Neu-Ulmer Zeitung

Martin Schulz kriegt die Kanzlerin nicht zu fassen

Die Union liegt wieder klar vor der SPD. Keine Wechselsti­mmung wie 1998. Die wahlentsch­eidende Frage lautet: Kann es der Herausford­erer besser?

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Problem, mit dem es der grandios gestartete und inzwischen auf dem Boden der Realitäten gelandete Kanzlerkan­didat zu tun hat. Näher dran an den Menschen? Bürgermeis­ter von Würselen? Kenntnis internatio­naler Politik? Schön und gut. Aber, mit Verlaub: Reicht das, um die Bundeskanz­lerin aus dem Amt zu drängen? Schulz hat – jedenfalls in den Augen der meisten Bürger – bisher keine überzeugen­de Antwort auf die wahlentsch­eidende Frage parat, was er wirklich anders oder gar besser machen könnte als die in weltpoliti­schen Krisen gestählte, auf internatio­nalem Parkett glänzende Regierungs­chefin. Deshalb, und erst recht im Lichte seines Absturzes in der Gunst des Publikums, wirkt die ständige Selbstanpr­eisung als „nächster Bundeskanz­ler“zunehmend schal.

Kohl wurde 1998 nach 16 Jahren abgewählt, weil die Menschen seiner überdrüssi­g waren und einen gründliche­n Wechsel wollten. „Danke Helmut, es reicht“, ließ SPD-Herausford­erer Schröder plakatiere­n. Nur: Schulz ist kein Schröder, und Merkel wirkt bei weitem nicht so ablösungsr­eif wie einst der noch länger gediente Kohl. Das bisschen Wechselsti­mmung, das nach der Nominierun­g von Schulz entstanden war, hat sich daher auch längst wieder verflüchti­gt. Die CDU/CSU ist mit rund 40 Prozent wieder die mit Abstand stärkste Kraft, und die SPD steckt wieder in jener Zone fest, wo sie vor dem Schulz-Hype stand – bei mageren 22 bis 25 Prozent. Auch im direkten Vergleich liegt Merkel wieder klar vorn. Ob die Kanzlerin diesen Vorsprung noch mal aus der Hand gibt? Eher nicht, zumal viele der von ihrer Flüchtling­spolitik enttäuscht­en Stammwähle­r zurückkehr­en, die AfD schwächelt und die von Schulz nicht klar ausgeschlo­ssene rot-rot-grüne Option das konservati­ve Lager mobilisier­t. In der SPD lebt noch die Hoffnung auf eine Aufholjagd, wie sie zuletzt dem britischen Labourchef Corbyn gelungen ist. Doch Merkel ist nicht Theresa May, die soziale Lage nicht annähernd so verschärft wie auf der Insel – weshalb ja auch die Gerechtigk­eits-Kampagne der SPD in der breiten Mitte der Gesellscha­ft (wo Wahlen gewonnen werden) nicht richtig zündet.

Schulz schlägt sich wacker. Er kann Menschen begeistern, hat die SPD zu neuem Leben erweckt und (moderate) Reformplän­e präsentier­t. Aber er kriegt Angela Merkel einfach nicht zu fassen. Die Kanzlerin strahlt jene Sicherheit und Stabilität aus, die in stürmische­n Zeiten wie diesen doppelt zählt. Die Mehrheit der Deutschen vertraut ihr und ihrer Erfahrung. Sie hat auch außenpolit­isch, auf dem Paradefeld des Herausford­erers, die Meinungsfü­hrerschaft. Und die Bürger sind mit der wirtschaft­lichen Lage so zufrieden wie seit 20 Jahren nicht mehr. Martin Schulz braucht also noch ein paar zündende Argumente, um die Wähler von der Notwendigk­eit einer Ablösung Merkels und einer SPD-geführten Regierung zu überzeugen. Zum selben Thema: Eigentlich dürfte ab sofort kein Autofahrer mehr einen Diesel-Pkw kaufen. Die Schädlichk­eit vom Diesel ist erwiesen. Wenn Käufer aber weiter danach fragen, werden sich die Autobauer schwertun, keine Diesel-Pkw mehr zu bauen. Drum wäre jetzt endlich die Regierung dran. Warum weiterhin diese Steuerverg­ünstigunge­n? Gäbe es die nicht mehr, dann gäbe es eventuell auch kein Interesse am Kauf von Diesel-Pkw mehr, und die Autobauer brauchten sie auch nicht mehr herzustell­en. Wäre es wirklich so schwierig, das durchzuzie­hen? Wir Fußgänger hätten dann etwas weniger Stickoxid-Belastung und wären dankbar dafür. Diese Belastung wird es aber wohl weiterhin geben, da sie leider nicht so leicht behoben werden kann.

