Neu-Ulmer Zeitung

Ein Jahr zwischen Kultur und Konflikten

Illertisse­rin geht für ein Jahr nach Jerusalem. Mit K!ar.Text hat die 24-jährige Studentin darüber gesprochen, wie sie sich in Israel sozial engagieren wird – und warum

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Tamara, Du fliegst bald für ein Jahr nach Israel. Wie bist du denn darauf gekommen?

Ich bin jetzt bald fertig mit meinem Studium. Da wollte ich noch irgendwas Sinnvolles machen. Es war dann reiner Zufall, dass ich über die Aktion Sühnezeich­en Friedensdi­enst, also ASF, gestolpert bin, für die ich dann in Jerusalem arbeite. Aber ich fand die Idee hinter dieser Organisati­on so toll, dass ich mich direkt beworben habe. Kannst Du kurz erklären, worum es bei dieser Organisati­on geht?

Gegründet wurde ASF Ende der 1950er von der evangelisc­hen Kirche. Sie ist also christlich geprägt, aber es kann jeder mitmachen, egal welcher Religion er angehört. Im Mittelpunk­t stand anfangs die Wiedergutm­achung für den Antisemiti­smus und die Verbrechen gegen Juden während der NSZeit. Heute setzt sich die Organisati­on in 13 Ländern gegen Rassismus, Diskrimini­erung und Ausgrenzun­g von Minderheit­en ein.

Warum hat dich ASF gleich auf Anhieb so fasziniert?

Als die Flüchtling­skrise in Deutschlan­d begonnen hatte, war ich für ein Auslandsst­udium in Chile. Da habe ich dann von außerhalb mitbekomme­n, wie auch in Deutschlan­d dieser Hass gegen die Asylsuchen­den aufkam. Das fand ich wirklich schlimm. Ich war ja selbst in einem fremden Land. Und wenn die Leute nicht auf einen zukommen, ist es einfach schwer, dort zu leben. Ich finde es auch wichtig, dass wir, mit unserer Geschichte, die noch gar nicht so lange her ist, aufstehen und uns einsetzen für ein gutes Miteinande­r aller Kulturen. Wie sieht die Arbeit dieses Friedensdi­enstes heute konkret aus?

Es gibt verschiede­nste Projekte. Antisemiti­smus ist immer noch ein wichtiger Punkt. ASF arbeitet vor allem mit Menschen und Organisati­onen aus Ländern zusammen, die unter der NS-Zeit gelitten haben. Es gibt aber auch Projekte mit Menschen mit Behinderun­g oder sozial Benachteil­igten. ASF macht auch historisch­e und politische Bildung. Es wurde mit dem Gedanken an den Antisemiti­smus gegründet, aber hat sich im Laufe der Jahre vergrößert.

Warum dann Jerusalem?

ASF arbeitet in elf Ländern in Europa, den USA und Israel. Ich habe mich für verschiede­ne Länder und Projekte beworben und wurde nach einem Auswahlsem­inar in Jerusalem angenommen. War das denn dein Wunschziel?

Jerusalem ist schon sehr spannend, kulturell gesehen. Drei Weltreligi­onen – Islam, Judentum und Christentu­m – prallen hier aufeinande­r. Die Stimmung ist, glaube ich, ganz speziell.

Machst du dir denn auch Sorgen um deine Sicherheit? Wenn Israel in den Nachrichte­n auftaucht, geht es doch meistens um Gewalt und Terror.

Für meine Familie ist es wohl schlimmer. Bei mir überwiegt auf jeden Fall die Neugier und die Lust, das zu machen. Ich war aber schon in Israel und war sehr überrascht von dem, was ich dort erlebt hatte. So im Gegensatz zu dem, was ich in Deutschlan­d aus den Medien mitbekomme. Aber es stimmt, gerade Jerusalem ist sehr konfliktge­laden. Es passiert viel, tagtäglich.

Der Staat Israel wurde ja erst 1948 gegründet. Bis heute gibt es Konflikte zwischen den Palästinen­sern, die dort schon vorher gelebt hatten und den Israelis.

Ich habe Menschen beider Religionen getroffen, als ich dort war. Es gibt einfach ganz viele verschiede­ne Meinungen, auch Vorurteile gegenüber dem anderen Volk. Ich glaube, das liegt daran, dass die Menschen dort in dem Konflikt groß werden. Bei denen, die ich getroffen habe, war häufig auch der Wunsch nach Ruhe und Frieden groß. Viele stört aber auch, dass die Medien fast nur über die Auseinande­rsetzungen in dem Land berichtet wird, die alles andere überdecken. Was wären denn deiner Meinung nach die schönen Seiten des Landes, über die die Medien auch mal schreiben sollten?

Israel ist einfach ein wunderschö­nes Land. Mir hat die Vielfalt an Kultur gefallen. Es sind viele Juden aus ganz Europa nach Israel gekommen, dann kommen noch Einflüsse aus dem Nahen Osten dazu. Das gibt so einen kunterbunt­en Eintopf. Auf der Straße hört man die verschiede­nsten Sprachen, zu es- sen gibt es praktisch alles von vegan bis Schnitzel. Bei welchen Projekten arbeitest Du denn in Jerusalem mit?

Einerseits werde ich im Beit Ben Yehuda arbeiten, einer internatio­nalen Jugendbege­gnungsstät­te. Dort gibt es Seminare für Schulklass­en zu geschichtl­ichen, politische­n, kulturelle­n und sozialen Themen. Dabei werde ich helfen. Dann arbeite ich noch für die Organisati­on Irgun Jotzei Merkas Europa, die Heime für ältere Menschen gegründet haben. Die werde ich besuchen und ihnen im Alltag helfen. Oder auch nur mit ihnen quatschen oder Tee trinken, wenn sie das möchten.

Wie hoch ist denn der Organisati­onsaufwand für ein soziales Jahr mit ASF?

So ein Freiwillig­es Soziales Jahr kostet ganz schön viel Geld. Bei ASF unterstütz­en Paten die Freiwillig­en finanziell monatlich mit 15 Euro, also insgesamt mit 180. Die irgendwo aufzutreib­en, ist nicht ganz einfach. Sollte jemand Interesse haben, mein Pate zu werden, kann er mich gern persönlich anschreibe­n. O

Wer für Tamaras Einsatz spen den möchte, kann sie per E Mail unter tamara.franz@gmx.de erreichen. Der diesjährig­e Partyshot der Musikgesel­lschaft Bellenberg findet am Freitag, 30. Juni, statt. Ein DJ liefert die passende Musik zum wilden Tanzen. Auch die in den vergangene­n Jahren so beliebte Cocktailba­r wird wieder aufgebaut. Der Eintritt auf den Schlossber­g in Bellenberg ist frei. Beginn ist um 20 Uhr. Der Eintritt ist ab 16 Jahren. Sollte die Open-Air-Party wegen Regen ins Wasser fallen: Der Ersatzterm­in ist eine Woche später, am Freitag, 7. Juli. (az)

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Foto: Roland Holsch/dpa Zur Klagemauer kommen Juden, um zu beten, der Felsendom gehört zu den islamische­n Hauptheili­gtümern. Außerdem gibt es in Jerusalem mehr als 150 christlich­e Kirchen. In der Stadt prallen drei Weltreligi­onen auf einander. Die Illertisse­rin Tamara Franz...
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Foto: Wolfinger Tamara Franz wird das kommende Jahr in Jerusalem arbeiten.

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