Er schreckt nicht vor scharfen Worten zurück
klar ist, wächst das Grummeln auch gegenüber seiner Person. Im September erst will Kurz sein Programm vorstellen und bis Mitte Oktober einen kurzen, vor allem günstigen Wahlkampf führen. Er sei „ein Freund der Klarheit“, heißt es jedenfalls auf seiner Facebook-Seite, die fast 550000 Menschen gefällt. Nur FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat als Politiker mehr Follower, also Anhänger im Internet. Davon sind allerdings 200000 aus Deutschland.
Weil er nicht vor scharfen Formulierungen zurückschreckt, hat Kurz schon gewaltigen Staub aufgewirbelt. Als er etwa vom „NGOWahnsinn“sprach – eine heftige Kritik an Nichtregierungsorganisationen – oder sich die Schließung der Balkanroute als persönlichen Verdienst anheftete. Nun fordert er, auch das Mittelmeer für Flüchtlinge unpassierbar zu machen. Die FPÖ mit ihren rechtspopulistischen Positionen hat er so in die Defensive gebracht. Früher konnte diese ihren Kandidaten Strache als Herausforderer des Kanzlers positionieren. Dies gelingt jetzt nicht mehr. Was an Sebastian Kurz liegt.
Das Duell, glauben 46 Prozent der Österreicher in einer Umfrage, werde sich zwischen ihm und Bundeskanzler Christian Kern entscheiden. Noch ist das Rennen offen. Auch die Frage, wie eine Koalition aussehen könnte. ÖVP und FPÖ – denkbar. Nun hat aber auch die SPÖ mit dem Dogma gebrochen, niemals mit der FPÖ paktieren zu wollen.
In Berlin sagt man, es gebe keine großen Schwierigkeiten mit Kurz. Allerdings bleibt unvergessen (im Merkel-Lager sagt man auch: unverziehen), wie er im Frühjahr 2016 die Außenminister der Westbalkanländer nach Wien einlud, um die Schließung der Flüchtlingsroute voranzutreiben – ohne Griechenland und Deutschland einzubinden. Wenn er mal über die Stränge schlage und die Kanzlerin kritisiere, heißt es, rufe man Österreichs Botschafter an, auch ein Kurz-Getreuer. Der leite die Kritik nach Wien weiter. Als ÖVP-Chef, erst recht als Kanzler, hätte er einen direkten Draht zu Angela Merkel. (mit anf)