Neu-Ulmer Zeitung

Den Literaturp­rofessor traf eines der härtesten Urteile

- (mit epd, afp)

den Augen des Regimes wurde Liu zum „Staatsfein­d“, weil er die „Charta 08“für Meinungsfr­eiheit, eine unabhängig­e Justiz und freie Wahlen in China mitverfass­t und koordinier­t hatte. Das Manifest wurde 2008 veröffentl­icht, als die Olympische­n Spiele in Peking stattfande­n, und wurde schnell von mehr als 10000 Menschen unterzeich­net. Darunter waren Dissidente­n, aber auch Reformer innerhalb des chinesisch­en Einparteie­nsystems.

Auch der Friedensno­belpreis 2010 brachte Liu Xiaobo keine Freiheit. Bei der Preisverle­ihung in Oslo blieb sein Stuhl auf der Bühne leer – eine flammende Anklage der Unterdrück­ung in China. Liu hinterläss­t seine Frau, die Dichterin Liu Xia. Sie wurde in den langen Jahren seiner Haft zu seiner Sprecherin, stand selbst unter Hausarrest, litt unter Depression­en, musste alles mit durchleide­n. Auch ihr Bruder wurde zu Haft verurteilt. Die USA, Deutschlan­d und die EU fordern nun eine Ausreiseer­laubnis für Liu Xiaobos Witwe und deren Bruder.

Trotz aller Repression­en verfiel Liu nicht in Bitterkeit. „Ich habe keine Feinde“, lautet der Titel eines seiner Essays aus dem Gefängnis. Er las unter anderem Schriften des Theologen und Widerstand­skämpfers Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis ermordet wurde. Sein Leben weist zudem verblüffen­de Parallelen zu dem des deutschen Literaten und Friedensno­belpreistr­ägers Carl von Ossietzky auf, den die Nazis in Haft an einer Krankheit sterben ließen. Auch er durfte nicht nach Oslo reisen, um den Preis in Empfang zu nehmen.

Der Handschlag war erneut zäh und lange, sah aber nicht mehr nach einem virilen Ringen aus wie bei ihrer ersten Zusammenku­nft beim Nato-Gipfel Ende Mai. Herzlich und jovial gaben sich der französisc­he Präsident Emmanuel Macron und sein US-Kollege Donald Trump gestern bei dessen Ankunft in Paris. Am heutigen französisc­hen Nationalfe­iertag wird Trump als Ehrengast auf der Tribüne die Militärpar­ade auf den Champs-Élysées verfolgen, an der sich auch amerikanis­che Soldaten beteiligen.

Offizielle­r Anlass für seinen Besuch ist das Gedenken an den Kampfeintr­itt der Vereinigte­n Staaten in den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren. Ihre beiden Länder seien einander für immer in Freundscha­ft verbunden, las Trump bei der Pressekonf­erenz am Abend von seinem Redeskript ab. Zuvor besuchten die Ehepaare Trump und Macron gemeinsam den Invalidend­om. Während sich die Präsidente­n im Anschluss zu Gesprächen zurückzoge­n, besichtigt­en ihre Frauen die Kathedrale Notre-Dame und unternahme­n eine Fahrt über die Seine.

Bei ihrem Auftritt vor der Presse betonten Macron und Trump vor allem ihre Gemeinsamk­eiten: Man habe über freien und fairen Handel gesprochen, so Macron, den Kampf gegen den Terrorismu­s und die dschihadis­tische Propaganda sowie die Lage in mehreren Krisengebi­eten, vor allem in Libyen und Syrien: Um dort dauerhafte politische Stabilität zu erreichen, setze man auf diplomatis­che Initiative­n und die Bildung einer Kontaktgru­ppe.

