Sonnengruß und Hagelschauer
Den Welt-Yoga-Tag feiert Ulm mit einer großen Yogastunde für Alle auf der Donauwiese – und mit Unwetter
Ich dachte, der innere Schweinehund sei der einzige, der mit heute in die Quere kommen könnte. Nein. Es war der Hagel. Der schlägt auf meine Yogamatte nur so ein. Und jetzt weiß ich: Das Plastikteil dient nicht nur als Unterlage für Yoga-Übungen, sondern auch als wunderbarer Regenschirm. Sie fragen sich jetzt vielleicht: Was macht diese Frau auch bei Unwetter an der Donau? Gute Frage! Die habe ich mir auch schon gestellt – als mir murmelgroße Hagelkörner gegen die Knöchel schießen. Aber es ist Welt-Yoga-Tag, Ulm feiert diesen mit einem Markt und einer Aktion auf der Donauwiese und meine Kollegen mit den Worten: „Yoga?! Das ist doch genau dein Ding!“Klar, ist es auch. Seit drei Jahren mache und mag ich Yoga, aber irgendwie habe ich mich bereits vergangenes Jahr um die Teilnahme am gemeinsamen yogieren mit Dutzenden anderen vor den fragenden Augen Vieler gedrückt. Diesmal kam es anders. Kollege: „Los, mach doch mit.“Ich denke: „Hm...“– und sage: „Klar.“
Also sitze ich da auf meiner Yogamatte an der Donauwiese und warte. Organisiert hat die Aktion zum Welt-Yoga-Tag die neu gegründete Initiative „You Yoga Ulm“, ein Zusammenschluss aus mehreren Begeisterten der spirituellen Praxis, darunter Anja Schneller von „Arts of Yoga“. Sie leitet an diesem Tag den Yoga-Marathon an, der aus 108 Sonnengrüßen besteht. Diese Abfolge verschiedener Übungen ist eigentlich so etwas wie das Aufwärmprogramm einer Yoga-Stunde (nur werden dann lediglich acht gemacht). Sie sollen einstimmen auf die noch folgenden Übungen, den Geist beruhigen und den Körper in Fahrt bringen. In Fahrt komme ich an diesem Tag auch irgendwie, denn bei anfangs 30 Grad weiß der Kreislauf auch beim bloßen Dasitzen und Warten schnell, was Sache ist.
Ehe ich mich versehe, haben sich um mich herum überall Matten ausgerollt. Die Yogawilligen blicken gespannt zur Bühne vor. Mit drei gemeinsamen, lauten „Om“, die wohl auch auf der anderen Seite der Donau oder in Böfingen noch gut zu hören gewesen sein müssen, beginnt die Aktion. Die Sonne brennt mir und den 250 anderen ins Gesicht. Entsprechend schweißtreibend ist diese ganze Angelegenheit schon zu Beginn. Nun gilt es, im „Flow“, im Fluss, die Übungen nachzumachen. Apropos Fluss: In diesem würde ich jetzt gerne schwimmen. Stattdessen frage ich mich, wer eigentlich auf die Idee kam, genau 108 Sonnengrüße zu machen. Eine Antwort bekomme ich später von Yogalehrerin Anja Schneller. „Die 108 ist eine heilige Zahl im Hinduismus, Buddhismus und daher auch im Yoga.“Sie stehe für Anfang, Ende und zugleich Unendlichkeit. Außerdem sind traditionelle Yogaschriften in 108 Kapitel unterteilt und Gebetsketten, sogenannte Malas, bestehen aus genau 108 Perlen. Selbst die indische Notrufnummer lautet 108.
Na, dann also 108 Sonnengrüße. Die ersten 20 davon gehen ganz einfach. Und irgendwie freue ich mich richtig, dass meine Kollegen mich zum Yoga an der Donau überrede- ten. Nummer 35 und 36 gehen dann nicht mehr so leicht von der Hand. Denn deren Muskeln fangen langsam an, sich bemerkbar zu machen. Oder waren es doch Sonnengruß Nummer 40 und 41? Das zählen habe ich gleich zu Beginn aufgehört. Weil die Abfolge der zwölf verschiedenen Übungen nicht der in meinem Yoga-Studio entspricht, war ich erst einmal darauf konzentriert, in den „Flow“zu kommen. Frauen können mehrere Dinge gleichzeitig – oder eben auch nicht.
Ich erlaube mir einmal, mich umzuschauen: Manche liegen schwer atmend flach auf der Matte, manche machen gleich ganz ihr eigenes Ding. Aber alle sind gekommen, um gemeinsam Yoga zu machen. Während ich meine Gedanken gerade wieder einfangen und zurück auf die Matte bringen will, sehe ich dieses Ungetüm auf mich zukommen. Es ist dunkelblau und wirkt bedrohlich. Aus dem Gruß an die Sonne wird ein Wettlauf gegen den Regen. Aus dem wolkigen Ungetüm blitzt’s und donnert’s. Hinter mir sagt jemand: „Oh“und vor mir rollen zwei Yogis ihre Matten auf und gehen. Sie lächeln mir und den anderen zu. Jetzt weiß ich: Die waren ziemlich clever. Denn etwa ab der Hälfte des Yoga-Marathons fällt der erste Tropfen auf meine Matte. Ich ignoriere ihn, die 248 anderen Menschen auch. Hoffnung keimt auf. Es dauert etwa fünf Minuten, da wird diese durch etliche dicke Regentropfen zerstört. „Ich bin ja nicht aus Zucker“, denke ich – gleichzeitig löst sich mein Optimismus langsam auf. Bei Sonnengruß 50 etwa verwandeln sich die Tropfen in Regen, der in einen schlagartigen Schauer. Okay, das war’s. Fast jeder – bis auf eine handvoll Optimisten – greift sich seine Yoga-Matte und sucht sich Unterschlupf. Ich finde diesen in Form eines Baumes und meiner roten Yogamatte, die mich an diesem Abend vor blauen Flecken bewahrt. Denn es beginnt, zu hageln. Um mich herum spielen sich apokalyptische Szenen ab. Ein Kind weint. Barfuß suchen sich die restlichen Yogis triefend nass einen Unterschlupf. „Unter meiner Matte ist noch Platz“, sage ich und bekomme ein dankendes Nicken. Ich frage mich, wie gemütlich es in den 50 Meter entfernten Wohnungen mit Donaublick gerade sein muss. Wir hier kauern und warten. Murmelgroße Kugeln prasseln nur so auf meinen PVC-Schutz ein. Ich denke an Indien, dort habe ich die Matte gekauft: Hätte ich damals doch ein paar Euro mehr in die Unterlage investieren sollen? Nach einer halben Stunde Bibbern, Beten und Barfußsein weiß ich: Ja, hätte ich. Denn so schnell das Unwetter aufzog, so schnell war es auch wieder weg.
„Wir machen weiter“, schallt es unvermittelt durch die Lautsprecher. Fragende Blicke. Manche