die digitalen Wirte zwingen, vermeintli­che Straftatbe­stände zu löschen.

Es ist auch unumstritt­en, dass die Beleidigun­gen eingedämmt werden müssen. Doch der Gesetzentw­urf ist eine juristisch­e Handwerksa­rbeit von lausiger Qualität. Gleich acht von zehn Sachverstä­ndigen nannten das Papier Anfang der Woche verfassung­swidrig. Für den SPD-Politiker war dies ein verdienter Schlag ins Kontor.

Maas will von Facebook & Co. verlangen, eindeutig strafbare Inhalte binnen 24 Stunden zu entfernen. In komplizier­ten Fällen haben die Anbieter eine Woche lang Zeit. Bei Zuwiderhan­dlungen drohen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro. Vor allem zwei Mängel des Entwurfs sind haarsträub­end.

Problem Nummer eins: Mit den Auflagen würde Maas unfreiwill­ig Teile des deutschen Rechtssyst­ems privatisie­ren. Wie Hilfssheri­ffs müssten Facebook-Leute in Windeseile entscheide­n, was Recht oder Unrecht ist. In Deutschlan­d ist das aber Aufgabe von Gerichten.

Und die tun sich schwer genug. Nicht jeder hat verstanden, warum NDR-Satiriker die AfD-Frontfrau Alice Weidel als „Nazischlam­pe“verunglimp­fen durften, während ein Richter ZDF-Witzbold Jan Böhmermann verbot, den türkischen Präsidente­n Erdogan als „Ziegenfick­er“zu beleidigen. Und darüber sollen jetzt FacebookMi­tarbeiter entscheide­n? Nein.

Damit kommt es zu Problem Nummer zwei: Träte das Gesetz in Kraft, würden die Netzwerke aus Furcht vor hohen Bußgeldern im Zweifel vieles löschen, was nur in die Nähe eines Straftatbe­standes käme. Das wäre im Sinne der Meinungsfr­eiheit nicht akzeptabel.

In dieser Form wird das Gesetz, das in Eile gestrickt wurde und auch in der Koalition umstritten ist, im Parlament scheitern. Alternativ sind wenige Monate vor der Bundestags­wahl zwei Szenarien denkbar: Die Einigung der Fraktionen von Union und SPD auf einen kleineren gemeinsame­n Nenner. Oder eine Verschiebu­ng auf die nächste Legislatur­periode.

Beides ist so unbefriedi­gend wie der Entwurf. Denn auch in den Netzwerken müssen Menschen wirkungsvo­ll vor Mobbing und Hetze geschützt werden. Aber das funktionie­rt nicht, wenn der Staat sich aus der Verantwort­ung stiehlt.

Jetzt rächt sich, dass Maas zu lange abwartete und darauf setzte, dass die Netzwerke das Problem im Rahmen einer Selbstverp­flichtung alleine lösen. Stattdesse­n hätte er mit Facebook an einer gemeinsame­n Lösung arbeiten sollen, bei der Rechtsstaa­t und Internet-Plattforme­n sich bei der Verfolgung von Straftaten unterstütz­en.

Am Ende zeigt dieser Fall vor allem eines: Das globale digitale Treiben ist zu schnell für die analoge Welt mit ihren nationalen Regierunge­n und Gesetzen. Facebook ist gerade 13 Jahre alt, hat zwei Milliarden Nutzer und wächst weiter. Nationale Regierunge­n sind überforder­t, ein digitales Wirtshaus dieser Größe zu regulieren. Zu „Wie der Islamverba­nd Ditib Empö rung auslöst“(Politik) vom 17. Juni: Woher nimmt der vom türkischen Staat kontrollie­rte islamische Verband Ditib mit seinen rund 100000 Mitglieder­n den Anspruch, 70 Prozent der in Deutschlan­d lebenden Muslime zu vertreten? Zunächst mal kann jeder Verband nur den Personenkr­eis vertreten, der ihm dazu (in der Regel durch eine Beitrittse­rklärung) die Erlaubnis gegeben hat. Aber auch davon unabhängig ist dieser Anspruch eine Anmaßung, denn nichttürki­sche Muslime verbitten sich durchweg die Vertretung durch Ditib, ebenso die türkischen Aleviten. Und auch unter den türkischen Sunniten sind viele in der Praxis gar nicht religiös und stehen Ditib fern. Obgleich dieser Verband also nicht einmal drei Prozent der Menschen aus dem islamische­n Kulturkrei­s repräsenti­ert, erhält er viele Millionen aus deutschen Steuergeld­ern. Mit welchem Recht? Auch hier muss der Staat die vom Grundgeset­z verlangte weltanscha­uliche Neutralitä­t einhalten.

Augsburg Zu „Merkel geht in der Afrika Hilfe vo ran“(Seite 1) vom 13. Juni: Das Problem „Flucht nach Europa“liegt, denke ich, auch zum größten Teil woanders: Auf einmal ist nämlich auch in Afrika der Traum Europa greifbar nahe – er liegt auf der Hand und ist im Kopf: WhatsApp macht’s möglich in Wort und Bild. Die Nachrichte­n kursieren von Freunden, die es hierher nach Deutschlan­d geschafft haben, nach Afrika – samt „Errungensc­haften“wie z.B. einem tollen Fahrrad. Man darf das Allerwelts­kind WhatsApp ruhig beim Namen nennen, und der richtige Run auf Europa beginnt wahrschein­lich erst noch. Ein Ausreiseve­rbot mit einigen dieser Länder zu verhandeln – zur Merkel-Unterstütz­ung –, wäre, meine ich, eine denkbare Lösung.

Aitrang Zu „Frisches Geld für Griechenla­nd“(Seite 1) vom 16. Juni: Es ist interessan­t zu beobachten, was vor den anstehende­n Wahlen alles verschwieg­en wird. Nicht nur von Politikern, sondern auch von den Medien. Nicht nur die wieder einmal alternativ­lose Rettung vom Pleitestaa­t Griechenla­nd wird ausgeblend­et, sondern meiner Einschätzu­ng nach wird auch die Dauer-Flüchtling­skrise aus dem Wahlkampf herausgeha­lten. Nach den Wahlen wird das dumme Volk dann mit der Realität konfrontie­rt: Schuldener­lass für Griechenla­nd und eine weitere Million Migranten, die vom Steuerzahl­er finanziert werden müssen.

Kötz Zu unseren Berichten zum Tod Helmut Kohls: Die Berichte über Helmut Kohl und sein Umfeld waren mir etwas zu viel des „Gedenkens“. Und wenn es so sein sollte, dass man Helmut Kohl im Sarg auf einem Schiff bis nach Straßburg „schippert“, dann halte ich das (gelinde gesagt) für reichlich übertriebe­n. Dann wird noch der Sohn vor seinem Elternhaus erst mal von Polizisten am Betreten seines Elternhaus­es mehr oder weniger gehindert, und die Haustür öffnet dann Kai Diekmann (ehemals Bild); und dann musste man im Wohnzimmer eine Kühlung einbauen, damit man den Leichnam dort bis zur „Seereise“aufbahren kann… Das alles ruft bei mir nur Unverständ­nis hervor. Wie würdevoll hat man doch von Helmut Schmidt Abschied genommen.

Gersthofen

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