Erdogans langer Arm in Ulm
Der Arm Erdogans reicht weit in Ulmer Angelegenheiten hinein. Anders ist die bisherige Verweigerung des Ulmer Ablegers der staatlichen türkischen Religionsbehörde, die Erklärung für ein friedvolles Miteinander nicht zu unterzeichnen, kaum zu erklären. Es ist glaubhaft, wenn Vertreter der Stadt Ulm von einer guten Zusammenarbeit mit Ditib sprechen. Bisher. Über Jahre hinweg galt der Verein als der wichtigste Ansprechpartner in Fragen der Einbindung des Islams. Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei hat sich allerdings viel geändert. Überraschend ist das nicht. Ditib ist schon immer der verlängerte Arm der türkischen Religionsbehörde, bildet schon immer ihre Imame in der Türkei aus, die von Ankara dafür bezahlt werden, in Deutschland jenen sunnitischen Islam zu predigen, der der amtierenden Regierung gerade passt. Heute ist es ein Islam, der zum autokratischen Weltbild Erdogans passt. Jenem Mann, der die Gülen-Bewegung als HauptFeind seines angestrebten Machtausbaus identifiziert hat. Da passt es der türkischen Religionsbehörde nicht ins Bild, dass Erdogan-Feinde mit einem von der Erdogan-Regierung mitfinanzierten Verein an einem Strang ziehen wollen. Auch nicht, wenn dies im fernen Ulm geschieht. Das ist sehr bedauerlich, aber aufgrund der Struktur der türkischen Religionsbehörde durch Druck von außen nicht zu ändern.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass sich die Ulmer Ditib-Mitglieder von ihrem Dachverband emanzipieren. Sicherlich dämmert es Ditib in Ulm längst, dass es Unsinn ist, erst an einem Papier mitzuarbeiten, um es dann nicht mitzutragen. Zumal inhaltlich im März längst ein ähnliches Bekenntnis gegen Hass auf Andersdenkende, antidemokratisches Verhalten und Gewalt abgelegt wurde. Dennoch ist die Erklärung für ein Zusammenleben in Frieden und Respekt der türkeistämmigen Ulmer auch ohne Unterschrift des wichtigsten Vereins nicht wertlos: Erstens ist längst nicht jeder türkeistämmige Ulmer bei Ditib. Und zweitens gerät durch die Unterstützung der 21 anderen Vereine und Organisationen Ditib in Ulm – Erdogan hin oder her – in Erklärungsnot, wenn der Verein weiter mit der Stadtverwaltung zusammenarbeiten will.