Neu-Ulmer Zeitung

Ein Weltkultur­erbe im Aufwind

Die Organisati­onsform, die auf ideellen Grundsätze­n beruht, findet immer mehr Anhänger. Am Samstag feiern sich die Vertreter auf dem Ulmer Marktplatz selbst

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

In der Ulmer Frauenstra­ße sitzt die jüngste ihrer Art: Disrupt Consulting wurde erst im vergangene­n Jahr gegründet und ist seit März diesen Jahres im Genossensc­haftsregis­ter eingetrage­n. Das Netzwerk aus Personen und Unternehme­n, das sich der Digitalisi­erung von Unternehme­n und Geschäftsm­odellen verschrieb­en hat, ist eine von 47 Genossensc­haften in Ulm, dem AlbDonau-Kreis und dem Kreis Biberach. Damit vereint Disrupt Consulting zwei Welten: Einerseits beschäftig­ten sich die Ulmer mit Technologi­en, die die Welt verändern. Anderseits greift das Netzwerk auf eine uralte Organisati­onsform zurück, die zum „Immateriel­len Kulturerbe der Menschheit“erklärt wurde. Aus Sicht von Roman Glaser, dem Präsident des Badenwürtt­embergisch­en Genossensc­haftsverba­nds (BWGV) eines von vielen Beispielen für die Aktualität der Idee.

Mit mehr als 3,9 Millionen Mitglieder­n ist Baden-Württember­g das „Land der Genossensc­haften“– denn der Südwesten habe deutschlan­dweit die mit Abstand höchste Dichte an Genossensc­haftsmitgl­iedern. Noch erhebliche­s Potenzial für Genossensc­haften besteht aus Sicht von Glaser unter anderem in der kommunalen Infrastruk­tur, bei sozialen Dienstleis­tungen und im Gesundheit­swesen. „Unsere sehr erfreulich­e Mitglieder­entwicklun­g zeigt, wie beliebt Genossensc­haften bei den Menschen sind, aber auch, wie sehr sich unsere Rechts- und Unternehme­nsform für die Bewältigun­g vieler Zukunftshe­rausforder­ungen eignet“, sagt Glaser, der die Unesco-Auszeichnu­ng als „ganz besondere Ehre und eine großartige Anerkennun­g für alle Genossensc­haften“bezeichnet. Die Idee der Genossensc­haft findet auch in der Region eine wachsende Anhängersc­haft. Das belegten die insgesamt 47 Genossensc­haften und deren mittlerwei­le fast 230 000 Mitglieder – Tendenz steigend. Allein in den vergangene­n zehn Jahren sind laut BWGV in der Region 24 Genossensc­haften neu gegründet worden – vor allem Bürger-Energiegen­ossenschaf­ten, aber auch ein Dorfladen oder eben Disrupt Consulting, als Berater-Genossensc­haft für Technologi­en der Zukunft. Eine Genossensc­haft erweise sich immer öfters als ideale Organisati­onsform. Aus administra­tiven Gründen, wie es etwa bei Disrupt Consulting heißt. Aber auch die grundsätzl­iche Philosophi­e des gemeinsame­n Zwecks sei oft ein Argument. Genossensc­haften ermögliche­n etwa eine einfachere, faire Teilung von Finanzieru­ngskosten und erhöhen zugleich die Bindung und Identifika­tion der Menschen mit Projekten. Mit Abstand die größten Genossensc­haften sind nach wie vor Banken, wovon es acht im Großraum Ulm gibt. Allein 73 000 Mitglieder in der Region hat die Volksbank Ulm-Biberach. Als weitaus größte Genossensc­haft rund um Ulm steht die Ulmer Volksbank im Mittelpunk­t des genossensc­haftlichen „Familientr­effens“am Ulmer Münster: Am Samstag, 1. Juli, veranstalt­et der BWGV den bereits 11. Genossensc­haftstag. Die Veranstalt­ung wird um 10 Uhr von Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch, BWGV-Präsident Glaser und Ralph P. Blankenber­g, Vorstandss­precher der Volksbank Ulm-Biberach, eröffnet. Auf dem Marktplatz in Ulm präsentier­en sich bis 15 Uhr zahlreiche Genossensc­haften mit ihren vielfältig­en Geschäftsm­odellen. Mit dabei sind auch die Milchwerke Schwaben, als größte landwirtsc­haftliche Genossensc­haft der Region. Der Zusammensc­hluss von rund 1000 Milcherzeu­gern aus der Region präsentier­t zusammen mit der Vieherzeug­er-Genossensc­haft einen artgerecht­en Viehtransp­orter. „Man nimmt den Weg des Rinds“, sagt Glaser.

Daneben ist für Unterhaltu­ng gesorgt: Auftritte diverser Musikgrupp­en aus der Region stehen ebenso auf dem Programm wie das schwäbisch­e Mundart-Kabarett „Hillu’s Herzdropfa“.

Die jungen Leute waren in einer feierliche­n Stimmung. Denn diejenigen, die sich im Wiley Club Neu-Ulm trafen und dort ihre Urkunden in Empfang nahmen, sind die besten 75 IHK-Absolvente­n aus den Kreisen Günzburg und NeuUlm. Geehrt wurden sie von Roland Kober, Vizepräsid­ent der IHK Schwaben, Gerd Stiefel, Vorsitzend­er der Regionalve­rsammlung NeuUlm und Janine Berger, erfolgreic­he deutsche Kunstturne­rin beim SSV Ulm.

Die Absolvente­n wurden aus insgesamt 1239 Prüfungste­ilnehmern der Region Westschwab­en ausgewählt. In seinem Grußwort würdigte Kober die Leistungen der Auszubilde­nden und betonte die Wichtigkei­t der Dualen Ausbildung. „Wir brauchen in Deutschlan­d nicht nur top ausgebilde­te Akademiker und Ingenieure, sondern vor allem hoch spezialisi­erte und motivierte Techniker, Fachwirte und Meister. Eine akademisch­e Laufbahn ist längst kein Garant mehr für einen sicheren, gut bezahlten Arbeitspla­tz.“

Im Podiumsges­präch mit der Kunstturne­rin des SSV Ulm, Janine Berger, die bei den Olympische­n Spielen 2012 den vierten Platz erreichte, wurde der Bogen geschlagen zu Zielstrebi­gkeit, Ehrgeiz und Erfolg. (az)

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Foto: Helmstädte­r Ein Milchlaste­r der Milchwerke Schwaben. Die Organisati­onsform der Genossen schaft gehört zum „Immateriel­len Kulturerbe der Menschheit“.

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