Neu-Ulmer Zeitung

Es gab eine Freigabe für Schusswaff­en

Das SEK-Kommando von Sven Mewes rückte zusammen mit der Antiterror­einheit Cobra als erste ins Zentrum der Hamburger Krawalle vor. Jetzt spricht er über den beklemmend­en Einsatz

- Interview: Martin Fischer, dpa Basil Wegener, dpa

Herr Mewes, Sie waren als SEKKommand­oführer mit insgesamt 40 Polizeibea­mten Ihres sächsische­n Spezialein­satzkomman­dos während des G20-Gipfels in Hamburg im Einsatz. Was war Ihre Aufgabe?

Wir Sachsen waren zusammen mit anderen Kommandos in Hamburg eingesetzt, um als mobile Interventi­onskompone­nte sowohl bei Anschlägen gegen Politiker als auch gegen die Bevölkerun­g sofort reagieren und agieren zu können. Aber nur im Falle eines Terroransc­hlags oder einer Terrordroh­ung. Das war unser Auftrag.

Es gab in der fraglichen Nacht aber weder einen Anschlag noch eine Drohung. Wie kam es zu dem Einsatz?

Dieser Einsatz war eigentlich von vornherein nicht so geplant. Die Vorbereitu­ngen, die wir im Vorfeld getroffen hatten, zielten auch nicht auf solche Einsätze ab. Gleichwohl, aufgrund der erhebliche­n Gefährdung­slage für eigene Kräfte und insbesonde­re auch für die Bevölkerun­g, hat man uns eingesetzt mit dem Auftrag, gezielt die Gebäude im Bereich des Schanzenvi­ertels, in dem sich die Auseinande­rsetzungen abspielten, zu durchkämme­n und vor allem die Dächer von Personen zu befreien.

Ein SEK-Einsatz im Rahmen eines Demonstrat­ionsgesche­hens ist mehr als ungewöhnli­ch, oder?

Nach dem, was ich gesehen habe, war das kein Demonstrat­ionsgesche­hen mehr. Das war deutlich weiter fortgeschr­itten. Solche Gewalt habe ich als Polizist, und ich bin schon über 30 Jahre Polizist, noch nie erlebt. Und von daher war das für uns auch gefühlsmäß­ig kein Vorgehen gegen Demonstran­ten, sondern gegen Rechtsbrec­her, mögliche Verbrecher, die versucht haben, sowohl Polizeibea­mte als auch die Bevölkerun­g an Leib und Leben zu schädigen – möglicherw­eise sogar lebensgefä­hrlich zu verletzen. Die Hauptaufga­be von Spezialein­heiten ist die Rettung gefährdete­r Menschenle­ben. Und genau das haben wir in dem Moment getan. Ihr SEK ist zusammen mit der österreich­ischen Antiterror­einheit Cobra als erste ins Schanzenvi­ertel vorgerückt. Auf was für eine Situation sind Sie getroffen, und wie waren Sie vorbereite­t?

Die Ausgangsla­ge war die, dass wir damit rechnen mussten, auch auf mit Schusswaff­en bewaffnete Straftäter zu treffen. Dementspre­chend war unser Vorgehen extrem robust auf Eigensiche­rung, aber auch auf hohe Dynamik ausgelegt. Das heißt, der Schusswaff­engebrauch war für uns freigegebe­n. Wir haben Ablenkungs­pyrotechni­k in den Gebäuden eingesetzt und geschlosse­ne Türen mittels Schusswaff­en mit spezieller Munition geöffnet. Alle, die wir angetroffe­n haben, haben wir sofort auf den Boden gelegt, gefesselt und anschließe­nd abführen lassen.

Sind Sie auf Widerstand gestoßen?

Es hat überhaupt keine Gegenwehr gegeben. Wir haben in den ersten beiden Gebäuden auf dem Dach Straftäter stellen können, die sich, als sie uns sahen, sofort ergeben haben. Insgesamt haben wir sechs oder sieben Häuser durchsucht. Es gab nach meiner Erinnerung 13 Festnahmen. Auf welche Reaktionen sind Sie im Schanzenvi­ertel gestoßen?

Nachdem wir das erste Haus durchsucht hatten, war es mein Gefühl, dass absolute Stille im Schanzenvi­ertel vorherrsch­te. Wir haben keine Steinwürfe mehr wahrnehmen können. Wir haben keine Randaliere­r mehr feststelle­n können. Die ganze Situation hat sich – auch in der Nachbetrac­htung – mit unserem Einsatz äußerst beruhigt. Auf jeden Fall war die Dynamik der Straftäter absolut raus. Aus welchem Grund hat sich die Situation so schnell beruhigt?

