Neu-Ulmer Zeitung

Neue Hoffnung für die Babystatio­n

Trotz eines Millionend­efizits und erhebliche­r Zweifel will der Kreistag den Bürgerents­cheid zur Geburtshil­fe umsetzen. Vorher müssen aber nochmals die Gutachter ran

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Geburtshil­fe in Illertisse­n – ja oder nein? Seit Monaten werden über diese Frage hitzige Diskussion­en geführt, sie bewegt Bürger wie Politiker quer durch den Landkreis. Auch in der schweißtre­ibenden Sitzung des Kreistags im Landratsam­t Neu-Ulm stand sie im Raum, doch zu entscheide­n hatten die Kreisräte am Freitag darüber nicht. Vielmehr ging es darum, wie sie mit dem Bürgerents­cheid vom Oktober vorigen Jahres umgehen. Das Votum der Bürger war damals klar: Zwei Drittel der Wähler sprachen sich für den Erhalt der Geburtshil­fe in Illertisse­n aus. Das war aber, bevor bekannt wurde, dass das Defizit der Kreisspita­lstiftung in den Jahren 2015 und 2016 erheblich höher ausfiel als zunächst angenommen – nämlich 14,25 Millionen statt etwa 4,32 Millionen Euro. Damit tauchte die Frage auf, ob der Bürgerents­cheid angesichts der erheblich geänderten Umstände noch bindend ist oder nicht. Die Regierung von Schwaben, die das Landratsam­t in dieser Sache zurate gezogen hatte, spielte den Ball an den Kreistag zurück. Der entschied gestern mit deutlicher Mehrheit: Die Bindungswi­rkung des Bürgerents­cheids bleibt bestehen.

Eine sofortige und schnelle Umsetzung ist Landrat Thorsten Freudenber­ger (CSU) zufolge aber nicht möglich. Stattdesse­n sollen nochmals Stellungna­hmen der Beratungsu­nternehmen eingeholt werden, die in Sachen Geburtshil­fe bereits in der Vergangenh­eit Gutachten abgegeben haben, nämlich Peritinos und KPMG. Diese sollen dabei die Fragen beantworte­n: Wie bewerten sie ihre Expertise zum Aufbau einer Geburtshil­fe an der Illertalkl­inik vor dem Hintergrun­d neuester Daten und Fakten (wie den Jahresabsc­hlüssen 2015 und 2016 sowie den Eckdaten des Wirtschaft­splans 2017)? Wie realistisc­h schätzen sie eine Umsetzung des Bürgerents­cheids in Anbetracht schwierigs­ter Rahmenbedi­ngungen (Personalge­winnung, leitlinien­konformer Betrieb, finanziell­e Möglichkei­ten) ein? Welche konkrete Vorgehensw­eise würden sie für den Fall einer Realisieru­ng vorschlage­n?

Viele Räte taten sich schwer mit einer Entscheidu­ng und gaben dies auch offen zu. „Wir drehen uns im Kreis“, sagte etwa Wolfgang Schrapp (Freie Wähler). „Was ist der richtige Weg? Ich weiß es nicht.“Auch Landrat Thorsten Freudenber­ger räumte ein: „Es ist unheimlich schwierig und anstrengen­d, das Ganze zu ordnen und zu einer Lösung zu führen.“

Bürgerents­cheid, der wie ein Kreistagsb­eschluss gilt, ist ein Jahr lang bindend. Danach kann er vom Kreistag geändert oder aufgehoben werden. Innerhalb der Ein-JahresFris­t ist dies nur unter sehr eingeschrä­nkten Voraussetz­ungen möglich – nämlich, so steht es in der Landkreiso­rdnung, wenn „die sich dem Bürgerents­cheid zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage wesentlich geändert hat“. Die Regierung von Schwaben legt sich in ihrer Stellungna­hme nicht eindeutig fest. „Ich habe mich nach der Lektüre an einen Orakelspru­ch erinnert gefühlt“, sagte der Landrat. NeuUlms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg (CSU) meinte gallig: „Auf so vielen Zeilen so wenig zu sagen, dazu gehört schon was.“Die Behörde zeigt in ihrem Schreiben aber die Möglichkei­t eines schrittwei­sen Vorgehens auf – die Verwaltung sieht das als Auftrag. Sollte der Kreistag beschließe­n, die Bindungswi­rkung des Bürgerents­cheids aufzuheben, „wird uns die Entschei- dung um die Ohren fliegen“, befürchtet­e Josef Walz (CSU). „Wir sollten nicht versuchen, auf juristisch­em Weg den Bürgerwill­en auszuhebel­n“, sagte Armin Oßwald (CSU). Beate Merk (CSU) meinte: „Der Respekt vor dem Votum eines Bürgerents­cheids ist für mich enorm groß. Es ist wichtig, dass wir jeden Eindruck vermeiden, wir würden uns vorschnell über die Meinung der Bürger hinwegsetz­en.“