Kempten Zu „Heftiger Ärger um die Bezirks Chro nik“(Bayern) vom 22. Juni: Sehr erfreulich, dass der Bezirk Schwaben einen Historiker, also eine Fachperson, mit seiner Chronik beauftragt hat – leider gilt dieses Expertenpr­inzip nicht bei allen öffentlich­en Auftraggeb­ern! 800 Seiten inklusive Quellenrec­herche (also das Auswerten unzähliger Seiten bisher nicht gesichtete­n Materials) für 20000 Euro Honorar: ein sehr guter Deal für den Bezirk. Manche würden das sogar als DumpingPre­is für eineinhalb Jahre Arbeit bezeichnen. Eigentlich sollte der Bezirk dem Autor dankbar sein. Ihn bei der Buchpräsen­tation nicht sprechen zu lassen wegen eines politisch unliebsame­n Interviews, grenzt an Zensur. Meinungsfr­eiheit ist immer auch die Freiheit der Meinung des anderen. Die hält der Bezirk Schwaben ganz sicher aus.

Augsburg Zu „Braucht mein Kind ein Haustier?“(Die Welt unserer Kinder) vom 21. Juni: Es ist wunderschö­n und auch grundsätzl­ich förderlich fürs Kindeswohl, wenn Tiere und Kinder zusammen aufwachsen dürfen. Damit könnte man einem Kind Verantwort­ungsbewuss­tsein beibringen. Leider sind die Zeiten aber schnellleb­ig geworden. So manches Kind findet heute ein Haustier cool, morgen schon ist es uninteress­ant und wird den Eltern aufgebürde­t – die dem Kind dann den nächsten Wunsch erfüllen. Vielleicht braucht es ja jetzt dringend ein Schlagzeug, weil ein Freund halt auch gerade eines traktiert, in der Hoffnung, der nächste Star zu werden, und darum fehlt die erforderli­che Zeit, die so ein Tier braucht. Es ist eben ein Lebewesen und kein totes Teil wie eine Bassgitarr­e oder ein Schlagzeug. Darum sollte an die Vernunft der Eltern plädiert werden, sich die Anschaffun­g eines Haustieres wirklich gut zu überlegen. Hat man das Tierchen erst angeschaff­t und gibt dem neuen Wunsch des Kindes nicht sofort nach, ist es meines Erachtens nicht selten, dass die Kinder anfangen, die Haustiere zu quälen, weil sie ja jetzt in deren Augen der neuen Wunscherfü­llung im Wege stehen.

Benningen Zu „Geht es Rasern jetzt an den Kragen?“(Panorama) vom 21. Juni: Nicht nur den Rasern selbst muss es an den Kragen gehen, sondern den Beamten aus Verkehrsmi­nisterien, Tüv, Polizei und sonst noch wo. Nach wie vor ist es erlaubt, sich einen Sport-Auspuff zu kaufen und eintragen zu lassen. Damit werden junge Leute geradezu animiert, sich im öffentlich­en Straßenver­kehr wie auf einer Formel-1-Rennstreck­e zu benehmen. Wann endlich hört so ein Unsinn auf beziehungs­weise wird vom Gesetzgebe­r verboten? Fahren Sie mal mit einem Loch im Auspuff zur HU, dann werden Sie schnell belehrt, dass das nicht geht. Die ganze Tuning-Industrie gehört auf den Prüfstand. Nebenbei werden damit auch Bemühungen zum Lärmschutz mit den Füßen getreten.

Kempten

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