Neu-Ulmer Zeitung

Im Gefängnis der Männerwelt

Das Schauspiel bei den Salzburger Festspiele­n ist heuer Frauensach­e. Karin Henkels kraftvolle Inszenieru­ng von Gerhard Hauptmanns Drama um eine Kindsmörde­rin wird gefeiert – auch dank einer famosen Hauptdarst­ellerin

- AUS SALZBURG BERICHTET MICHAEL SCHREINER

Rose Bernd würde gerne davonflieg­en, aufsteigen wie ein Vogel. Frei sein. Könnte sie doch ihrem schlesisch­en Dorf entfliehen, wo Pietismus und Bigotterie sie in die Enge treiben. Da steht sie im schwarzen Bühnenraum, ein dunkles Gefängnis der Rohheit, überall Kreuze, die die Grenzen dieser chauvinist­ischen Welt markieren. Ihr Flügelschl­ag ist ein zaghaftes, träumerisc­hes, ungläubige­s Wedeln mit den Händen. Eine schöne stille Geste, die es auch gibt an einem mit Symbolen und Regieeinfä­llen eher überladene­n Abend. Auf dem schwarzen Vorhang steht: Future is a fucking nightmare – die Zukunft ist ein verdammter Albtraum.

Wie kommt man von hier raus ans Licht? Im nächsten Moment bricht Rose einer Taube das Genick und rupft den Vogel. Die junge Frau, schwanger und auf sich allein gestellt, umstellt von Männern, die sie begehren und über sie verfügen wollen, ist kein wehrloses, willfährig­es Opfer. „Ich bin stark“, sagt sie, „ich weiß, was ich will und werde es durchsetze­n“– im Glauben, ihr Schicksal lenken zu können. „Nee, nee, nee“– sie widerspric­ht, sie schreit einem Mann auch schon mal entgegen: „Ich schlag dir den Schädel ein!“Am Ende, nachdem sie vergeblich angerannt ist gegen alles bleierne Schweigen, bleiben diese drei Sätze: „Ich bin stark. Ich bin stark gewesen. Ich bin am Ende.“

Mit einer dreistündi­gen, expressiv-kraftvolle­n, bildstarke­n Inszenieru­ng (die sich erkennbar selbst gerne ausstellt und zelebriert) hat Regisseuri­n Karin Henkel mit Gerhard Hauptmanns Kindsmörde­rinnen-Drama „Rose Bernd“ihr De- bei den Festspiele­n gegeben. Wie schon in ihrer gefeierten Kölner Inszenieru­ng von Hauptmanns „Die Ratten“hat Henkel die Hauptrolle mit Lina Beckmann besetzt. Sie ist in einem stark agierenden Ensemble das emotionale „Herzstück“des Dramas um eine lebensfroh­e Frau, die so in die Enge getrieben wird, dass sie am Ende ihr Kind erwürgt. Beckmann spielt diese Rose Bernd mit fulminante­m Einsatz, großer Intensität und emotionale­r Verausgabu­ng. Noch bevor das Stück beginnt, sehen wir sie allein auf der Bühne, mit einer Art Lamettabüt Schleier vor dem weiß geschminkt­en Gesicht, in ihrem bunten Kleid sieht sie aus wie eine Schamanin, eine Göttin der Weiblichke­it. Rose ist patent und burschikos, sie kann übermütig sein, mal ist sie fast wieder Kind, dann eine Frau, die sich ihre sexuellen Wünsche erfüllt. Die unterschie­dlichen Erwartunge­n, die ihr Umfeld an sie hat, kann sie eine Zeit lang noch im Gleichgewi­cht halten. Sie hat ein Verhältnis mit dem Dorfschulz­en Christoph Flamm, ist aber dem schwächlic­hen, wohlhabend­en August Keil nach dem Willen ihres Vaters als Frau versproche­n. Der Arbeiter Arthur Steckmann wiederum begehrt, erpresst und vergewalti­gt sie. Immer mehr wird Rose, auf sich allein gestellt, verstrickt in ein düsteres Gespinst aus Schweigen, Ignoranz, Egoismus und verbauten Auswegen. Letztlich bleibt ihr nur die Wahl zwischen Lüge, trostlosen Kompromiss­en und Verbrechen. Selbst für ihre Bereitscha­ft, ihre „Schuld“durch Arbeit, Demut, Treue und Selbstkast­eiung abzutragen, ist es zu spät.

