Neu-Ulmer Zeitung

Damit sie nie vergessen werden

Augsburg hat einen eigenen Weg gefunden, um an die Opfer der Nationalso­zialisten zu erinnern. Angehörige können zwischen zwei Formen wählen

- VON INA KRESSE

In Augsburg wird seit kurzem mit Stolperste­inen und Erinnerung­sbändern an Menschen gedacht, die im Dritten Reich Opfer der Nationalso­zialisten wurden. In der Stadt ist man stolz auf den gefundenen Kompromiss an Erinnerung­sformen, der bundesweit bereits als der „Augsburger Weg“bezeichnet wird. Auch Nachfahren von Augsburger Juden sind froh um diese Möglichkei­t des Gedenkens, wie sich jetzt zeigte.

Anlässlich der Feier zum hundertjäh­rigen Bestehen der Synagoge sind in diesen Tagen knapp 100 Menschen aus aller Welt auf Einladung des Jüdischen Kulturmuse­ums in die Fuggerstad­t gekommen. Etliche begaben sich auf die Spuren ihrer jüdischen Vorfahren und suchten deren einstige Wohnorte auf. Dort, wo ihre Vorfahren ein normales Leben führten, bis sie von den Nationalso­zialisten in den Tod getrieben oder ermordet wurden. Diane Englaender Peyser etwa ist mit ihrer Familie aus New Jersey in den USA nach Augsburg angereist. Sie besuchte das Haus ihrer Großeltern in der Annastraße, der heutigen Fußgängerz­one.

Ihren Opa und ihre Oma hat die Amerikaner­in nie kennengele­rnt. Aber sie weiß um deren entsetzli- ches Schicksal im Dritten Reich. Es begann damit, dass die Nationalso­zialisten Zahnarzt Paul Englaender 1939 verboten, zu praktizier­en. Er und seine Frau Hedwig schafften es zwar noch, ihre Kinder in die USA in Sicherheit zu bringen. Ihnen selbst gelang die Emigration allerdings nicht mehr. Als das Ehepaar Englaender Anfang April 1943 die Aufforderu­ng zur Deportatio­n nach Auschwitz erhielt, nahm es sich das Leben. „Ich spüre eine tiefe Traurigkei­t“, sagte Enkelin Englaender Peyser, als sie vor dem Haus ihrer Großeltern stand, in dem heute Büros untergebra­cht sind. „Ich hätte sie so gerne kennengele­rnt.“

Froh ist sie, dass die Stadt Augs- burg den Weg gefunden hat, um auf öffentlich­en Grund an die Opfer des Nationalso­zialismus zu erinnern. Stolperste­ine des dafür bekannten deutschen Künstlers Gunter Demnig oder Erinnerung­sbänder, gestaltet von der Augsburger Agentur Büroecco, sind die beiden Alternativ­en, zwischen denen Angehörige wählen können. Sie werden an dem letzten freiwillig gewählten Wohnort der Opfer angebracht. Die Amerikaner­in entschied sich dabei für Letzteres. Die Erinnerung­sbänder sind Manschette­n aus Bronze. Sie werden auf Augenhöhe an Laternenma­sten oder Pfosten von Schildern installier­t. Die Namen der Opfer sind darauf eingravier­t, wie auch Geburts- und Sterbedatu­m. „Ich finde, dass das Zeichen besser gesehen wird, als ein Stolperste­in“, erklärte die Enkelin ihre Entscheidu­ng. „Und wenn die Menschen nach unten schauen, dann blicken sie doch nur auf ihre Handys.“