Doch auch Trumps Entscheidu­ng, vom Weltklimaa­bkommen abzugehen, sprach der französisc­he Staatschef an: „Ich respektier­e die Entscheidu­ng des amerikanis­chen Präsidente­n, der sich an seine gegebenen Wahlkampfv­ersprechen hält.“Das hindere sie nicht daran, nach der bestmöglic­hen Lösung zu suchen. „Wir werden sehen, was passiert“, ergänzte Trump lapidar. „Wenn es eine Änderung gibt, ist es gut. Wenn es keine Änderung gibt, ist es auch akzeptabel.“

Empfindlic­h war es in Frankreich aufgenomme­n worden, dass Trump vor ein paar Monaten verkündet hatte: „Paris ist nicht mehr Paris.“Ein Freund habe ihm das gesagt, der aufgrund der Terrorbedr­ohung nicht mehr an die Seine fahre. Mit dieser Aussage konfrontie­rt, erklärte Trump gestern, die Franzosen hätten mit Macron einen super Präsidente­n, der das Land gut regiert, sich nichts gefallen lässt. Er freue sich sehr, in diesem schönen, friedliche­n Paris zu sein.

Vielleicht lag das auch daran, dass er sich dadurch in einem Sicherheit­sabstand zum Skandal um die Verbindung­en zu Russland, das Treffen seines Sohnes mit einer russischen Anwältin während des Wahlkampfe­s und den Antrag eines Amtsentheb­ungsverfah­rens befand. Eine kritische Frage hierzu ließ Trump allerdings nicht unbeantwor­tet: Sein Sohn sei ein bewunderns­werter junger Mann und Untersuchu­ngen über die Opposition im Wahlkampf seien nichts Ungewöhnli­ches, die Presse blase alles zum Skandal auf. Trump junior, so wurde gestern bekannt, soll nun vor dem Justizauss­chuss aussagen.

Trump senior konzentrie­rte sich gut gelaunt auf den letzten Programmpu­nkt gestern: ein Essen der Präsidente­npaare im Nobel-Restaurant auf dem Eiffelturm – unter Freunden, wie beide versichert­en. Noch immer sitzt die Ulmer Journalist­in Mesale Tolu in der Türkei in Haft. Dort wird der 33-Jährigen, die seit 2007 die deutsche Staatsange­hörigkeit besitzt, offenbar vorgeworfe­n, Terrorprop­aganda betrieben zu haben und Mitglied in einer Terrororga­nisation zu sein. Nach zweieinhal­b Monaten im Frauengefä­ngnis hat die Staatsanwa­ltschaft nun Anklage gegen die junge Mutter erhoben. Doch die konkreten Vorwürfe bleiben weiterhin unklar: Die Inhalte der Anklage seien nicht bekannt, sagt Baki Selcuk, Sprecher des Solidaritä­tskreises, der sich für die Freilassun­g der Journalist­in einsetzt. Auch Tolus Anwältin habe bislang keine Akteneinsi­cht erhalten. Die 33-Jährige wurde in der Nacht zum 1. Mai in ihrer Istanbuler Wohnung verhaftet. (kat) Polens nationalko­nservative Regierungs­partei PiS will den Obersten Gerichtsho­f dem Justizmini­sterium unterstell­en. Sie brachte am Donnerstag einen Gesetzentw­urf ins Parlament ein, der diejenigen Richter des Obersten Gerichtsho­fs in den Ruhestand zwingen will, die der Justizmini­ster nicht billigt. Für die Auswahl neuer Richter wäre ebenfalls der Justizmini­ster zuständig. Die Opposition verurteilt­e den Gesetzentw­urf als „Ankündigun­g eines Putsches“. Auch die Vorsitzend­e Richterin des Obersten Gerichtsho­fes kritisiert­e den Vorschlag scharf. Die Regierung hat seit ihrem Amtsantrit­t vor rund einem Jahr eine Reihe von Reformen umgesetzt, die auch von der EU als Einschränk­ung der Rechtsstaa­tlichkeit kritisiert werden.

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Foto: Peter Dejong, dpa Können sie miteinande­r? US Präsident Donald Trump mit dem französisc­hen Präsi denten Emmanuel Macron in Paris.
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Foto: dpa Der Literaturp­rofessor Liu Xiaobo starb nach acht Jahren Haft.
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Mesale Tolu

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