Als Kind wird er als Heulsuse gehänselt
den Dingen steht. Vielleicht geht es aber nur darum, dass sein Sixpack selbst auf diesem Bild voll zur Geltung kommt.
Gut zwei Wochen später hat der vielleicht beste, auf jeden Fall aber eitelste Fußballer der Welt ausnahmsweise keine Lust, in die Kameraobjektive zu lächeln. Vor dem Gerichtsgebäude im spanischen Pozuelo de Alarcón wartet am Montagvormittag ein Großaufgebot von Berichterstattern, Fotografen und Kamerateams auf den Star von Real Madrid. Ronaldo schafft es, sich fast unbemerkt in die Tiefgarage auf der Rückseite des Justizgebäudes chauffieren zu lassen. Der Torjäger bevorzugt den Hintereingang an seinem womöglich „härtesten Tag“, wie ihn die Madrider Sportzeitung Marca im Vorfeld nannte.
Nur die Ermittlungsrichterin Mónica Gómez Ferrer bekommt den Fußballmillionär an diesem Montag zu Gesicht. Die Frau, die entscheidet, ob Ronaldo angeklagt wird. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Anderthalb Stunden dauert die Anhörung. Es geht um ein kompliziertes Firmengeflecht aus einem Unternehmen in Irland, einer Briefkastenfirma in der Karibik und einem Konto in der Schweiz, durch das der Fußballstar Millionen an Werbeeinnahmen geschleust hat. Und es geht um die Frage, ob er auf diese Weise 14,7 Millionen Euro an Steuern hinterzogen hat, wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. Anderthalb Stunden später ist die Anhörung vorbei. Ein Sprecher schickt die Pressevertreter weg. „Alles ist in Ordnung, Cristiano ist schon auf dem Weg nach Hause“, sagt er.
Pozuelo de Alarcón, der Ort mit feinen Villenvierteln nordwestlich von Madrid, gilt als reichste Stadt des Landes. Das mittlere Einkommen ist fast drei Mal so hoch wie im Rest Spaniens. Ronaldo lebt in der Luxussiedlung namens La Finca, in einer Villa mit 4000 Quadratmetern Grundstück, großzügigem Pool und eigenem Fitnessstudio. In seiner Garage stehen mehrere Luxusautos, er hat einen Privatjet. Längst ist er der bestbezahlte Kicker der Welt: Sein Jahreseinkommen schätzte das USMagazin Forbes zuletzt auf 82 Millionen Euro – inklusive Spielergehalt, Werbeeinnahmen und sonstigen Geschäften.
Unvorstellbar viel Geld muss das sein, erst recht für einen Jungen aus so einfachen Verhältnissen. Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro, wie er mit vollem Namen heißt, wächst auf der portugiesischen Insel Madeira auf. Die Mutter arbeitet als Köchin und Putzfrau, der Vater als Korbflechter und später als Gärtner. Er stirbt, als der Sohn 17 Jahre ist – Leber- und Nierenversagen, der Alkohol. Als Kind wird Cristiano als „Heulsuse“gehänselt.
Heute verehren ihn die Menschen auf der Azoreninsel wie einen Helden. Mit 29 bekommt er sein eigenes Museum. Nicht nur dort halten ihn viele für den besten Fußballer der Welt. Ronaldo gilt als Ausnahmesportler, als Besessener, als einer, der dann noch trainiert, wenn seine Mannschaftskollegen längst in der Kabine sind. Außer dem WM-Titel hat der 32-Jährige alles gewonnen: Er ist Europameister, war mehrmals Weltfußballer, wurde gerade zweimal hintereinander ChampionsLeague-Sieger und hat in bislang 265 Meisterschaftsspielen für Real unfassbare 285 Tore geschossen. Und: CR7, wie der Mann mit der Nummer 7 genannt wird, ist eine gut funktionierende Marke. Er verdient so viel Geld mit Werbeverträgen wie kein Fußballprofi vor ihm.
In Werbespots preist Ronaldo Autos, Anzüge und Bankprodukte, Flugtickets, Hähnchenschenkel und Poker-Glücksspiele, Sportausrüstung, Toastbrot und Uhren an. Er hat seine eigene Luxus-Modemarke geschaffen, die von seinen beiden Schwestern gemanagt wird. Mehrere Hotels tragen seinen Namen, ebenso der Flughafen Madeiras. „Zusammen mit dem Portwein ist Cristiano das bekannteste portugiesische Produkt in der Welt“, urteilt Portugals Marketing-Institut Ipam.
Trotzdem ist es leicht, Ronaldo kein bisschen zu mögen. Man kann sich herrlich über ihn aufregen – über sein albernes Gehabe, über den überzogenen Anlauf beim Freistoß, die peinlichen Posen beim Torjubel, über die Frisur, die selbst auf dem Spielfeld perfekt sitzt. Ronaldo gilt als arrogant, eitel, egozentrisch, als selbstgefällig, selbstgerecht, selbstherrlich, als so etwas wie der Supergockel des Fußballs. Gut möglich, dass das aber nur Klischees sind. Die Wenigen, die ihn tatsächlich besser kennen, beschreiben Ronaldo ganz anders. Als einen, der sich für wohltätige Organisationen einsetzt, der vor allem Kinder unterstützt.
Andere aber sind in diesen Tagen vor allem wütend auf ihn. Weil er den Fußball und den Ruf der ganzen Profibranche in den Schmutz ziehe. Die Enthüllungen der Internetseite „Football Leaks“und des Spiegel legen den Blick frei auf die gigantischen Millionenbeträge, die im Fußball fließen, auf die Gier der Protagonisten, auf den gefährlichen Einfluss seines Beraters Jorge Mendes.
Mendes arbeitet mit Ronaldo zusammen, seit dieser 16 Jahre ist. Er handele mit den Vereinen nur die Gehälter seiner Spieler aus, für eine steuerliche Beratung oder die Gründung anderer Unternehmen habe er keine Zeit, sagte Mendes im Juni vor Gericht. Fakt ist jedoch: Wer mit Ronaldo werben will, wer sein Gesicht für eine PR-Kampagne oder nur für die kleinen Stickerbilder verwenden will, musste die Verträge bis 2014 mit einem Unternehmen in Irland abschließen. Dessen Mehrheitsaktionär: Jorge Mendes. Geschäftsführer: Mendes’ Neffe.
Die Firma in Irland behielt nach Abschluss jedes Vertrags nur eine Provision ein und leitete das Geld auf die Britischen Jungferninseln weiter. Dort saß eine Briefkastenfirma, die ein Konto in der Schweiz hatte und an die Ronaldo bis 2014