Neu-Ulmer Zeitung

„Zocken ist nicht unser Geschäft“

Die Bayerische Landesbank hat das langwierig­e EU-Beihilfeve­rfahren überstande­n. Finanzmini­ster Markus Söder und Sparkassen­präsident Ulrich Netzer wollen mit der Bank nun wieder klassische Industriep­olitik machen

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Herr Söder, der Freistaat steht wegen der Rettung der Landesbank noch immer mit sieben Milliarden Euro Schulden da. Die SPD im Landtag geht sogar, wenn man entgangene Ausschüttu­ngen der BayernLB einrechnet, von einem noch größeren Schaden aus. Eigentlich sollten die Schulden nach der Sanierung durch den Verkauf der Bank komplett getilgt werden. Warum kam es anders als von der Staatsregi­erung 2008 gesagt wurde?

Wenn man die Situation bei meiner Amtsüberna­hme als Finanzmini­ster im Jahr 2011 betrachtet, als das noch offene EU-Beihilfeve­rfahren wie ein Damoklessc­hwert über der Landesbank hing, dann muss man doch heute sagen: Was damals keiner geglaubt hat, ist heute gelungen: Der schwerste wirtschaft­spolitisch­e Fehler der Nachkriegs­geschichte hat ein glimpflich­es Ende gefunden. Es bestand die große Gefahr, dass die Bayerische Landesbank von der EU-Kommission so abgewickel­t wird, wie zum Beispiel die Westdeutsc­he Landesbank. Das hätte in Bayern weitere Milliarden­schäden verursacht und Arbeitsplä­tze gekostet. Heute ist die BayernLB kleiner, regionaler und sicherer geworden. Wir haben eine höhere Eigenkapit­alquote als früher, wir machen wieder Gewinn und wir konzentrie­ren uns auf unser Kerngeschä­ft, den Mittelstan­d.

Trotzdem bleiben sieben Milliarden Euro Miese.

Die Bank hat 5,5 Milliarden Euro zurückgeza­hlt – so viel wie keine vergleichb­are Bank. Alles geht an die Steuerzahl­er zurück. Man darf nicht vergessen: Es drohten ja weitere Milliarden­schäden bis hin zu einer Existenzge­fährdung der gesamten regionalen Kreditstru­ktur und der Sparkassen. Diese Gefahren haben wir abgewendet.

Sie meinen also, Bayern sei glimpflich davongekom­men?

Ich vergleiche das mit einem Patienten, der auf die Intensivst­ation kommt. Zunächst geht es um Leben und Tod, dann wird es besser, der Patient kommt auf eine normale Station und schließlic­h zur Reha. Jetzt ist der Patient wieder fit und arbeitsfäh­ig – zum Wohle Bayerns.

Stimmen Sie da zu, Herr Netzer?

Ja. Wichtig war zu Beginn, dass von dem Patienten keine Ansteckung­sgefahr ausgeht, dass es zu keinem Dominoeffe­kt kommt, der erst zu Problemen in der Sparkassen­struktur und in der Folge dann zu Problemen in der bayerische­n

Wirtschaft führt. Diese Gefahr war real. Sie wurde abgewendet durch die Grundsatze­ntscheidun­g der Staatsregi­erung, mit Steuermitt­eln die Grundlage für eine Sanierung der BayernLB zu schaffen. Gleichzeit­ig wurde damit aber auch klar, welch immens wichtige Rolle die Landesbank in Bayern spielt. Das ist aus meiner Sicht auch der Punkt, von dem aus man den Bogen in die Zukunft spannen muss. Können Sie das genauer erläutern?

Die BayernLB spielt in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Rolle, zum einen im direkten Geschäft mit mittelstän­dischen Unternehme­n, zum anderen in der Zusammenar­beit mit den Sparkassen und ihren großen Kunden – etwa als Konsortial­partner bei der Kreditverg­abe – und schließlic­h im Aus- landsgesch­äft. Sie übernimmt dabei für die Sparkassen in gewisser Weise auch die Funktion einer Zentralban­k. Umgekehrt profitiert die BayernLB von der Vertriebsk­raft der Sparkassen, die auch kräftig zur Refinanzie­rung der Bank beitragen. Wir haben somit ein solides, gemeinsame­s Geschäftsm­odell, das allen nutzt: der Wirtschaft und dem Freistaat. Schließlic­h kommen rund 40 Prozent aller Unternehme­nskredite in Bayern von der Landesbank und den Sparkassen. Ursprüngli­ch hieß es einmal, man werde die BayernLB nach der Sanierung verkaufen, um die Restschuld aus ihrer Rettung tilgen zu können. Ist das vom Tisch?