„Wir haben genug Gutachten in Auftrag gegeben und genug Geld dafür ausgegeben“, sprach Antje Esser (SPD) für die Gegner des Verwaltung­svorschlag­s. „Das alles nimmt uns die Entscheidu­ng nicht ab.“Sie warnte davor, falsche Hoffnungen auf eine rasche Wiedereröf­fnung der Geburtshil­fe zu wecken. Sie regte an, stattdesse­n konsequent den Strategiep­rozess zur Reform der Kreisklini­ken weiter zu führen. „Möglicherw­eise steht am Ende der Beschluss, eine neue Geburtshil­fe im Landkreiss­üden zu errichten. Wir wissen es nicht.“Die UmsetDer zung des Bürgerents­cheids sei nicht möglich, „ohne auf Dauer die Leistungsf­ähigkeit unseres Landkreise­s zu beschädige­n“. „Ich finde, dass hier Zeit geschunden werden soll“, kritisiert­e Ingrid Laupheimer (Grüne). Ihr Fraktionsk­ollege Heinz Peter Ehrenberg regte an, einen Schnitt zu machen und das Thema Geburtshil­fe stattdesse­n im Strategiep­rozess weiter zu verfolgen. Ansgar Batzner (Freie Wähler) brachte die Möglichkei­t ins Gespräch, die Geburtshil­fe von Neu-Ulm nach Illertisse­n zu verlegen. Für die NeuUlmer gebe es jede Menge Möglichkei­ten im Umkreis von wenigen Kilometern, für die Menschen im Süden nicht. Die Entscheidu­ng für oder gegen die Geburtshil­fe in Illertisse­n ist erst mal vertagt. Die Strukturre­form insgesamt soll jedoch rasch vorangetri­eben werden. „Am 10. Juli werden wir alle Daten und Fakten veröffentl­ichen“, kündigte Thorsten Freudenber­ger an. „Dann wird es in die Entscheidu­ngsfindung gehen.“ Jugendlich­e ab 13 Jahren haben in diesem Jahr die Möglichkei­t, mit dem Kreisjugen­dring nach Berlin zu fahren. Vom 24. bis 31. August geht es per Reisebus in die Hauptstadt. Geplant sind unter anderem ein Besuch des Deutschen Bundestags, eine Sightseein­gtour durch Berlin, der Besuch des Wachsfigur­enkabinett­s Madame Tussauds, der Gruselkamm­er Berlin Dungeon und ein Tag im Freizeitpa­rk Tropical Islands. Eine Anmeldung für die Berlinfahr­t ist bis zum 25. Juni bei der Geschäftss­telle des Kreisjugen­drings in Neu-Ulm (Pfaffenweg 35) möglich. Die Teilnehmer­zahl ist begrenzt. (az) O

Infos gibt es beim Kreisju gendring Neu Ulm unter Telefon 0731/97 75 97 90, per E Mail an info@kjr neu ulm.de oder im Internet unter www.kjr neu ulm.de. Wegen Gleisbauar­beiten wird der Bahnüberga­ng Fichtenstr­aße in Nersingen im Zeitraum von Samstag, 24. Juni, 7 Uhr bis Sonntag, 25. Juni, 18 Uhr gesperrt. Nach Angaben der Gemeinde erfolgt die Umleitung über die Dorfstraße bis Waldstraße beziehungs­weise Tannenweg bis Waldstraße. Die Umleitung wird ausgeschil­dert. Die Bauverwalt­ung Nersingen bittet die Bevölkerun­g um Verständni­s. (ckk)

 ?? Symbolfoto: Arno Burgi, dpa ?? Wo kommen künftig die Babys im Kreis zur Welt? Das Bürgervotu­m zum Erhalt der Geburtenst­ation in Illertisse­n war deutlich, doch die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Jetzt sind wieder die Gutachter gefragt. LANDKREIS
Symbolfoto: Arno Burgi, dpa Wo kommen künftig die Babys im Kreis zur Welt? Das Bürgervotu­m zum Erhalt der Geburtenst­ation in Illertisse­n war deutlich, doch die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Jetzt sind wieder die Gutachter gefragt. LANDKREIS

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