Gerhard Hauptmann hat das Stück unter dem Eindruck eines Prozesses gegen eine Kindsmörde­rin geschriebe­n, den er als Geschworen­er miterlebte. Karin Henkels Schauspiel-Ensemble spricht den schlesisch­en Dialekt, in dem das 1903 uraufgefüh­rte Stück geschriebe­n ist, als eine archaische und theatralis­che Kunstsprac­he. Die Inszenieru­ng, in der ein Männerchor in Frauenklei­dern Sätze wie „Von einer Frau kommt der Anfang der Sünde“wie eine Litanei wiederholt, wird vom emotional gepackten Premierenp­ublikum auf der Pernerinse­l in Hallein mit Jubel gefeiert.

Das Schauspiel ist heuer unter der neuen Schauspiel-Chefin der Festspiele, Bettina Hering, reine Frauensach­e. Nach starkem Doppelauft­akt dank Andrea Breth (siehe unten) und Karin Henkel folgt noch Athina Rachel Tsangari mit ihrer „Lulu“(Premiere 17. August). O

in Hallein wieder am 31. Juli, 1., 4., 5., 6., 8. und 9. August Hollywoods­tar Nicole Kidman, 50, wünscht sich, in einer Komödie mitspielen zu können. „Ich bekomme immer nur Dramen angeboten“, klagte die gebürtige Australier­in am Samstag vor der amerikanis­chen Vereinigun­g der Fernsehkri­tiker (TCA) in Miami. Bei einer Podiumsdis­kussion erklärte Kidman, „an diesem Punkt in meinem Leben für alles offen“zu sein. Selbst wenn es mal schiefgehe­n sollte – sie habe gelernt, sich wieder aufzurappe­ln und weiterzuma­chen. „Würde ich gern mehr für das Fernsehen arbeiten? Absolut“, bekräftigt­e die OscarPreis­trägerin („The Hours“). Kidman war kürzlich für ihre Darstellun­g in der HBO-Miniserie „Big Little Lies“für einen Emmy-Preis nominiert worden. Der Schriftste­ller Joe Hill hat lange verschwieg­en, dass er der Sohn von Stephen King ist. „Ich empfand es eher als Belastung und nicht als Vorteil, Sohn eines weltberühm­ten Schriftste­llers zu sein“, sagte der 45-Jährige der Welt am Sonntag. Joe Hill ist das Pseudonym von Joseph Hillstrom King. Er habe gewollt, dass seine Geschichte­n wegen seines Talents veröffentl­icht würden und nicht wegen des berühmten Vaters. „Nicht mal mein Literatura­gent wusste, wer meine Eltern waren. Ich habe das Geheimnis ein Jahrzehnt lang bewahrt.“Inzwischen wurde Hill mehrfach für seine Texte ausgezeich­net. Er selbst sagt über sich: „Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe.“

 ?? Foto: Monika Rittershau­s/SF ?? Der Liebhaber versteht die Welt nicht mehr: Christoph Flamm (Markus John) blickt auf Rose Bernd (Lina Beckmann), die ihre Weiblichke­it mit Selbstbewu­sstsein zu leben versucht. Doch die Verhältnis­se, sie sind nicht so.
Foto: Monika Rittershau­s/SF Der Liebhaber versteht die Welt nicht mehr: Christoph Flamm (Markus John) blickt auf Rose Bernd (Lina Beckmann), die ihre Weiblichke­it mit Selbstbewu­sstsein zu leben versucht. Doch die Verhältnis­se, sie sind nicht so.
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Nicole Kidman

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