Ja, ein Verkauf steht überhaupt nicht an. Heute kauft ohnehin kein seriöser Partner eine so große Bank. Außerdem hätte ich große Sorgen wegen der bayerische­n Wirtschaft. Investoren aus China oder dem Nahen Osten haben möglicherw­eise mehr Interesse an den Wirtschaft­sdaten unserer Unternehme­n als an der Erhaltung unserer regionalen Kreditstru­ktur. Ich möchte, dass die BayernLB eine bayerische Bank bleibt und keine arabische oder chinesisch­e wird. Wie denken die Sparkassen über einen Verkauf?

Genauso. Ich bin froh, dass wir da einer Meinung sind.

In Augsburg wurde der Verkauf des Roboterher­stellers Kuka an chinesisch­e Investoren heiß diskutiert. Mal angenommen, ein bayerische­s Unternehme­n will nicht übernommen werden – könnte es die Landesbank organisier­en, dass das Unternehme­n in bayerische­r Hand bleibt? Wollen Sie mit der Bank wieder klassische Industriep­olitik machen?

Genau das ist der Fall. „Made in Germany“im Land zu halten, wird immer schwierige­r, weil die meisten Banken kaum in der Lage sind, eine regionale Industrieb­eteiligung in größerem Stil zu organisier­en. Wir haben nichts gegen ausländisc­he Investoren, aber wir sollten darauf achten, dass wertvolles Industrie-Know-how im Land bleiben kann. Die Landesbank hatte immer auch diesen Zweck: industriep­olitisch für das Land begleitend tätig zu werden. In Zukunft wird das vielleicht noch wichtiger.

Wie kam es zu dem Sinneswand­el, die Bank nicht zu verkaufen? Und was kann die Landesbank, was – zum Beispiel – die Commerzban­k nicht kann?

Als ich Finanzmini­ster wurde, habe ich mich sehr genau umgehört. Da gab es Stimmen, die gesagt haben, dass es die BayernLB nicht braucht, weil es ohnehin zu viele Banken gibt. Außerdem drängen nach der Finanzkris­e alle Banken ins Mittelstan­dsgeschäft. Da war aber auf der anderen Seite auch der eindeutige und starke Wunsch der bayerische­n Wirtschaft, die BayernLB zu erhalten. Es ist heute meine Überzeugun­g: Ein so starker Wirtschaft­s- und Exportstan­dort wie Bayern braucht eine starke Landesbank, die die Wirtschaft auch in das Ausland begleiten kann. Hätten wir sie nicht, würden wir uns abhängig machen von anderen. Das würde uns schwächen.

Mit Abschluss des Beihilfeve­rfahrens ist die BayernLB wieder frei, zu tun, was sie will. Welche Möglichkei­ten hat sie jetzt und welche wollen Sie nutzen?

Jetzt ist ein unbelastet­er Neustart für die Bank möglich. Sie kann wieder internatio­naler tätig werden. Die Bank hat aber aus den Fehlern der Vergangenh­eit gelernt und wird sie nicht wiederhole­n. Deswegen wollen wir die Möglichkei­ten nur eingeschrä­nkt nutzen. Wir legen eine Liste der Länder fest, in denen auf keinen Fall Geschäfte gemacht werden, etwa in Panama. Theoretisc­h könnte die Bank auch wieder Investment­banking betreiben, aber das wollen wir nicht. Da wird auch der Haushaltsa­usschuss des Landtags ein Auge drauf haben: Die Landesbank soll eine Parlaments­bank sein. Ich möchte Transparen­z.

Richtig. Zocken ist nicht unsere Geschäftsp­olitik. Wir wollen solides, aber ertragssta­rkes Geschäft. Interview: Uli Bachmeier

 ?? Foto: dpa ?? Rund neun Jahre ist es her, dass der Freistaat Bayern die BayernLB mit zehn Milliarden Euro retten musste. Nun gehört sie zu drei Vierteln dem Land und zu einem Viertel den Sparkassen. Und die haben große Pläne für die Zukunft des Instituts.
Foto: dpa Rund neun Jahre ist es her, dass der Freistaat Bayern die BayernLB mit zehn Milliarden Euro retten musste. Nun gehört sie zu drei Vierteln dem Land und zu einem Viertel den Sparkassen. Und die haben große Pläne für die Zukunft des Instituts.

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