Es gab eine Freigabe für Schusswaffen
Das SEK-Kommando von Sven Mewes rückte zusammen mit der Antiterroreinheit Cobra als erste ins Zentrum der Hamburger Krawalle vor. Jetzt spricht er über den beklemmenden Einsatz
Herr Mewes, Sie waren als SEKKommandoführer mit insgesamt 40 Polizeibeamten Ihres sächsischen Spezialeinsatzkommandos während des G20-Gipfels in Hamburg im Einsatz. Was war Ihre Aufgabe?
Wir Sachsen waren zusammen mit anderen Kommandos in Hamburg eingesetzt, um als mobile Interventionskomponente sowohl bei Anschlägen gegen Politiker als auch gegen die Bevölkerung sofort reagieren und agieren zu können. Aber nur im Falle eines Terroranschlags oder einer Terrordrohung. Das war unser Auftrag.
Es gab in der fraglichen Nacht aber weder einen Anschlag noch eine Drohung. Wie kam es zu dem Einsatz?
Dieser Einsatz war eigentlich von vornherein nicht so geplant. Die Vorbereitungen, die wir im Vorfeld getroffen hatten, zielten auch nicht auf solche Einsätze ab. Gleichwohl, aufgrund der erheblichen Gefährdungslage für eigene Kräfte und insbesondere auch für die Bevölkerung, hat man uns eingesetzt mit dem Auftrag, gezielt die Gebäude im Bereich des Schanzenviertels, in dem sich die Auseinandersetzungen abspielten, zu durchkämmen und vor allem die Dächer von Personen zu befreien.
Ein SEK-Einsatz im Rahmen eines Demonstrationsgeschehens ist mehr als ungewöhnlich, oder?
Nach dem, was ich gesehen habe, war das kein Demonstrationsgeschehen mehr. Das war deutlich weiter fortgeschritten. Solche Gewalt habe ich als Polizist, und ich bin schon über 30 Jahre Polizist, noch nie erlebt. Und von daher war das für uns auch gefühlsmäßig kein Vorgehen gegen Demonstranten, sondern gegen Rechtsbrecher, mögliche Verbrecher, die versucht haben, sowohl Polizeibeamte als auch die Bevölkerung an Leib und Leben zu schädigen – möglicherweise sogar lebensgefährlich zu verletzen. Die Hauptaufgabe von Spezialeinheiten ist die Rettung gefährdeter Menschenleben. Und genau das haben wir in dem Moment getan. Ihr SEK ist zusammen mit der österreichischen Antiterroreinheit Cobra als erste ins Schanzenviertel vorgerückt. Auf was für eine Situation sind Sie getroffen, und wie waren Sie vorbereitet?
Die Ausgangslage war die, dass wir damit rechnen mussten, auch auf mit Schusswaffen bewaffnete Straftäter zu treffen. Dementsprechend war unser Vorgehen extrem robust auf Eigensicherung, aber auch auf hohe Dynamik ausgelegt. Das heißt, der Schusswaffengebrauch war für uns freigegeben. Wir haben Ablenkungspyrotechnik in den Gebäuden eingesetzt und geschlossene Türen mittels Schusswaffen mit spezieller Munition geöffnet. Alle, die wir angetroffen haben, haben wir sofort auf den Boden gelegt, gefesselt und anschließend abführen lassen.
Sind Sie auf Widerstand gestoßen?
Es hat überhaupt keine Gegenwehr gegeben. Wir haben in den ersten beiden Gebäuden auf dem Dach Straftäter stellen können, die sich, als sie uns sahen, sofort ergeben haben. Insgesamt haben wir sechs oder sieben Häuser durchsucht. Es gab nach meiner Erinnerung 13 Festnahmen. Auf welche Reaktionen sind Sie im Schanzenviertel gestoßen?
Nachdem wir das erste Haus durchsucht hatten, war es mein Gefühl, dass absolute Stille im Schanzenviertel vorherrschte. Wir haben keine Steinwürfe mehr wahrnehmen können. Wir haben keine Randalierer mehr feststellen können. Die ganze Situation hat sich – auch in der Nachbetrachtung – mit unserem Einsatz äußerst beruhigt. Auf jeden Fall war die Dynamik der Straftäter absolut raus. Aus welchem Grund hat sich die Situation so schnell beruhigt?
