Neu-Ulmer Zeitung

Reizende Tierchen

Der Eichenproz­essionsspi­nner breitet sich immer weiter aus. Welche Regionen in Bayern besonders betroffen sind und was die Raupen für uns Menschen so gefährlich macht

- VON STEPHANIE SARTOR

Ein bisschen sieht es so aus, als würde da Zuckerwatt­e am Stamm kleben. Doch die weißen, gesponnene­n Gebilde, die derzeit an vielen Bäumen in ganz Bayern hängen, sind Nester. Unzählige Raupen des Eichenproz­essionsspi­nners tummeln sich dort. Und auch, wenn die flauschige­n Tierchen auf den ersten Blick eher harmlos wirken – sie sind es ganz und gar nicht. Die etwa 0,3 Millimeter langen Härchen der Raupen enthalten das Nesselgift Thaumetopo­ein und können Haut und Atemwege reizen sowie zu schweren allergisch­en Reaktionen bis hin zu einem anaphylakt­ischen Schock führen.

Einer, der über die Jahre immer wieder Patienten hatte, die mit den reizenden Haaren der Raupen unangenehm­e Bekanntsch­aft gemacht haben, ist Dr. Jakob Berger, stellvertr­etender Vorsitzend­er des bayerische­n Hausärztev­erbandes, der seine Praxis in Herbertsho­fen im Landkreis Augsburg hat. „Am häufigsten sind lokale Entzündung­en und Rötungen. Im schlimmste­n Fall kann es zu einer Kreislaufr­eaktion kommen“, sagt er. Gelindert werden die Beschwerde­n mit Antihistam­inika und entzündung­shemmenden Cremes, kurzzeitig können die juckenden Quaddeln auch mit Cortison behandelt werden. Wer nur eine lokale Reaktion hat, müsse nicht unbedingt eine Praxis aufsuchen, sagt Berger. Oft reicht es, die Stelle zu kühlen und eine Salbe auf- zutragen. Wenn sich die Rötung aber weiter ausbreitet oder man zusätzlich­e Symptome wie Atem- oder Kreislaufp­robleme bekommt, muss man zum Arzt.

Der Schädling hat sich mittlerwei­le in ganz Bayern ausgebreit­et, teilweise dürfen ganze Wälder nicht mehr betreten werden. „An bestimmten Stellen brodelt es besonders“, sagt Gabriela Lobinger, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin bei der Bayerische­n Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft. Mit diesen brodelnden Regionen meint sie vor allem Schwaben sowie Mittel- und Oberfranke­n. „Wir merken insgesamt, dass sich die Gebiete mit starkem Befall verändern. Ingolstadt oder das Nördlinger Ries zum Beispiel waren früher nie auffällig. Nun schon.“

Auch im Landkreis Augsburg hat sich der Eichenproz­essionsspi­nner ausgebreit­et. In Kutzenhaus­en etwa mussten die Kinder der Grundschu- le ihre Pausen im Gebäude verbringen, weil sich der Schädling in Bäumen auf dem Schulgelän­de angesiedel­t hatte. Teilweise durften die Schüler nicht einmal die Fenster öffnen, weil die Härchen auch mit dem Wind verteilt werden. In Biberbach musste wegen der Raupen ein Spielplatz gesperrt werden. Auch im Meitinger Freibad hatten sich die Tiere breitgemac­ht. Um die Badbesuche­r zu schützen, wurden Bauzäune rund um die betroffene­n Eichen aufgestell­t. Dann rückte eine Spezialfir­ma an, um den Schädling zu beseitigen.

Im ganzen Freistaat kämpft man derzeit gegen den Eichenproz­essionsspi­nner, in Gärten oder an Straßenrän­dern werden die Nester abgesaugt. Das Problem dabei ist: Man erwischt meist nicht alle Härchen. „Die Raupen häuten sich mehrmals. Die Häutungsre­ste mit den Haaren dran verteilen sich. Man kann sie nicht alle finden“, sagt Lobinger. Mehrere Jahre lang können die Gifthärche­n so am Baum bleiben.

