Neu-Ulmer Zeitung

Steinmeier: Antisemiti­smus nimmt zu

Heute kommt der Bundespräs­ident zur 100-Jahr-Feier in die Augsburger Synagoge. Im Interview mit unserer Zeitung plädiert er für ein „gutes Miteinande­r“in Deutschlan­d

- VON RUDI WAIS UND ALOIS KNOLLER

Der zunehmende Antisemiti­smus beunruhigt auch den ersten Mann im Staate. „Leider sind in Deutschlan­d – ähnlich wie in anderen europäisch­en Ländern – wieder vermehrt antisemiti­sche Ressentime­nts zu beobachten“, kritisiert Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in einem Interview mit unserer Zeitung. Dabei mische sich ein bis heute tradierter Antisemiti­smus mit einem neuen Antisemiti­smus in Teilen muslimisch geprägter Zuwanderer­gruppen. Vor allem die sozialen Medien dienten dabei häufig der Verbreitun­g von Hassbotsch­aften und antijüdisc­her Hetze.

Steinmeier, der heute zur 100-Jahr-Feier der Synagoge nach Augsburg kommt, wünscht sich ein „gutes Miteinande­r“in Deutschlan­d. „Wo gegenseiti­ges Verstehen wächst“, sagt er, „ist kein Platz für Hass und Ausgrenzun­g.“Nach wie vor stelle sich die Mehrheit der Gesellscha­ft klar gegen jede Form von Antisemiti­smus. Umgekehrt seien Angriffe auf und Beleidigun­gen von Menschen aufgrund ihres Glaubens „auch Angriffe auf jeden Einzelnen von uns“.

Anders als in Frankreich, wo mehrere tausend Juden in den vergangene­n Jahren vor dem wachsenden Antisemiti­smus nach Israel geflohen sind, gebe es in Deutschlan­d keine Auswanderu­ngsbewegun­g. „Zu unser aller Glück kann Deutschlan­d heute wieder die Heimat sein, die den Juden durch die Nationalso­zialisten geraubt wurde.“

Erst vor wenigen Tagen hatte der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, in unserer Zeitung über eine neue Qualität von Anfeindung­en gegenüber Juden gesprochen. Der Fall eines jüdischen Jungen, der in Berlin regelrecht von seiner Schule gedeutsche­n mobbt worden war, sei kein Einzelfall. Mit Blick auf die hohe Zahl muslimisch­er Zuwanderer sagte Schuster: „Unsere Aufnahme- und Integratio­nsfähigkei­t hat Grenzen.“

Die Israelitis­che Kultusgeme­inde und ihr Rabbiner Henry G. Brandt empfinden Steinmeier­s Besuch nach eigenen Worten als große Ehre. „Es macht zwar viel Arbeit wegen der Sicherheit­sanforderu­ngen, aber wann kommt schon der Bundespräs­ident in eine jüdische Gemeinde?“, sagt ihr Sprecher Josef Strzegowsk­i. Am 4. April 1917 wurde die im Stil der neuen Sachlichke­it geplante und im Jugendstil dekorierte Synagoge eingeweiht. Sie gilt als Gipfel der Jüdischen Renaissanc­e.

Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier über den Kampf gegen den Antisemiti­smus.

Knoller und Daniel Wirsching über die Geschichte der Augsburger Synagoge und das jüdische Leben in der Stadt. Haben Sie Fragen und Anregungen? Sprechen Sie mit der Redaktion. Heute ist für Sie zwischen 14 und 15 Uhr am Telefon:

Holger Sabinsky-Wolf (Bayern)

 ?? Foto: Jüdisches Kulturmuse­um Augsburg Schwaben ?? Richtfest: Stolz posieren die Handwerker auf der Kuppel der Augsburger Synagoge.
Foto: Jüdisches Kulturmuse­um Augsburg Schwaben Richtfest: Stolz posieren die Handwerker auf der Kuppel der Augsburger Synagoge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany