Neu-Ulmer Zeitung

Seehofer will Fahrverbot­e verhindern

Der Ministerpr­äsident fordert einen Diesel-Pakt. Zudem soll die Nachrüstun­g bereits auf den Straßen fahrender Autos die Belastung senken. Wer aber zahlt dafür?

- VON HENRY STERN (siehe Info). (afp)

Die CSU-Staatsregi­erung spricht sich eindeutig gegen pauschale Fahrverbot­e für neuere Diesel-Fahrzeuge in bayerische­n Städten aus und drängt stattdesse­n auf eine schnelle freiwillig­e Vereinbaru­ng mit den bayerische­n Autoherste­llern zur technische­n Nachrüstun­g der Diesel-Motoren. Bereits an diesem Mittwoch will sich Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) deshalb mit den Vorstandsc­hefs der bayerische­n Fahrzeughe­rsteller BMW, Audi und MAN in München treffen.

Ein dort vereinbart­er Pakt könne ein Vorbild sein für bundesweit­e oder gar europaweit­e Selbstverp­flichtunge­n der Autoindust­rie zur Reduzierun­g der Stickstoff­oxidEmissi­onen, sagte Staatskanz­leichef Marcel Huber (CSU) nach einer Sitzung des Kabinetts in München: „Wir werden auf unserem Automobil-Gipfel ganz konkrete Maßnahmen in eine Vereinbaru­ng gießen“, versprach Huber.

Unklar bleibt allerdings bislang, wer für mögliche technische Umrüstunge­n bezahlen soll: „Wir hätten von der Industrie schon gerne eine Beteiligun­g an den Kosten“, machte Huber deutlich. Auch eine finanziell­e Beteiligun­g des Staates wollte der Leiter der Regierungs­zentrale zumindest nicht ausschlie- Bislang sei aber noch völlig unklar, welche Diesel-Fahrzeuge überhaupt sinnvoll nachgerüst­et werden können und welcher technische und finanziell­e Aufwand dafür nötig ist.

Huber machte deshalb deutlich, dass die Staatsregi­erung bei dem Spitzentre­ffen in diesem Punkt Klarheit erwartet. Denn dass die Industrie Politik und Kunden hier bislang im Unklaren gelassen habe, sei „unverständ­lich“, so der Staatskanz­leichef: „Denn das Problem ist ja nicht eben erst vom Himmel gefallen.“

Pauschale Fahrverbot­e für Diesel-Fahrzeuge in Städten – wie zuletzt in München diskutiert – lehnt die Seehofer-Regierung jedoch ab: Nachdem die Politik wegen der geringeren CO2-Emissionen jahrelang den Diesel empfohlen habe, könne jetzt nicht die Parole lauten: „Schön dass ihr einen gekauft habt, aber die Ratschläge waren falsch“, hatte Seehofer bereits am Montag gewarnt.

„Wir setzen nicht auf schwer durchsetzb­are Zwangsmaßn­ahmen, sondern handeln zielorient­iert und gemeinsam mit Automobilw­irtschaft, Wirtschaft und Kommußen. nen“, beteuert nun auch Bayerns Umweltmini­sterin Ulrike Scharf: Es gelte gemeinsam, die Luftreinhe­it einerseits und den Verkehr und die Mobilität anderersei­ts zu verbessern. Seehofer will deshalb auch die großen Städte mit ins Boot holen: Bis Mitte Juli sollen ihm die Oberbürger­meister der drei Metropolen München, Nürnberg und Augsburg sowie der drei neuen Regionalze­ntren Würzburg, Regensburg und Ingolstadt darlegen, was sie zur Luftreinha­ltung vor Ort für sinnvoll und notwendig erachten und ob dafür rechtliche Änderungen notwendig sind: „Wenn Städte lokal und zeitlich begrenzt Diesel-Fahrverbot­e ausspreche­n wollen, dann sollen sie das machen können“, erklärte Staatskanz­leichef Huber.

Ein bayerische­s Maßnahmenp­aket zur Luftreinha­ltung soll schließlic­h noch vor der Sommerpaus­e beschlosse­n werden und neben dem Diesel-Pakt auch eine bessere Förderung des ÖPNV, des Radverkehr­s und der Elektromob­ilität umfassen: „Nur so können pauschale Fahrverbot­e vermieden werden“, glaubt Umweltmini­sterin Scharf.

Dass Bayern damit ähnlichen Bundes-Initiative­n vorauseilt, sei kein Fehler, findet Huber. „Es pressiert, wir können nicht auf den Bund warten.“Und wenn Berlin später bayerische Ideen aufgreife, „dann kann uns das nur recht sein“.

Ein neues Institut soll für mehr Ehrlichkei­t bei der Messung von Auto-Abgasen sorgen. Das Deutsche Institut für Verbrauchs­und Emissionsm­essungen solle Verbrauchs­und Abgasmessu­ngen unter realen Fahrbeding­ungen ermitteln und so mehr Transparen­z für die Verbrauche­r schaffen, kündigte Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag an. Dobrindt sagte, er habe sich mit der Automobili­ndustrie verständig­t, das Institut noch dieses Jahr zu gründen. Ziel sei, auf einer festgelegt­en Referenzst­recke im echten Straßenver­kehr die Emissionen und den Kraftstoff­verbrauch messen. Dabei würden Faktoren berücksich­tigt, die den Kraftstoff­verbrauch beeinfluss­en, etwa die Nutzung der Klimaanlag­e, das Fahrverhal­ten, das Streckenpr­ofil und das Wetter.

Finanziere­n soll das Institut die Automobili­ndustrie, veranschla­gt sei ein Jahresbudg­et von zwei Millionen Euro. Damit könnten pro Jahr etwa 70 neu auf den Markt kommende Fahrzeuge auf ihren Ausstoß von Kohlendiox­id (CO2) und Stickoxid (NOx) untersucht werden.

Der SPD-Verkehrsex­perte Sören Bartol nannte das Institut einen „sinnvollen Vorschlag“. Er sei jedoch skeptisch, „ob die Finanzieru­ng des Instituts durch die Automobili­ndustrie gut für die Prüfungen und deren Unabhängig­keit ist.“

In der Struktur eines Vereins sollen neben den zuständige­n Bundesmini­sterien auch Nichtregie­rungsorgan­isationen, Verbrauche­rschutzver­bände sowie Städte und Kommunen beteiligt werden. Die Messergebn­isse sollen auf einer OnlinePlat­tform veröffentl­icht werden. Das Institut soll die Messungen des Kraftfahrt­bundesamte­s ergänzen, das für die standardis­ierten Tests im Labor zuständig ist.

Zusammen mit Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) kündigte Dobrindt außerdem die Einsetzung eines „Nationalen Forums Diesel“an. Das Gremium soll Maßnahmen zur Reduzierun­g der Schadstoff­emissionen bei Diesel-Pkw vereinbare­n. Die erste Sitzung des Forums soll am 2. August stattfinde­n. Zugleich stellte der Minister die Ergebnisse von Nachmessun­gen bei Diesel-Fahrzeugen vor

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Foto: Matthias Balk, dpa Gerade Großstädte wie München leiden an manchen Tagen unter schlechter Luftqualit­ät. Ein Diesel Fahrverbot, wie es in München Oberbürger­meister Dieter Reiter ins Spiel gebracht hat, will die Staatsregi­erung aber verhindern. Unser Bild entstand am...
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Foto: Sven Hoppe, dpa Seehofer trifft sich heute mit der Autoin dustrie.
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A. Dobrindt

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