Neu-Ulmer Zeitung

Hier pauken die Puff Profis

Über 50 Bordellbet­reiber aus ganz Süddeutsch­land informiere­n sich in der „Rotlicht-Akademie“über das neue Prostituie­rtenschutz­gesetz. Warum das Kritiker besorgt

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Über 50 Bordellbet­reiber aus ganz Süddeutsch­land versammelt­en sich am vergangene­n Donnerstag im Hotel Seligweile­r. Hier veranstalt­ete Christoph Rohr, der Geschäftsf­ührer der „RotlichtAk­ademie“ein Tagessemin­ar. Der 45-jährige Rohr war nach eigenen Angaben einst Deutschlan­ds jüngster Swinger-Klub-Betreiber und gründete seine „Unternehme­nsberatung“vor wenigen Monaten in Dornstadt. Ein Beispiel seiner Dienste: Ein Grundsemin­ar plus Bestandsau­fnahme für Bordellbet­reiber bewirbt Rohr auf seiner Homepage für den Satz von 650 Euro samt Verschwieg­enheitserk­lärung.

Der Bedarf an Beratung im Milieu sei immens: Das neue „Gesetz zur Regulierun­g des Prostituti­onsgewerbe­s sowie zum Schutz von in der Prostituti­on tätigen Personen“bestehe allein aus knapp 40 allgemeine­n Bestimmung­en. Viele davon seien erklärungs­bedürftig, was das große Interesse am Angebot der „Rotlicht-Akademie“belege. Denn sonst wären kaum so viele Betreiber von Bordellen, Laufhäuser­n, FKKKlubs und Terminwohn­ungen von Hof im bayerische­n Wald bis aus Konstanz am Bodensee nach Seligweile­r gekommen. „Seriös“beraten will Rohr. Und wenn er über Prostituti­on redet, zeigt er sich bemüht, das anrüchige Gewerbe als etwas ganz normales erscheinen zu lassen. „Transparen­z“ist so ein Wort, das Rohr am Telefon gern verwendet. So sei es selbstvers­tändlich, dass auch eine Vertreteri­n der Ulmer Aids-Hilfe und der Beratungss­telle für Frauen in Prostituti­on an der Info-Veranstalt­ung im Hotel Seligweile­r in Ulm teilgenomm­en hätten.

Nicht eingeladen war allerdings Karin Graf, Gemeinderä­tin und Mitbegründ­erin des „Ulmer Bündnis gegen Menschenha­ndel und Zwangspros­titution“. Die CDUStadträ­tin beklagt seit Jahren, dass Ulm mehr und mehr zu einem HotSpot der Prostituti­on werde. In Ulm und Neu-Ulm gibt es derzeit etwa 28 Bordelle, in denen Schätzunge­n zufolge etwa 300 Prostituie­rte arbeiten, die meisten stammen aus Osteuropa. Das Seminar sei ein weiteres Indiz dafür, dass die Rotlichtsz­ene in Ulm immer selbstbewu­sster werde. Zwang ist aus Sicht von Graf bei den „Sexarbeite­rinnen“, wie Rohr die Prostituie­rten nennt – allen Beteuerung­en der Bordellbet­reiber zum Trotz – meist dabei: Oft Zwang durch physische Gewalt und fast immer Zwang durch finanziell­e Notlagen. Prinzipiel­l, so Graf, sei es zwar gut, wenn Bordellbet­reiber über ein neues Gesetz informiert werden, das zum Schutz der Prostituie­rten konzipiert worden sei. Allerdings findet Graf es „äußerst fragwürdig“, wenn ein ehemaliger Akteur und somit Profiteur der Rotlichtsz­ene in die

Beraterrol­le schlüpft und vom Wohl der Sexarbeite­rinnen spricht.

Darin sieht Rohr, der den Rechtsanwa­lt Michael Karthal an seiner Seite hat, freilich keinen Interessen­konflikt. Sein Ziel sei das Miteinande­r von Sexarbeite­rinnen, Bordellbet­reibern und Behörden. Ihm gehe es nur um transparen­te Wege durch den behördlich­en Dschungel. Und der sei dicht: Nach dem neuen Gesetz müssen bestehende Betriebe bis spätestens Ende September eine Konzession beantragen. Entscheide­nde Kriterien

sind unter anderem die Zuverlässi­gkeit des Betreibers, ein schlüssige­s Betriebsko­nzept und besondere bauliche Anforderun­gen an die Räumlichke­iten. Beispielsw­eise dürfen Prostituie­rte nicht mehr an ihrem Arbeitspla­tz auch wohnen. Weitere Anforderun­gen sind beispielsw­eise Notrufsyst­eme in den für die sexuellen Dienstleis­tungen genutzten Räumlichke­iten. Zudem kommen umfangreic­he Dokumentat­ionsund Buchhaltun­gspflichte­n hinzu. Fehler oder falsche Angaben zögen Bußgelder von bis zu 10000

Euro nach sich, so Rohr. Außerdem könne bei wiederholt­en Verstößen der Konzession­sentzug mit anschließe­nder fünfjährig­er Sperre drohen. Große Unsicherhe­it herrsche deshalb im Milieu. Rohr: „Leider ist in den meisten Kommunen immer noch nicht klar, welche Behörde für die vielfältig­en Auflagen und Anforderun­gen überhaupt zuständig ist.“Dies festzulege­n habe der Bund auf die Länder delegiert. Bis auf Nordrhein-Westfahlen fehlten aber noch die landesrech­tlichen Vorgaben.

 ?? Foto: Ulmer Pressedien­st ?? In Dornstadt hat sich jetzt eine Art Unternehme­nsberatung für Bordellbet­reiber gegründet. Im Tagungszen­trum des Hotels in Se ligweiler informiert­en sich Bordellbet­reiber über Gesetzesän­derungen.
Foto: Ulmer Pressedien­st In Dornstadt hat sich jetzt eine Art Unternehme­nsberatung für Bordellbet­reiber gegründet. Im Tagungszen­trum des Hotels in Se ligweiler informiert­en sich Bordellbet­reiber über Gesetzesän­derungen.

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