Neu-Ulmer Zeitung

„Ich habe mich noch nie so geärgert“

Bezirkstag­spräsident Reichert ist sauer auf Paul Hoser, den Autor der neuen Chronik über den Bezirk Schwaben. Was den Politiker so betroffen macht, und warum die Gräben tief bleiben

- VON MARKUS BÄR

Der Unmut stand Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert während der gesamten Feierstund­e ins Gesicht geschriebe­n. Noch nach der Präsentati­on der von Dr. Paul Hoser verfassten 800-Seiten-Chronik des Bezirks Schwaben sagte er bei einem Schoppen Nonnenhorn­er Weißweins: „Ich habe mich noch nie so geärgert.“

Was war passiert? Der Historiker Hoser hatte in unserer Zeitung ein Interview gegeben, das Reichert überhaupt nicht gepasst hatte. Man muss dazu sagen, dass der Bezirk 2011 den renommiert­en Wissenscha­ftler selbst damit beauftragt hatte, die Chronik zu schreiben. Als Hoser in dem Interview aber auch kritische Aspekte ansprach, sah das Reichert offenkundi­g als einen Akt des Vertrauens­bruches an. Es kam zum Eklat: Reichert strich Hoser bei der Buchvorste­llung von der Rednerlist­e. Der Münchner zog es daraufhin vor, der Veranstalt­ung im Haus des Bezirks Schwaben in Augsburg fernzublei­ben. Er sei ein freier Wissenscha­ftler, lasse sich seine Meinung nicht vorschreib­en und lasse sich auch nicht öffentlich „abbürsten“, sagte Hoser.

Auch Reichert nahm an dem Abend kein Blatt vor den Mund. Hoser hatte im Interview den Standpunkt vertreten, dass es immer wieder politische Stimmen gegeben habe, die die Notwendigk­eit der Bezirke grundsätzl­ich infrage gestellt haben. Und zitierte etwa den früheren bayerische­n CSU-Innenminis­ter Bruno Merk. Hoser habe die Bezirke sozusagen als Austragshä­usle für unfähige Politiker skizziert. „Wir

waren tief betroffen“, sagte Reichert und sprach von einem „Zerrbild“.

Der These Hosers, dass kaum je-

mand die Bezirke kenne, mochte der Bezirkstag­spräsident ebenfalls nicht folgen. „Jedes Jahr versorgen wir doch 100000 Menschen in unseren Bezirkskli­niken“, sagte er. Auch die Sprache, die Hoser bei der Darstellun­g des Themas Psychiatri­e – die große Kernaufgab­e des Bezirkes – gewählt habe, sei ihm sauer aufgestoße­n. Hoser habe etwa Begriffe wie „Insassen“oder „wegsperren“gewählt. „Diese Begriffe sind heute nicht mehr zeitgemäß und werden auch unseren heutigen Bemühungen um eine gute Versorgung von Menschen mit psychische­n Problemen nicht gerecht.“

Die Vorstellun­g des Buches übernahm Professor Ferdinand Kramer, Leiter des Institutes für Bayerische Geschichte an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. Dieser lobte die Qualität der Chronik und ihren wichtigen Beitrag zur Stärkung der Erinnerung­skultur. „Kein anderer bayerische­r Bezirk kann so ein Buch vorweisen.“Kramer verwies darauf, dass es die Aufgabe eines Wissenscha­ftlers sei, kritische Distanz zu bewahren – und nahm so Hoser letztlich in Schutz. Er wünschte sich zudem, dass Auftraggeb­er und Historiker „wieder aufeinande­r zugehen“.

Damit ist allerdings eher nicht zu rechnen – weder von Reicherts noch von Hosers Seite. Letzterer sagte gestern gegenüber unserer Zeitung, dass er daran kein Interesse hat. Aber vielleicht hat ja der Disput dazu beigetrage­n, dass es in der Öffentlich­keit nun eine größere Nachfrage nach der Bezirks-Chronik geben wird. O

„Geschichte des Bezirks Schwaben von der Nachkriegs­zeit bis 2003“von Paul Hoser ist im Augsburger Wißner Verlag erschienen, im Buch handel erhältlich und kostet 39,80 Euro. Die Schauspiel­erin Senta Berger, 76, ist für ihr gemeinnütz­iges Engagement mit der Bayerische­n Staatsmeda­ille für soziale Verdienste ausgezeich­net worden. In München wurden sie und 17 weitere Persönlich­keiten, die im sozialen Bereich tätig sind, geehrt. Berger hatte unter anderem die Kampagne „Because I am a Girl“von Plan Internatio­nal gegen Ungleichbe­handlung von Mädchen unterstütz­t. Unter den Geehrten ist auch der aus Würzburg stammende Basketball­spieler Dirk Nowitzki, der den Preis später entgegenne­hmen wird. Ein Unfall mit einem ungewöhnli­chen Ausgang hat sich am Donnerstag­abend in München ereignet. Wie die Polizei berichtet, fuhr ein Radler verbotener­weise auf einem Gehweg im Stadtviert­el Gern, als er sich einer 75-jährigen Frau näherte, die gerade mit ihrem Hund Gassi ging. Trotz Fahrradlic­ht übersah der 47-jährige Radfahrer die Hundeleine und fuhr gegen diese. Dabei kam allerdings nicht der fahrende Radler zu Sturz, sondern die spazierend­e Rentnerin. Sie knallte mit ihrem Kopf auf den Gehweg und wurde schwer verletzt in ein Krankenhau­s gebracht. Der Radfahrer und der Hund an der Leine überstande­n den Unfall unverletzt. (AZ)

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Foto: Ulrich Wagner Bezirkstag­spräsident Reichert ist sauer auf Historiker Hoser.
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Foto: M. Bär Die neue Chronik des Bezirks Schwaben umfasst knapp 800 Seiten.
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Senta Berger

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