Was die Hitze mit der Autobahn macht
Schweiß und Wut im Stau, Tempolimits wegen Hitzeblasen und dann steht auch noch der Grünstreifen in Flammen. Hohe Temperaturen belasten Autofahrer und Autobahndirektion
Bei Hitze geht Thomas Haugg an seine Grenzen. „Manchmal trinkt man den ganzen Tag Wasser, geht aber nur ein Mal auf die Toilette“, sagt Haugg. Den Rest der Flüssigkeit schwitze man aus. Er ist einer von 16 ehrenamtlichen Sanitätern in Augsburg, die als Motorradstreife des Roten Kreuzes auf Autobahnen und Schnellstraßen rund um die Stadt unterwegs sind. In etwa 70 Prozent aller Unfälle ist ein Mitglied der Motorradstreife als Erster vor Ort. Sie schlängeln sich schneller als Rettungswagen durch den Stau und die oft zu engen Rettungsgassen.
Der Sanitäter sagt, er habe bei den aktuellen Temperaturen auch Verständnis für zivile Motorradfahrer, die sich zwischen den Autos durch einen Stau drängeln. Zur Hitze von oben komme bei ihnen noch die Hitze des Motors. 60, 70 Grad. Und das in Schutzkleidung, die auch nicht gerade luftig ist. „Die brauchen den Fahrtwind“, sagt Haugg.
Hitze auf der Autobahn ist aber nicht nur unangenehm, sondern kann richtig gefährlich werden – sodass die Motorradstreife noch mehr zu tun bekommt. Der ADAC hat gerade erst gewarnt, Autofahrer werden bei hohen Temperaturen unachtsamer, machen mehr Fehler. Jeder siebte Unfall, bei dem es Verletzte gibt, passiere an einem Sommertag mit mindestens 25 Grad.
Im Extremfall lässt nicht nur die Konzentration nach. Haugg berichtet vom Fall einer Frau, die erschöpft von der Hitze am Steuer ihres Autos ohne Klimaanlage ohnmächtig geworden ist. Sie hatte Glück, dass das auf der Autobahnausfahrt passierte. Sie überlebte.
Kommen Stau und Hitze zusammen, werden manche aggressiv. Haugg kennt das etwa von einem Stau bei Dasing (Landkreis AichachFriedberg). „Da sind die Leute ausgetickt“, sagt er. „Einer hat auf der Autobahn gewendet.“Der Fahrer wollte auf der falschen Seite bis zur nächsten Ausfahrt fahren, um nicht im Stau stehen zu müssen.
Nicht nur die Menschen leiden, auch das Material. Im Moment warnen Autobahndirektionen wieder vor sogenannten Blow Ups. Die können bei älteren Betonfahrbahnen entstehen. Die Betonplatten dehnen sich bei der Hitze aus, drücken sich im schlimmsten Fall nach oben und brechen. „Wie wenn man zwei CD-Hüllen mit aller Kraft gegeneinanderschiebt“, beschreibt Josef Seebacher von der Autobahndirektion Südbayern das Phänomen. Auf der A6 in Baden-Württemberg passierte das erst am vergangenen Mittwoch.
Um die Gefahr zu minimieren, gibt es aktuell auf der A94 bei München Abschnitte, auf denen das Tempolimit tagsüber auf 80 Stundenkilometer gesenkt wurde. Aber: Blow Ups seien „ein ganz seltenes Ereignis“. Und nicht jedes Mal platzt die Straße auf, häufiger schiebt sich eine Platte nur etwas nach oben. Auf der Autobahn kann das dennoch gefährlich werden. Vor vier Jahren gab es mehrere Vorfälle, unter anderem war ein Motorradfahrer in Niederbayern wegen eines Hitzeschadens gestorben. Daraufhin reagierte die Autobahndirektion. Sie ließ an gefährdeten Strecken Entspannungsschnitte einfügen. Dabei wird ein Teil des Betons durch Asphalt ersetzt. Asphalt ist weicher, die Straße kann nicht mehr aufplatzen.
Die Autobahnstrecken rund um Augsburg waren laut Seebacher auch vorher nicht gefährdet. Und in den vergangenen vier Jahren wurden auch die Gefahrenstellen im Bereich der Autobahndirektion Südbayern gesichert. Nur bei der A94 gebe es noch ein Restrisiko – passiert ist dort aber noch nie etwas.
