„Wir waren nicht unbedingt Vorreiter, was die Rechte von Homosexuellen angeht.“
Gesellschaft und bringen sich politisch ein. Wir machen doch nicht nur Lobbyarbeit für die Kirche! Wir beteiligen uns aktiv an der Meinungsbildung und engagieren uns für die Menschen, wie es viele Christinnen und Christen überzeugend tun. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer lässt prüfen, ob Bayern die Ehe für alle vors Bundesverfassungsgericht bringen soll. Unterstützen Sie ihn dabei?
Ich würde es sehr begrüßen. Denn ich möchte schon wissen, was das Bundesverfassungsgericht über die Ehe für alle denkt. Wie eine richterliche Prüfung des Gesetzes ausgehen könnte, weiß ich nicht. Für den Rechtsfrieden in Deutschland wäre ein Urteil gut.
In wenigen Wochen findet die Bundestagswahl statt. Wird das Thema Migration und die damit verbundenen Probleme zum wahlentscheidenden Thema?
Ich denke, es wird nicht das eine wahlentscheidende Thema geben. Es geht um Grundvertrauen: Welcher Partei, welchen Politikern traue ich zu, das Land voranzubrin-
gen? Daran wird sich der Ausgang der Bundestagswahl entscheiden, nicht an einzelnen Punkten wie dem Flüchtlingsthema oder der künftigen Ausgestaltung der Rentenversicherung. Hat die katholische Kirche vor zwei Jahren auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle etwas naiv eine „Willkommenskultur“propagiert?
Das wird uns von manchen gerne vorgehalten, aber was wäre denn im Jahr 2015 die Alternative für die Kirche gewesen?
Das Thema ärgert Sie sehr, oder?
Mir scheint, dass schon wieder vergessen wurde, was wir damals für eine schwierige Situation hatten, in der besonders Deutschland gefordert war. Die Kanzlerin sagte, aus humanitären Gründen können wir nicht anders handeln, und sie öffnete – natürlich in Übereinstimmung mit der ganzen Bundesregierung – die Grenzen, um Menschen zu helfen, die aus höchster Not geflohen waren. Und da erwartet man allen Ernstes von der Kirche oder einem Bischof, die Kanzlerin zu kritisieren und den Flüchtlingen zu sagen: Ihr seid hier nicht willkommen? Das ist doch völlig undenkbar für mich! Ich kann nicht akzeptieren, dass die Entscheidung der Kanzlerin im Nachhinein für das Schlimmste überhaupt gehalten wird.
Jetzt wird es verstärkt um die Integration der Flüchtlinge gehen müssen.
Und niemand hat gesagt, dass das ganz einfach wird. Schauen Sie sich einmal um in den Grundschulen