Da kamen drei Dinge zusammen. Erstens die Optik – man hat ja auch auf den Fernsehbildern gesehen, dass wir deutlich von den anderen Einsatzkräften zu unterscheiden waren. Zweitens sind wir in den Gebäuden ja sehr, sehr robust vorgegangen und mussten dort auch Schusswaffen einsetzen, um Türen zu öffnen. Dann die Ablenkungspyrotechnik. Es war sicher auch akustisch noch sehr weit im Schanzenviertel zu hören, dass jetzt andere Einsatzkräfte, aber auch andere Einsatzmittel angewendet werden. Es waren offensichtlich nicht nur organisierte Gewalttäter, mit denen Sie es zu tun bekamen. Wie haben Sie die Lage empfunden?
Neben der extremen Gewalt, die uns entgegengeschlagen ist, haben wir auch viele Zuschauer, viele Gaffer, gesehen, die mit Handys Fotos gemacht, Bier getrunken und auch noch versucht haben – so kam es mir zumindest vor –, Gewalttäter und Polizisten gegeneinander anzustacheln, zur Höchstleistung anzutreiben. Für mich war das eine total bizarre Situation, absolut unglaublich.
Ein Kritikpunkt lautet, dass es so lange gedauert hat, bis die Polizei die Lage im Griff hatte. Wie lange haben Sie denn gebraucht?
Wir sind sofort hoch ins Schanzenviertel, als wir gerufen wurden, haben uns vor Ort kurz strukturiert und sind dann ins Haus eingedrungen. Zwischen Alarmierung und Eindringen lagen Pi mal Daumen 45 Minuten. Insgesamt haben wir sechs oder sieben Häuser durchsucht, insbesondere die Dächer. Das hat sicherlich zwei Stunden gedauert. O
Sven Mewes, 57, ist Kommandoführer des sächsischen SEK und seit mehr als 30 Jahren im Po lizeidienst. Als Polizeidirektor ist Mewes Mitglied der Polizeiführung des Landes.
Die Versicherten werden immer älter und die Versorgung wird immer teurer: Seit Jahren warnen die Krankenkassen vor steigenden Beiträgen, doch – die Kassenbeiträge könnten nun im dritten Jahr in Folge stabil bleiben. „Wir haben festgestellt: Alles, was wir gesagt haben, stimmt irgendwie nicht“, räumt die Chefin des Kassen-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, ein. „Die Einnahmen sprudeln und die Ausgaben wachsen nicht so stark.“Doch ganz so rosig ist die Lage möglicherweise nicht: „Das ist die Ruhe vor dem Sturm“, warnt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „In Zukunft werden die Kosten stetig steigen.“Allein eine Kostenexplosion bei Krebsmedikamenten dürfte nach seiner Prognose in den kommenden 15 Jahren Mehrausgaben von rund 30 Milliarden Euro verursachen. Kostensteigerungen drohten auch bei den Krankenhäusern.
Doch derzeit lassen die gute konjunkturelle Entwicklung, hohe Tariflohnsteigerungen und Rekordbeschäftigung die Einnahme der Krankenversicherung sprudeln: Der Gesundheitsfonds verbuchte 2016 ein Plus von 757 Millionen Euro. Einen Hauptgrund der guten Entwicklung sehen die Kassen in hunderttausenden neuen Versicherten. Allein 2016 kamen rund 484000 Männer und 314000 Frauen neu in eine gesetzliche Kasse – Arbeitsmigranten aus der EU, anerkannte Flüchtlinge mit Jobs sowie früher Privatversicherte.
Vielfach handele es sich um junge Leute aus Spanien, Portugal oder Griechenland, die nach Deutschland gekommen seien, um hier zu arbeiten. Die Neuzugänge verursachten deutlich niedrigere Ausgaben, je nach Alter etwa zwei Drittel bis weniger als die Hälfte der Kosten der Durchschnittsversicherten.
Nicht enthalten in den genannten Zahlen sind knapp 452000 erwerbsfähige Flüchtlinge ohne Job, die Hartz-IV beziehen. Die Kassen beklagen insgesamt, dass sie für alle Hartz-IV-Bezieher – also auch für deutsche – nur eine Monatspauschale von jeweils 97 Euro vom Staat erstattet bekämen – dies sei „nicht annähernd ausgabendeckend“, kritisiert Pfeiffer.