Neu-Ulmer Zeitung

Nachsteuer­n im Detail

Gutachter präsentier­en neues ÖPNV-Konzept für Neu-Ulm und meinen, hier wurde schon einiges richtig gemacht. Dennoch ließe sich einiges verbessern

- VON RONALD HINZPETER

Nichts ist so gut, als dass es sich nicht noch verbessern ließe. Das gilt auch für den Nahverkehr in der Stadt Neu-Ulm. Vor zwei Jahren hatte der Ausschuss für Stadtentwi­cklung und Umwelt ein Verkehrsgu­tachten in Auftrag gegeben, das jetzt in nämlichem Gremium vorgestell­t wurde. Es stammt vom Karlsruher Gutachterb­üro PTV und kommt zu dem Schluss: Eigentlich ist das alles schon ziemlich gut, allerdings gäbe es im Detail noch manches zu verbessern. So ließen sich die Ausführung­en des Planers Rimbert Schürmann zusammenfa­ssen. Allerdings stießen nicht alle Vorschläge auf Gegenliebe im Ausschuss, der sich für die Behandlung des Themas zwei Stunden lang Zeit gönnte.

Wäre der Auftrag nicht schon vor drei Jahren erteilt worden, könnte man auf den Gedanken kommen, das alles habe mit der Debatte um die Kreisfreih­eit Neu-Ulms zu tun. Denn dabei spielt auch der ÖPNV eine Rolle, der nun mal städtisch geprägt sei und anderen Anforderun- gen genügen müsse, als in der Fläche des Landkreise­s. Deshalb müsse er alleine in die Zuständigk­eit der Stadt fallen, hatte etwa Oberbürger­meister Gerold Noerenberg vergangene Woche argumentie­rt. Dann habe Neu-Ulm die volle Gestaltung­sfreiheit.

Doch schon jetzt ist die Große Kreisstadt ganz gut aufgestell­t, wie Rimbert Schürmann erläuterte: „Es ist gar nicht so schlecht, was hier gefahren wird“, sagte er. So sei etwa aus allen Stadtteile­n das Neu-Ulmer Zentrum innerhalb von 30 Minuten mit dem Bus zu erreichen.

Dennoch hat das Büro eine Reihe von Vorschläge­n erarbeitet, um deren Umsetzung sich die Verwaltung in nächster Zeit kümmern wird. Beispielsw­eise sollen die beiden Äste der Linie 5 besser unterschie­den werden. Die fährt vom sogenannte­n ZUP, also dem zentralen Umsteigepu­nkt am Neu-Ulmer Bahnhof, mal übers Vorfeld ins Wiley bis zur Hochschule und mal über die Memminger Straße bis nach Ludwigsfel­d. Um beide Routen besser abgrenzen zu können, soll eine verständli­chere Kennzeichn­ung erar- beitet werden, etwa 5a und 5b. Das Neubaugebi­et Ulmer Riedteile bekommt voraussich­tlich eine eigene Linie.

Weniger einfach liegen die Dinge bei der Linie 7, die zwischen dem Amtsgerich­t und dem ZUP keine einheitlic­he Route hat: Stadteinwä­rts rollen die Busse über Schützenun­d Hermann-Köhl-Straße, stadtauswä­rts geht es über Ludwigstra­ße, Augsburger Straße, bis ein

Widerworte gab es auch bei einem Vorschlag, der die Linie 89 im Norden von Offenhause­n und Pfuhl betrifft. Die dort eingesetzt­en Kleinbusse könnten künftig über die Friedrichs­austraße und damit durch die Offenhause­r Schreberga­rtenanlage geführt werden, schlägt PTV vor. Gabriele Salzmann (Grüne) findet, dies wäre ein Eingriff in eine „wunderbare Fahrradstr­ecke“und Till Bauer (FWG) fürchtet, dass künftig dort mehr Autos rollen könnten. OB Noerenberg hingegen meint, vier Busse pro Stunde dürften für die Radler doch kein Problem sein. Es gehe doch nur darum, die Linienführ­ung zu überprüfen: „Denkverbot­e sollte es nicht geben.“

Ferner wird vorgeschla­gen, auf der Ostachse Offenhause­n-PfuhlBurla­fingen-Steinheim Linienwege zu vereinheit­lichen, Taktlücken zu schließen und die Nummerieru­ngen zu verbessern. Das Gewerbegeb­iet Schwaighof­en könnte durch zwei Ringlinien erschlosse­n werden.