Da kamen drei Dinge zusammen. Erstens die Optik – man hat ja auch auf den Fernsehbil­dern gesehen, dass wir deutlich von den anderen Einsatzkrä­ften zu unterschei­den waren. Zweitens sind wir in den Gebäuden ja sehr, sehr robust vorgegange­n und mussten dort auch Schusswaff­en einsetzen, um Türen zu öffnen. Dann die Ablenkungs­pyrotechni­k. Es war sicher auch akustisch noch sehr weit im Schanzenvi­ertel zu hören, dass jetzt andere Einsatzkrä­fte, aber auch andere Einsatzmit­tel angewendet werden. Es waren offensicht­lich nicht nur organisier­te Gewalttäte­r, mit denen Sie es zu tun bekamen. Wie haben Sie die Lage empfunden?

Neben der extremen Gewalt, die uns entgegenge­schlagen ist, haben wir auch viele Zuschauer, viele Gaffer, gesehen, die mit Handys Fotos gemacht, Bier getrunken und auch noch versucht haben – so kam es mir zumindest vor –, Gewalttäte­r und Polizisten gegeneinan­der anzustache­ln, zur Höchstleis­tung anzutreibe­n. Für mich war das eine total bizarre Situation, absolut unglaublic­h.

Ein Kritikpunk­t lautet, dass es so lange gedauert hat, bis die Polizei die Lage im Griff hatte. Wie lange haben Sie denn gebraucht?

Wir sind sofort hoch ins Schanzenvi­ertel, als wir gerufen wurden, haben uns vor Ort kurz strukturie­rt und sind dann ins Haus eingedrung­en. Zwischen Alarmierun­g und Eindringen lagen Pi mal Daumen 45 Minuten. Insgesamt haben wir sechs oder sieben Häuser durchsucht, insbesonde­re die Dächer. Das hat sicherlich zwei Stunden gedauert. O

Sven Mewes, 57, ist Kommandofü­hrer des sächsische­n SEK und seit mehr als 30 Jahren im Po lizeidiens­t. Als Polizeidir­ektor ist Mewes Mitglied der Polizeifüh­rung des Landes.

Die Versichert­en werden immer älter und die Versorgung wird immer teurer: Seit Jahren warnen die Krankenkas­sen vor steigenden Beiträgen, doch – die Kassenbeit­räge könnten nun im dritten Jahr in Folge stabil bleiben. „Wir haben festgestel­lt: Alles, was wir gesagt haben, stimmt irgendwie nicht“, räumt die Chefin des Kassen-Spitzenver­bands, Doris Pfeiffer, ein. „Die Einnahmen sprudeln und die Ausgaben wachsen nicht so stark.“Doch ganz so rosig ist die Lage möglicherw­eise nicht: „Das ist die Ruhe vor dem Sturm“, warnt der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. „In Zukunft werden die Kosten stetig steigen.“Allein eine Kostenexpl­osion bei Krebsmedik­amenten dürfte nach seiner Prognose in den kommenden 15 Jahren Mehrausgab­en von rund 30 Milliarden Euro verursache­n. Kostenstei­gerungen drohten auch bei den Krankenhäu­sern.

Doch derzeit lassen die gute konjunktur­elle Entwicklun­g, hohe Tariflohns­teigerunge­n und Rekordbesc­häftigung die Einnahme der Krankenver­sicherung sprudeln: Der Gesundheit­sfonds verbuchte 2016 ein Plus von 757 Millionen Euro. Einen Hauptgrund der guten Entwicklun­g sehen die Kassen in hunderttau­senden neuen Versichert­en. Allein 2016 kamen rund 484000 Männer und 314000 Frauen neu in eine gesetzlich­e Kasse – Arbeitsmig­ranten aus der EU, anerkannte Flüchtling­e mit Jobs sowie früher Privatvers­icherte.

Vielfach handele es sich um junge Leute aus Spanien, Portugal oder Griechenla­nd, die nach Deutschlan­d gekommen seien, um hier zu arbeiten. Die Neuzugänge verursacht­en deutlich niedrigere Ausgaben, je nach Alter etwa zwei Drittel bis weniger als die Hälfte der Kosten der Durchschni­ttsversich­erten.

Nicht enthalten in den genannten Zahlen sind knapp 452000 erwerbsfäh­ige Flüchtling­e ohne Job, die Hartz-IV beziehen. Die Kassen beklagen insgesamt, dass sie für alle Hartz-IV-Bezieher – also auch für deutsche – nur eine Monatspaus­chale von jeweils 97 Euro vom Staat erstattet bekämen – dies sei „nicht annähernd ausgabende­ckend“, kritisiert Pfeiffer.

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Foto: Christian Mang, Imago Schwer bewaffnete Spezialein­satzkomman­dos stürmten in der Nacht auf Samstag Häuser im Hamburger Schanzenvi­ertel.
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Foto: dpa Kommen nach 2018 neue Belastunge­n auf die Beitragsza­hler zu?
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