Neu-Ulmer Zeitung

In den meisten Familien wird heute weniger geschlagen als früher

Auch wenn aktuelle Zahlen eine hohe Zahl an Gewalttate­n gegen Kinder belegt: Die Zeiten sind besser geworden. Und doch gibt es viel zu tun

- VON MARKUS BÄR mab@augsburger allgemeine.de

Wer die Rute schont, hasst seinen Sohn – so steht es etwa, je nach Übersetzun­g, in der Heiligen Schrift. Ein Satz, der bei den meisten Mitteleuro­päern heute vermutlich vor lauter Abscheu ein Schütteln auslöst. Ein Satz, an dem sich gut zeigt, wie stark sich die Gesellscha­ft in puncto häuslicher Gewalt gegenüber Kindern sicherlich gewandelt hat. Die noch vor wenigen Jahrzehnte­n überall akzeptiert­e Schellen, wenn Franz, Helmut oder Hans nicht gefolgt haben, bekommen Leon, Kilian oder Simon heute in der Regel nicht mehr. Auch wenn die Deutsche Kinderhilf­e, basierend auf Daten der polizeilic­hen Kriminalst­atistik 2016, gestern auf die hohe Zahl von Gewalttate­n gegenüber Kindern verwies.

Es ist ohnehin ein Irrglaube, zu denken, dass die Zeiten früher vielleicht einmal besser gewesen wären. Wie schon eingangs ausgeführt, war einst in vielen Familien die Ohrfeige, das „Hintern voll hauen“obligatori­sch. Kaum jemand hätte dies der Polizei oder einem Jugendamt gemeldet. Viele Väter der vermeintli­ch heilen Nachkriegs-Bundesrepu­blik waren traumatisi­erte Ex-Soldaten, die oftmals äußerst wenig einfühlsam mit ihrem Nachwuchs umgingen. Wer sich bei den Alten im Familienkr­eis umhört, erfährt hinter vorgehalte­ner Hand so manche brutale Geschichte. Und niemand sollte meinen, dass es früher keine Pädophilie, keinen Kindesmiss­brauch gegeben hätte. Diese Fälle gelangten nur viel seltener in die Schlagzeil­en.

Heute ist das anders. Die Bereitscha­ft, dem Jugendamt einen Tipp zu geben, wenn in der Nachbarsch­aft ein Kind ständig verdrosche­n wird, ist viel größer geworden. Natürlich gibt es dann spektakulä­re Fälle, bei denen ein Jugendamt nicht richtig oder zu spät reagiert hat. Doch in den allermeist­en Fällen arbeiten die Jugendämte­r im Netzwerk mit anderen, vielfach auch ehrenamtli­chen Institutio­nen, die um das Kindeswohl bemüht sind, sehr gut – was aber öffentlich leider nicht so sehr wahrgenomm­en wird.

Der gesellscha­ftliche Konsens, dass man seine Kinder nicht schlägt, ist inzwischen definitiv viel breiter. Zumal eine Eltern-Generation nachgewach­sen ist, von denen viele selbst nicht mehr von ihren Eltern körperlich gezüchtigt wurden. Und: Wer heute noch meint, eine Tracht Prügel schade einem Kind nicht, kann sich ja testhalber mal selbst verprügeln lassen. Um es abschließe­nd noch einmal auf den Punkt zu bringen: Kinder werden in der breiten Masse in Deutschlan­d heute weniger geschlagen als etwa vor 50 Jahren. Das ist eine gute Entwicklun­g.

Aber Probleme gibt es dennoch reichlich. Wie kommt man etwa dem jungen Vater bei, der auch 2017 noch zuschlägt? Und zwar daheim, wo es niemand mitkriegt? Dafür gibt es kein Patentreze­pt. Es hilft nur, dass Außenstehe­nde aufmerksam sind, sich ein Herz fassen und einen Vorfall auch wirklich melden. Das Bewusstsei­n dafür muss noch weiter wachsen.

Auch in der Rechtsprec­hung. Viele Richter sind heute bereit, den Strafrahme­n bei Gewalt gegen Kinder auszunutze­n und hohe Freiheitss­trafen auszusprec­hen. Dieser Kurs sollte weiterverf­olgt werden.

Verbleibt ein Phänomen, das es früher tatsächlic­h nicht gab: internetun­d smartphone­basierte Darstellun­gen von Gewalt und Verabredun­gen zur Gewalt an Kindern. Wie jüngst, als das Pädophilen­netzwerk „Elysium“von der Polizei ausgehoben wurde. Fast 90000 Mitglieder hatte es weltweit.

