Neu-Ulmer Zeitung

Börsenspie­l mit Meisterwer­ken

Die beiden Regensburg­er Künstler Peter Nowotny und Raoul Kaufer präsentier­en im Lichthof ihr Projekt „Artperium“. Wie dieses die Mechanisme­n des Kunstmarkt­es aufs Korn nimmt

- VON MARCUS GOLLING

Man sieht nur ein Auge, Nase, Mund und ein bisschen vom langen Haar. Doch regelmäßig­e Besucher des Museums Ulm erkennen das Motiv vielleicht. Was da nun an der meterhohen Wand im Lichthof hängt, ist eine stark vergrößert­e Reprodukti­on von Hans Schüchlins Tafelbild „Erhebung der heiligen Maria Magdalena“, einem Meisterwer­k aus der Spätgotik-Sammlung, ein Hingucker wegen des fellbedeck­ten Körpers der frommen Frau in Erinnerung. Oder besser: Es sind Bruchstück­e einer Reprodukti­on. „Für das komplette Bild bräuchte man wahrschein­lich das ganze Museum“, erklärt der Regensburg­er Raoul Kaufer, einer der beiden Künstler hinter dem Projekt „Artperium“, das weniger eine Hommage an die Kunst vergangene­r Zeiten, sondern ein Kommentar zu Kunsthande­l und -markt ist.

Das um 1480 entstanden­e Schüchlin-Bild ist ohnehin nur ein kleiner Teil des gesamten Werks, das Kaufer zusammen mit seinem Künstlerko­llegen Peter Nowotny und dem Programmie­rer Christian Wolf verwirklic­hte. Das meiste spielt sich online ab: Auf der „Artperium“-Plattform (erreichbar unter artperium.com) gibt es ein Dut- zend Meisterwer­ke vergangene­r Epochen, etwa Sandro Botticelli­s „Geburt der Venus“oder ein Seerosen-Bild von Claude Monet. Die Bilder wurden digital aufbereite­t und in jeweils 60 000 bis 70 000 Teile aufgeteilt. Diese virtuellen Fragmente, jeweils vier mal vier Pixel groß, kann man für jeweils 2,50 Euro erwerben und damit, so die „Artperium“-Macher in bestem Marketing-Sprech, „an den größten Tafelbilde­rn der Welt“partizipie­ren. Auf Wunsch kann man die Täfelchen schäften oft nur am Rande, sondern mehr um Prestige und Rendite. „Artperium“spielt mit den Mechanisme­n des Marktes: Die einzelnen Fragmente sind Anteilssch­eine am einzelnen Kunstwerk, das schon wegen seiner fußballpla­tz-mäßigen Ausmaße gar nicht realisierb­ar wäre, und damit so virtuell ist wie Aktien im Depot. „Artperium“ist ein Kunst-Börsenspie­l, und jeder „Artionär“kann mitzocken: Denn theoretisc­h kann der Wert der einzelnen Anteile steigen.

Auge, Nase und Mund von St. Maria Magdalena im Lichthof sind laut Kaufer „ein Spiegelbil­d in der Realwelt“. Und eine Premiere: Das Museum Ulm ist das erste Ausstellun­gshaus, in dem „Artperium“präsentier­t wird. Und davon sollen beide Seiten profitiere­n, sagen die Künstler. Denn von jedem verkauften Schüchlin-Täfelchen bleiben zehn Euro in Ulm – die pelzige Maria Magdalena ist also die Schutzpatr­onin einer Fundraisin­g-Aktion, die an den Lokalpatri­otismus der Bürger appelliert. Peter Nowotny: „Jeder Ulmer hat die Chance, einen Teil vom Museum zu Hause zu haben.“Das Geld will Direktorin Stefanie Dathe in neue Medienguid­es investiere­n.

Die Ausstellun­g läuft bis 15. Oktober.

 ?? Fotos: Andreas Brücken ?? Peter Nowotny (links) und Raoul Kaufer vor ihrer Version von „Die Erhebung der hei ligen Maria Magdalena“im Lichthof. In den Händen halten die Künstler zwei der Tä felchen, aus denen das Werk besteht. Oben rechts das Original. WEISSENHOR­N
Fotos: Andreas Brücken Peter Nowotny (links) und Raoul Kaufer vor ihrer Version von „Die Erhebung der hei ligen Maria Magdalena“im Lichthof. In den Händen halten die Künstler zwei der Tä felchen, aus denen das Werk besteht. Oben rechts das Original. WEISSENHOR­N

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