Hör auf Hacke!
Ich liebe dieses Internet! Nichts geht darin verloren. Auch nicht die Frage, die eine „sunshinevivi“vor sechs Jahren auf der Seite www.gutefrage.net stellte: „wie werde ich zur Kolumnistin?“
Und sie schrieb wortwörtlich: „hey leute, och schreibe für mein leben gern und würde so gerne eine kolumne für ne zeitschrift oder so schreiben ...? habt ihr eine ahnung, ob eine zeitschrift gerade jemanden sucht oder so? wie würde ich mich für sowas bewerben und vor allen dingen, welche zeiztschrift eignet sich für so manchmal etwas ernstere themen über das leben etc.?“
Ach, liebe sunshinevivi! Ob du wohl eine zeiztschrift gefunden hast, die deine Kolumne druckzt? Ich will nicht überheblich klingen, versteh mich bitte nicht falsch. Aber Kolumnenschreiben ist so einfach auch wieder nicht, das kannst du mir ruhig glauben. Kolumnenschreiben ist harte Arbeit. Behauptet auch einer der bekanntesten Kolumnisten des Landes, Axel Hacke (im Bild). Hör auf Hacke! „Man denkt pausenlos mit, was könnte ein Thema sein, was ist keins. Immerzu muss man wach sein“, klagte er mal sein Leid. Auf www.helpster.de habe ich übrigens gelesen, was man zum Kolumnenschreiben benötigt: zeitloser Titel, aktuelle Themen, spitze Zunge, eigene Meinung, überraschende Pointe, aufgeschlossenes Publikum. Ach, könntest du mich jetzt sehen, liebe sunshinevivi! Mein Kopf brummt schon, so sehr suche ich gerade nach einer eigenen Meinung und beiße mir dabei immer wieder auf die spitze Zunge. Und woher bitte schön, frage ich mich, soll die überraschende Pointe herkommen? Nur gut, dass ich ein aufgeschlossenes Publikum habe! Falls du diese Kolumne lesen solltest, liebe sunshinevivi: Melde dich bei mir! Ich wüsste zu gern, was aus deinen Plänen geworden ist. Und vielleicht hast du ja auch ein paar Tipps für eine gute Kolumne für mich ... „Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo – da hab’ ich dann ausgemacht, bin raus und hab erst mal ein wenig geheult“, erinnert sich eine Frau, die in einem bislang streng abgeschirmten sogenannten Facebook-Löschzentrum in Berlin arbeitet. Inzwischen habe sie sich daran gewöhnt, sagt die 28-Jährige den Journalisten. Es ist das erste Mal, dass Medienvertreter offiziell mit drei Mitarbeitern des Löschzentrums sprechen können. Ihre Namen dürfen nicht genannt werden, um sie zu schützen.
650 Menschen arbeiten hier im Mehrschicht-Betrieb. Zu ihren Aufgaben gehört es, Einträge zu sichten und zu löschen, die strafbar sind oder gegen Facebook-Regeln verstoßen. Was genau in den Regeln steht, ist öffentlich nicht bekannt.
In den letzten Monaten gab es mehrfach Medienberichte über das von der Bertelsmann-Dienstleistungstochter Arvato betriebene Löschzentrum: Darin kritisierten namentlich nicht genannte (frühere) Mitarbeiter, dass sie mit den seelischen Strapazen des Jobs von ihrem Arbeitgeber alleingelassen würden. Sie berichteten von strengen, oft undurchsichtigen Vorschriften; mancher Mitarbeiter, hieß es, habe nur acht Sekunden Zeit für die Entscheidung, etwas zu löschen oder nicht – Videos, in denen gefoltert wird oder in denen Kinder missbraucht werden. Mitarbeiter hätten über schwere psychische Probleme und mangelnde professionelle Hilfe geklagt.
An jedem Arbeitsplatz in dem Gebäude sind beim Besuch der Journalisten Anfang dieser Woche Aufkleber mit Kontaktdaten von Experten für psychologische Betreuung angebracht. Das sei nicht immer so gewesen, sagt Arvato-Manager Karsten König. Es sieht aus wie in anderen Großraumbüros auch: Tischreihen, an denen sich zehn bis zwölf Menschen gegenübersitzen. Pro Raum finden rund 60 Menschen Platz. In dem Gebäude – man ist erst kürzlich vom Haus gegenüber hierhergezogen – riecht es noch nach frischer Farbe.
Die drei Mitarbeiter, mit denen die Journalisten im Beisein der Sprecher von Facebook und Arvato sprechen können, sind seit mehr als einem Jahr dabei – eine Grafik-Designerin, eine Social-Media-Managerin, ein Landschaftsgärtner. Für Neuzugänge gibt es zunächst eine einwöchige Orientierungsphase, dann ein mehrwöchiges Training für bestimmte Tätigkeiten, erklärt Facebook-Manager Walter Hafner.
Wie lange man den Job machen könne? „Jahrelang auf jeden Fall nicht“, antwortet eine Mitarbeiterin. Ihr Kollege, ein Mittzwanziger, sagt, er könne „immer gut trennen zwischen Arbeit und Persönlichem“. Habe er Kinderpornos gesehen? „Ja.“Tierquälerei? „Ja.“Mord? „Ja, eigentlich alles.“Einmal sei er beim Psychologen gewesen, um präventiv zu sprechen.
Der Bundestag beschloss Ende Juni ein Gesetz, das Online-Netzwerke zu einem härteren Vorgehen gegen Hetze und Terror-Propaganda verpflichtet. Es sieht vor, dass Facebook oder Twitter klar strafbare Inhalte binnen 24 Stunden nach einem Hinweis darauf löschen müssen. Für nicht eindeutige Fälle ist eine Frist von sieben Tagen vorgesehen. Bei systematischen Verstößen drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro. Kritiker meinen, dass auf die Unternehmen damit die Entscheidung abgewälzt werde, ob Beiträge rechtmäßig seien. Dies könne eine Einschränkung der Meinungsfreiheit mit sich bringen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast war als erster Politikerin Zugang zu den Facebook-Löschteams gewährt worden. Sie stellte Mitte Juni fest, Facebook habe auf Vorwürfe unter anderem mit der Einstellung von Personal reagiert.