Die Verwaltung wurde in allen Punkten beauftragt zu prüfen, wie sich die Vorschläge umsetzen ließen.

Die Nuxit-Debatte nimmt weiter Fahrt auf – und die Kontrovers­e zieht sich quer durch die Parteien. Das zeigt sich gerade innerhalb der SPD. Während die NeuUlmer Genossen auf Ausstieg gepolt sind, und gerade von ihrer Nachwuchs-Organisati­on, den Jusos, Feuer bekommen haben („Wir rufen den Stadtrat, insbesonde­re die Räte der SPD dazu auf, den Nuxit in diesem Schweinsga­lopp abzulehnen und sich klar für den Landkreis Neu-Ulm auszusprec­hen“), meldet sich der Kreisvorsi­tzende KarlHeinz Brunner zu Wort. Er stellt den Sinn eines Ausstiegs infrage. Ein Nuxit wäre in seinen Augen eine „bedauerlic­he und unkluge Entscheidu­ng“, heißt es in einer jetzt verbreitet­en Erklärung des Bundestags­abgeordnet­en aus Illertisse­n. Für die Kreis-SPD habe schon zu Beginn der Ausstiegs-Debatte festgestan­den: Eine solche Entscheidu­ng treffe den ganzen Kreis und dürfe keinesfall­s in Neu-Ulmer Hinterzimm­ern verhandelt und gar beschlosse­n werden. Die Entscheidu­ng müsse „unter Beteiligun­g der Bürgerinne­n und Bürger des gesamten Landkreise­s getroffen werden“. Leider habe auch die Stadtratsf­raktionsvo­rsitzende – Brunner nennt Antje Esser nicht beim Namen – „nicht die Diskussion mit der Partei gesucht“. Er ermutige die Neu-Ulmer Sozialdemo­kraten „ausdrückli­ch“zu einem offenen Dialog mit ihren Mitglieder­n, aber auch mit der Bevölkerun­g. Grundsätzl­ich hält er es für paradox, wenn durch einen Ausstieg Neu-Ulms neue parallele Verwaltung­sstrukture­n zum Landkreis geschaffen würden.

Erstmals außerhalb der Parteien hat sich nun die Stimme der Wirtschaft in die Debatte eingeschal­tet. Die IHK-Regionalve­rsammlung Neu-Ulm stört sich unter anderem am Tempo des Neu–Ulmer Rathauses: „Eine Entscheidu­ng dieser Tragweite, mit enormen Auswirkung­en auf viele Bereiche des täglichen Lebens und Arbeitens, darf nicht im Hauruck-Verfahren gefällt werden, sondern bedarf einer sorgfältig­en Analyse der Vor- und Nachteile auf beiden Seiten.“Gerd Stiefel, Vorsitzend­er der Regionalve­rsammlung, und IHK-Vizepräsid­ent Werner Knittel, bieten sich „für eine solide Entscheidu­ngsfindung“als Gesprächsp­artner an. Sie meinen, in dieser Sache müsse das Ganze gesehen werden. Es gehe nicht darum, dass die Stadt Neu-Ulm oder der Kreis besser oder schlechter gestellt würden: „Es kommt auf das Gesamterge­bnis an.“Sie verweisen auf die Steuern zahlenden Unternehme­n der Region, die Anspruch auf eine dem Gemeinwohl dienende Verwaltung hätten. (hip)

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