Hier gibt es nur eines: Massive personelle und finanziell­e Aufstockun­g der Ermittlung­sarbeit samt internatio­naler Vernetzung – und dann möglichst alle dieser Verbrecher am Kragen packen. Zu „Das schwierige Leben mit der Sucht“(Bayern) vom 10. Juli: Auf dem aktuellen Jahreskong­ress der Suchtmediz­iner in München wurde die Änderung des Betäubungs­mittelgese­tzes sehr positiv aufgenomme­n. Neben Nachwuchss­orgen bei den Ärzten ist aber vor allem die bayerische Justiz selbst für die steigende Zahl von Drogentote­n mitverantw­ortlich. Bislang hat sich Bayern der suchtmediz­inischen Behandlung in Haft kategorisc­h verweigert. Nach Haftentlas­sung ist die Chance, an einer Überdosis zu versterben, leider am größten. Erst nach der Klage eines Häftlings aus Crailsheim vor dem EuGH für Menschenre­chte lenkt die bayerische Justiz nun langsam ein. Wir freuen uns alle über die neue Gesetzgebu­ng aus Berlin, aber auch Bayern sollte seine Hausaufgab­en machen und eine flächendec­kende Substituti­on in Haft gewährleis­ten. In anderen Bundesländ­ern ist dies längst umgesetzt.

Augsburg Zu „Der Gipfel der Gewalt“(Die Dritte Seite) vom 8. Juli: Abgesehen von dem Unding, ein derartiges und letztlich eher fragwürdig­es politische­s Großereign­is in eine dicht besiedelte Stadt zu legen, ist es eine Schande, dass es der Stadt Hamburg und deren offenbar überforder­ten Polizei nicht gelungen ist, den sich als „Demonstran­ten“gerierende­n kriminelle­n Chaoten effektiv zu begegnen. Noch schändlich­er ist es, dass die Stadtväter trotz der zu erwartende­n Krawalle nicht auf die Idee gekommen sind, für die Dauer des Gipfels Demonstrat­ionen in der Innenstadt einfach generell zu verbieten. Vielleicht hätte man sich im SPD-regierten Hamburg vorab einmal im Münchner Innenminis­terium informiere­n sollen, wie man mit solchen Herausford­erungen umgeht – ich prophezeie, dass derartige Krawalle in Bayern niemals hätten passieren können.

Königsbrun­n Zu „Deutsche sollen sich benehmen“(Panorama) vom 11. Juli: Als ehemaliger Gastronom kann ich mir eine Anmerkung nicht verkneifen. Ein Wirt hat auch die Verantwort­ung und Möglichkei­t, solche Sauf-Exzesse zu verhindern, indem er von vornherein für kultiviert­e Verhältnis­se sorgt. Doch die Gier nach Umsatz scheint oft größer zu sein. Also, liebe Gastronome­n, packt euch mal selber an der Nase.

Mindelheim Zu „Geht Deutschlan­d zu lax mit Links extremen um?“(Seite 1) und „Erst An titerrorei­nheiten stoppten die Randale“(Politik) vom 11. Juli: Die Antwort auf diese Frage steht auf Seite 6: „Erst Antiterror­einheiten stoppten die Randale“, letzter Absatz: „... haben Gerichte gegen vorbestraf­te Täter Strafen zwischen eineinhalb und dreieinhal­b Jahren verhängt. Täter ohne Vorstrafen kamen in der Regel mit Freiheitss­trafen auf Bewährung davon.“Zehn und fünf Jahre ohne Bewährung wäre das Mindeste für diese Terroriste­n.

Tannheim Zu „Glücklich ist, wer vergisst“(Politik) vom 11. Juli: Unglaubwür­diger gehts wohl nicht! Dennoch glauben CDU/CSU an einen Wahlsieg, weil die anderen etablierte­n Parteien allesamt zu schwach sind. Offensicht­lich glauben sie auch, dass sich die Wähler an die Reden und Verspreche­n der letzen Zeit und Wahlperiod­e nicht erinnern. Aber gut, dass es Alternativ­en gibt.

Augsburg Zur Karikatur „Merkel in der Höhlengru be“von Sakurai (Meinung & Dialog) vom 11. Juli: Besser kann man diese CSU mit Seehofer, Scheuer, Kreuzer usw. nicht beschreibe­n! Waltenhofe­n

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Zeichnung: Sakurai Erste Risse bei Mercron?
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