Neu-Ulmer Zeitung

Paar lebt mit Baby in Messie Wohnung

Meterhohe Müllstapel, ein Berg an gebrauchte­n Windeln und überall Ungeziefer: Richter verurteilt Eltern zu Geldstrafe­n. Die Jugendgeri­chtshilfe verzweifel­t an dem Fall

- VON ALEXANDER SING

Es muss ein widerliche­r Anblick gewesen sein, der sich zwei Polizisten der Polizeiins­pektion Burgau bot, als sie im März dieses Jahres eine Wohnung im nördlichen Landkreis Günzburg betraten. Teilweise deckenhoch stapelte sich der Müll, Ungeziefer kroch über Fußboden und Wände. Vor der Küche häufte sich ein so hoher Berg von Windeln an, dass der Raum nicht mehr betreten werden konnte. Bis ins Treppenhau­s drang der Gestank. Einer der Beamten erzählt bei seiner Aussage vor Gericht: „Meine Kollegin hat sich geweigert, die Wohnung zu betreten. Wir dachten zuerst, dadrin sei jemand gestorben.“In der Wohnung lebte ein junges Paar mit seiner damals erst sechs Monate alten Tochter. Die Polizisten waren eigentlich mit einem Haftbefehl gegen die Mutter des Kindes gekommen. Sie war zu einer Verhandlun­g wegen Diebstahls nicht erschienen. Doch zu dem Zeitpunkt war sie wohl aus der vermüllten Wohnung schon zu ihrem Vater gezogen.

Nun stehen beide Eltern vor dem Günzburger Amtsgerich­t. Ihnen wird Verletzung der Fürsorgepf­licht sowie Sachbeschä­digung vorgeworfe­n. Denn durch ihren scheinbar über ein Jahr lang anhaltende­n Messie-Lebensstil haben die 21-Jährige und ihr 23-jähriger Freund nicht nur ihre kleine Tochter in Gefahr gebracht. An der Mietwohnun­g entstand auch ein Schaden von rund 15 000 Euro. Teppiche, Badarmatur­en und Türen müssten erneuert werden, erzählt der Vermieter. Außerdem habe er zweimal weißeln lassen müssen, um gegen die Schimmelfl­ecken anzukommen. Es sind Kosten, auf denen er wohl sitzenblei­ben wird. Denn die Angeklagte­n sind beide hoch verschulde­t und arbeitslos.

Dabei scheint zumindest die 21-Jährige aus geordneten Verhältnis­sen zu kommen. Nach der Realschule schloss sie eine Ausbildung zur Einzelhand­elskauffra­u ab. Ihr Freund ist gelernter Betonbauer, kann aber aufgrund einer Allergie nicht mehr in dem Beruf arbeiten. Warum sie auch nach der Geburt der Tochter wortwörtli­ch im Dreck gelebt haben, diese Frage können sie Richter Daniel Theurer nicht beantworte­n. Seit April besucht die Frau eine psychologi­sche Beratung, auch die Familienhi­lfe ist eingeschal­tet.

Das mittlerwei­le zehn Monate alte Baby lebt nach wie vor bei den Eltern, allerdings in einer neuen Wohnung. Laut Hannes Klampfl von der Jugendgeri­chtshilfe sei das Mädchen trotz allem gut versorgt und gesund gewesen. Sie habe beim Kinderarzt alle Untersuchu­ngen und Impfungen bekommen. Dennoch sagt Klampfl: „Es ist eine unglaublic­he Lethargie da, fast schon ein Desinteres­se an der eigenen Problemati­k.“Ob der Wille zur Veränderun­g da ist, davon ist der Sozialpäda­goge nicht überzeugt. Der Fall gehe ihm sehr nahe, sagt er nach dem Prozess.

Richter Theurer verurteilt die beiden zu einer Geldstrafe von je 90 Tagessätze­n à 15 Euro. Beide wurden nach Erwachsene­nstrafrech­t abgeurteil­t, obwohl zumindest für die 21-Jährige auch das Jugendstra­frecht möglich gewesen wären. Das hatte auch die Staatsanwa­ltschaft gefordert. „Nehmen Sie die Hilfe des Amtes an“, gibt der Richter ihnen mit auf den Weg.

Der Hochwasser­schutz im Landkreis Günzburg kommt ein weiteres Stück voran. Das Landratsam­t führt derzeit das wasserrech­tliche Planfestst­ellungsver­fahren für den Hochwasser­schutz Kohlplatte in Leipheim durch. Anlässlich der Erhebungen zur Ausweisung des amtlichen Überschwem­mungsgebie­tes durch das Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth war klar geworden, dass das Baugebiet Kohlplatte nicht ausreichen­d vor Hochwasser geschützt ist. Ein maroder Deich aus früherer Zeit ist nicht für den Hochwasser­schutz der Bevölkerun­g geeignet. Das Wasserwirt­schaftsamt plant ein Schutzproj­ekt, um das Siedlungsg­ebiet Kohlplatte vor einem 100-jährigen Hochwasser der Donau inklusive eines Klimazusch­lags von 15 Prozent zu schützen. Der neue Hochwasser­schutzdeic­h ist zwischen der Kreisstraß­e GZ 4 (Riedheimer Straße) und der Autobahn am südwestlic­hen Siedlungsr­and geplant. Der Deich soll im Bereich der Ferienanla­ge an die Autobahnbö­schung anschließe­n. Auch das Wasserwerk soll hochwasser­frei gelegt werden, teilt das Landratsam­t mit. (az) O

Unterlagen können unter www.landkreis guenzburg.de eingese hen werden und liegen ab 31. Juli einen Monat lang im Rathaus Leipheim aus.

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Symbolfoto: Silvio Wyszengrad Meterhoch Müll, Essensrest­e und überall Ungeziefer: So sehen Messie Wohnun gen aus.

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