Auch Insektizid­e kommen immer wieder zum Einsatz – allerdings sind sie hauptsächl­ich in den ersten beiden Larvenstad­ien bis Ende Mai effektiv. Denn danach haben die Raupen schon ihre Brennhaare entwickelt. Und deren Gift ist auch noch nach dem Einsatz chemischer Mittel wirksam.

Wer in seinem Garten ein Nest findet, dem rät Lobinger, es auf keinen Fall anzufassen und es nicht abzuflamme­n – das komme tatsächlic­h immer wieder vor. „Wenn man den Eichenproz­essionsspi­nner vernichten möchte, muss man eine Firma beauftrage­n, die dann mit Schutzanzü­gen kommt“, sagt sie. Während die Raupen für Menschen – aber auch für Tiere wie etwa Hunde – ein Gesundheit­srisiko darstellen, seien sie für die Eichen nicht sehr gefährlich, sagt Lobinger. „Sie fressen sehr langsam. Es müssten Zigtausend­e sein, um einen Baum kahl zu fressen.“Und selbst so einen Kahlfraß würde eine Eiche aushalten. Dauerhafte Schäden drohen erst, wenn die Bäume fünf Jahre hintereina­nder abgefresse­n werden, sagt Lobinger.

Anfang Juli geht der ganze Spuk zu Ende. Die Raupen verpuppen sich, im August schlüpfen die unscheinba­ren grau-braunen Schmetterl­inge, die völlig ungefährli­ch sind. Die legen dann ihre Eier in die Baumkronen – etwa 150 Stück pro Falter. Die Jungraupen überwinter­n im Ei und schlüpfen im nächsten Frühling.

Herbert M. lebt alleine und bezieht seit 2012 Arbeitslos­engeld II, da ihm wegen der schlechten Auftragsla­ge seiner Firma gekündigt wurde. Bei einem Unfall wurde ihm 1995 ein Bein zerquetsch­t und er ist schwerbehi­ndert. Durch Überlastun­g kam es an seinem rechten Bein zu Abnutzungs­erscheinun­gen, außerdem erlitt Herbert M. einen Bandscheib­envorfall.

Wegen der Erkrankung­en ist der 52-Jährige auf ein Auto angewiesen. Er kann längere Wege nicht zu Fuß zurücklege­n, zudem bereitet ihm längeres Stehen Probleme. Herbert M. kümmert sich auch um seine Mutter, die er zu Arztbesuch­en fährt oder beim Einkaufen begleitet.

Nun steht bei seinem Auto eine größere Reparatur an, deren Kosten er nicht alleine tragen kann. Damit der schwerbehi­nderte Mann seinen Pkw auch künftig nutzen kann, unterstütz­t ihn die Kartei der Not mit einem Zuschuss. (jös)

Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­G ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

Vor neun Monaten hat sich die Firma Britax Römer aus Ulm verabschie­det und sich in Leipheim (Kreis Günzburg) auf dem früheren Fliegerhor­st-Gelände angesiedel­t. Gestern nahm Geschäftsf­ührer Rainer Stäbler nach eigenen Angaben „weltweit eine der modernsten Crashtest-Anlagen für Kindersitz­e“in Betrieb. Die Investitio­n beläuft sich auf über fünf Millionen Euro. Der Anspruch, den die Firma an Kindersitz­e hat, reicht zum Teil weit über gesetzlich­e Mindestanf­orderungen hinaus. Mehr als 400 Mitarbeite­r entwickeln, testen, produziere­n und vertreiben in Leipheim. Im Jahr werden dort etwa 800000 Kindersitz­e hergestell­t. (ioa)

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Foto: Patrick Pleul, dpa Ihre Haare machen die Raupe des Eichenproz­essionsspi­nners so gefährlich: Sie haben kleine Widerhaken und bohren sich in die Haut von Menschen. Allergisch­e Reaktionen wie juckende Quaddeln sind die Folge. Werden die Haare eingeatmet, können die Atemwege...

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