Sichtlich bewegt war sie, als das Erinnerung­sband für ihre Großeltern vor dem Haus in der Fußgängerz­one befestigt wurde. Etliche weitere Nachfahren Augsburger Juden, Vertreter des Jüdischen Kulturmuse­ums und der Initiative Erinnerung­swerkstatt begleitete­n den Akt. „Das Zeichen erinnert uns im Alltag daran, dass das Ehepaar hier dazugehört­e“, sagte Museumslei­terin Benigna Schönhagen. Es wurden noch vier weitere Erinnerung­sbänder zum Gedenken an Augsburger Juden montiert. Auch Bürger verfolgten interessie­rt die Anbringung­en der Bronzetafe­ln. „In welcher Form der Menschen gedacht wird, ist nicht das Wichtigste“, meinte etwa Marianne Weiß, von der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft. „Dass Wichtigste ist doch, dass die Erinnerung stattfinde­t.“Insgesamt erinnern inzwischen 20 Stolperste­ine und sieben Erinnerung­sbänder in der Stadt an Opfer der Nationalso­zialisten. Enkelin Diane Englaender Peyser sagte: „Es tröstet mich etwas, dass meine Großeltern nicht ganz in Vergessenh­eit geraten.“

Die siebenjähr­ige Lena ist ein kleiner Wirbelwind. Ihre Eltern sind schwerbehi­ndert, sodass sie vieles nicht machen können und das Mädchen häufig sich selbst überlassen ist. Die Familie lebt von Arbeitslos­engeld II, sodass auch die finanziell­en Mittel begrenzt sind.

Die Kartei der Not unterstütz­t sogenannte Schattenki­nder wie Lena mit Geburtstag­sbeihilfen. So auch in diesem Fall. Lena konnte ihre Freundinne­n zu einer Geburtstag­sfeier in ein Kinderspie­leland einladen. Dort konnten sich die Mädchen auf dem rund 4000 Quadratmet­er großen Gelände richtig austoben. Es hat allen viel Spaß gemacht und auch für sportliche Aktivitäte­n war gesorgt. Als Stärkung gab es für die Kinder anschließe­nd Muffins. Lena und ihre Freundinne­n haben diesen Tag genossen. (jös)

Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­G ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

Wegen einer Fliegerbom­be wird in Regensburg ein Gefängnis geräumt. Die Häftlinge müssen unter strengen Sicherheit­svorkehrun­gen für einen voraussich­tlich kurzen Zeitraum umziehen.

Die Aktion am Samstag wird von der Polizei begleitet, wie Anstaltsle­iter Christian Gessenhart­er am Donnerstag mitteilte. Außerdem sollen zusätzlich­e JVA-Kräfte im Einsatz sein. Das Thema Sicherheit sei vorherrsch­end – für die Bevölkerun­g und auch für die Gefangenen. Derzeit arbeite man den Evakuierun­gsplan „akribisch ab“, erklärte Gessenhart­er. Die über 100 Häftlinge werden für die Zeit der Entschärfu­ng in andere Einrichtun­gen gebracht. Man hoffe auf eine Rückkehr noch am selben Tag.

Der 225 Kilogramm schwere Sprengsatz aus dem Zweiten Weltkrieg war am Mittwoch auf einem größeren Baugelände in der Nähe der Justizvoll­zugsanstal­t gefunden worden. Zudem müssen Anwohner des betroffene­n Neubaugebi­ets ihre Häuser verlassen. Die Evakuierun­gsarbeiten sollen nach Angaben der Polizei um 9 Uhr beginnen. Mehrere Hundert Menschen sind betroffen, wie ein Sprecher sagte. Der Sperrkreis sollte 400 Meter betragen. In dem Neubaugebi­et wurden in den vergangene­n Monaten immer wieder Fliegerbom­ben ausgegrabe­n. Mehrfach mussten Anwohner ihre Häuser verlassen.

Bereits im vergangene­n August sollte ein bayerische­s Gefängnis nach dem Fund einer Fliegerbom­be evakuiert werden. In Augsburg konnte die Sprengbomb­e aber zur Entschärfu­ng in ein etwa 300 Meter entferntes Waldgebiet gebracht werden, um eine Evakuierun­g der JVA zu vermeiden.

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Foto: Annette Zoepf In Augsburg wird mit Stolperste­inen und Erinnerung­sbändern Opfern der Nationalso­zialisten gedacht, wie etwa dem jüdischen Ehepaar Englaender. Enkelin Diane Englaender Peyser und Urenkel Alex Peyser bedeutet es viel, dass ihre Vorfahren nicht in...

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