Auch ohne dass es zur Katastrophe kommt, leiden die Straßen bei den Temperaturen. „Unsere Fahrbahnen sind auf die Temperaturen ausgelegt, die hier herrschen“, sagt Seebacher. Das heißt, sie halten Temperaturen bis minus 30 Grad aus, aber auch die Hitze in den Sommertagen wie im Moment. „Das ist eine extreme Spanne“, erklärt Seebacher. An den Grenzen dieser Spanne leidet das Material bereits. Bei Asphalt gibt es zwar keine Blow Ups – bei extremer Hitze kann er aber weich werden, sodass Spurrinnen entstehen.
An den vergangenen, besonders heißen Tagen brannte zudem immer wieder Gras auf Mittelstreifen in der Stadt und auf den Autobahnen. Friedhelm Bechtel von der Augsburger Feuerwehr sagt: „Vom Brand selbst geht nur eine geringe Gefahr aus.“Wenn das Gras verbrannt ist, höre das Feuer von selbst auf und im Normalfall gebe es in der Nähe nichts, das brennen könnte. Aber: „Das raucht natürlich ziemlich stark.“Das führe zu Sichtbehinderungen – eine deutlich größere Gefahr als das Feuer selbst. Oft entstehen solche Brände durch weggeworfene Zigarettenkippen oder durch Glas, das das Sonnenlicht bündelt. In der Stadt kommt es auch vor, dass Autos auf dem Grünstreifen parken – dann kann der heiß gefahrene Katalysator zur Gefahr werden.
Es gab eine Zeit – und die ist noch nicht allzu lange her –, da hat man sich in Bayern halbwegs gepflegt miteinander unterhalten. An Stammtischen beschimpfte man sich zwar bei Meinungsverschiedenheiten wüst. Aber am folgenden Sonntag war meist alles wieder gut. Außerdem fand das Ganze in überschaubaren kleinen Zirkeln statt.
Das hat sich geändert. Der moderne Hitzkopf ist eine Spezies, die sich offenbar mit der Klimaerwärmung in unserer Gesellschaft vermehrt wie Streptokokken im Spätwinter. Und der neue Stammtisch ist Facebook und Co. Ziemlich groß und ziemlich öffentlich.
Von den sommerlichen Temperaturen werden diese Hitzköpfe derzeit wieder richtig zum Glühen gebracht. Wer eine andere Meinung hat, ist mindestens ein Depp, meist aber ein Arschloch.
Die Rede ist von einer neuen gesellschaftlichen Schicht – dem Wutbürgertum. Es bricht mit der Tradition, dass zur politischen Mitte auch eine innere Mitte gehört, also Gelassenheit. Der Wutbürger buht, schreit, hasst. Und er ist zutiefst empört über alles und jeden, der nicht seiner Meinung ist. Denn der Wutbürger denkt an sich und nicht an andere. Die sind ihm egal. Und er hat das Gefühl, stets in der Mehrheit zu sein. So argumentiert er auch – meist ohne Fakten, aber immer mit einer Überdosis Emotion. Das Wort Respekt verwendet er nur in Bezug auf die eigene Person.
Glücklicherweise wird der Wutbürger oft nur digital aktiv. Im wahren Leben traut sich die Masse der Zornigen noch nicht, sich zu offenbaren. Doch der Ärger in den Köpfen und Seelen ist da. Und sagen wir es mal platt: Wenn die Köpfe der Wutbürger tatsächlich rauchen würden, würde es in unseren Dörfern und Städten qualmen wie bei einer Grillparty. Ein Unbekannter hat nahe Ichenhausen (Landkreis Günzburg) eine ohnmächtige Frau bestohlen. Die 35-Jährige war laut Polizei am Freitagnachmittag bei einem Spaziergang mit ihrem sechs Monate alten Sohn kollabiert. Ursache dafür sei wohl die Hitze auf dem Feldweg gewesen. Statt sich um die Frau zu kümmern, durchsuchte der Täter ihre Handtasche. Als die Frau wieder zu sich kam, fehlten Geldbörse und Mobiltelefon. Beides fand sie mehrere hundert Meter entfernt – das Handy beschädigt und ohne SIMKarte, im Geldbeutel fehlten Bargeld und EC-Karten. (AZ)