Hamburg gleicht einer Festung
Die linke Szene macht mobil gegen das Treffen der Industrie- und Schwellenländer. Gelingt es dem Großaufgebot der Polizei, Krawalle rund um den G20-Gipfel zu verhindern?
Wie schnell eine Stadt in Gewalt und Chaos versinken kann, hat Angela Merkel schon einmal erlebt. Vor ziemlich genau zehn Jahren, am Rande des G8-Gipfels im Ostseebad Heiligendamm, lieferten sich Demonstranten im nahegelegenen Rostock regelrechte Straßenschlachten mit der Polizei, schlugen mit Eisenstangen auf Einsatzfahrzeuge ein, zündeten Autos an und verschanzten sich hinter Barrikaden aus umgestürzten Mülltonnen. Es waren Bilder wie aus einem Bürgerkrieg. Bilder, die damals um die Welt gingen.
Damit sich solche Szenen beim Treffen der 20 größten Industrieund Schwellenländer Ende kommender Woche in Hamburg nicht wiederholen, gleicht die Stadt einer Festung. Bund und Länder fahren dazu ein gewaltiges Polizeiaufgebot auf, das bislang größte in der Geschichte der Hansestadt. 15000 Beamte aus der ganzen Republik, 3800 Kollegen von der Bundespolizei und 1000 Beamte des Bundeskriminalamtes, Reiterstaffeln, Sprengstoffspürhunde, 19 Hubschrauber und 3000 Einsatzfahrzeuge: Schon das Motto der militanten Gipfelgegner, die zu mehreren Kundgebungen aufgerufen haben, lässt nichts Gutes erahnen: „Welcome to hell.“Willkommen in der Hölle.
Insgesamt erwartet die Hamburger Polizei bis zu 100000 friedliche Teilnehmer und 7000 bis 8000 gewaltbereite Demonstranten – mehr als doppelt so viel wie in Heiligendamm. Entsprechend heikel ist die Frage, wo die Gegner des Gipfels ihr Camp aufschlagen und ihre Abschlusskundgebung abhalten sollen. Der Versuch der Senatsverwaltung, das obligatorische Zeltlager ganz zu verbieten, ist vor dem Verfassungsgericht gescheitert: Zumindest in Teilen, argumentierten die Richter, handle es sich bei der Veranstaltung um eine Kundgebung, die durch das Versammlungsrecht geschützt ist.
Die Stadt muss ihre Entscheidung nun noch einmal überprüfen, sie kann den Umfang des Camps beschränken, Auflagen verhängen und es vom geplanten Areal im Hamburger Stadtpark an einen anderen Ort verlegen – komplett fernhalten kann sie die Gipfelgegner jedoch nicht. Weitere Sicherheitsrisiken sind aus Sicht der Behörden die latente Terrorgefahr und die Anhänger der kurdischen Terrororganisation PKK, die gegen den Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mobilisieren.
Sie hoffe, dass die Proteste friedlich bleiben, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrer Geburtsstadt Hamburg nach den beiden Treffen der großen Industrieländer in Heiligendamm und im oberbayerischen Elmau zum dritten Mal Gastgeberin eines großen internationalen Treffens ist. Viele Ladenbesitzer in der Innenstadt aber wollen sich darauf nicht verlassen und haben bereits begonnen, ihre Schaufenster zu verbarrikadieren, teilweise schließen sie ihre Geschäfte sogar während des Gipfels. Für den kommenden Freitag haben linke Gruppen zu einem „Aktionstag“aufgerufen. In der Regel ist das ein Synonym für Blockaden und ähnliche Aktionen, die nur ein Ziel haben: die minutiös geplante Choreografie der Veranstaltung zu stören.
Globalisierungsgegner, Autonome oder linke Extremisten randalieren seit Jahren bei den Treffen der Großen und Mächtigen. In Genua kam bei Auseinandersetzungen mit der Polizei im Jahr 2001 sogar ein Demonstrant ums Leben. In Elmau dagegen verliefen die Proteste im Sommer 2015 unerwartet friedlich.
Dass die linke Szene in Hamburg seit jeher besonders aktiv ist, macht die Sache für die Polizei nicht einfacher. Das Messegelände, in dem der Gipfel stattfindet, liegt direkt neben dem berüchtigten Schanzenviertel und einem seit Jahrzehnten besetzten Haus, der „Roten Flora“– eine, wenn nicht die Hochburg der autonomen Szene in Deutschland. Sie betrachtet Hamburg gewissermaßen als ihr Revier und die Vergabe des Gipfels in die Hansestadt als Provokation. Krawalle sind damit vermutlich vorprogrammiert – zumal mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump auch noch die Reizfigur der Linken schlechthin in die Stadt kommt. In einem ehemaligen Großmarkt hat die Polizei vorsorglich bereits eine Gefangenensammelstelle mit Platz für 400 Personen eingerichtet.
Es war geradezu ein Ritual. 30 Mal trat der Rechtsausschuss des Bundestags in dieser Legislaturperiode zu Sitzungen zusammen. 30 Mal beantragten die Vertreter der Grünen und der Linken, das Thema „Ehe für alle“auf die Tagesordnung zu setzen, um die Gesetzentwürfe ihrer Parteien sowie seit November 2015 einen Beschluss des Bundesrates auf Initiative des Landes Rheinland-Pfalz zu beraten. 30 Mal musste der SPD-Abgeordnete KarlHeinz Brunner aus Illertissen in seiner Funktion als Berichterstatter seiner Fraktion den Antrag stellen, das Thema nicht auf die Tagesordnung zu setzen, sondern auf die nächste Sitzung zu verschieben, da der Koalitionspartner noch „Gesprächsbedarf“habe.
Beim 31. Mal konnte Brunner im Ausschuss endlich für den Antrag stimmen – gegen die Unionsabgeordneten. „Wir waren koalitionstreu bis zur Selbstverleugnung“, sagt Brunner unserer Zeitung, die SPD habe aus ihrer Position, dass man über die Ehe für alle „jederzeit“abstimmen könne, nie einen Hehl gemacht. Die Union habe vier Jahre Zeit gehabt, sich dem Thema zu stellen, allein drei Mal habe sich der Bundestag damit beschäftigt. Daher laufe der Vorwurf, die SPD peitsche das Gesetz nun übereilt durchs Parlament, ins Leere.
Die Union dagegen bleibt bei ihrer Kritik und stellt die Vereinbarkeit der Ehe für alle mit dem Grundgesetz infrage. Man werde unverzüglich