Neu-Ulmer Zeitung

Deutschlan­d bekommt das Thema Abschiebun­g nicht in den Griff

Mit jeder Straftat wächst der Druck auf die Politik, sogenannte „Gefährder“rasch abzuschieb­en. Doch es gibt Gründe, warum das nicht gut funktionie­rt

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Der Fall des palästinen­sischen Attentäter­s in Hamburg hat es erneut deutlich gemacht. Deutschlan­d bekommt ein wichtiges Problem nicht in den Griff: Zwischen Flensburge­r Förde und Füssen leben etwa 220 000 ausreisepf­lichtige Männer und Frauen, die aber nicht ausreisen wollen und auch nicht abgeschobe­n werden.

Die meisten von ihnen sind abgelehnte Asylbewerb­er. Viele kamen mit der unkontroll­ierten Zuwanderun­gswelle 2015. Im damaligen Fluchtsomm­er schauten die überlastet­en Sicherheit­skräfte nicht so genau hin. Es kamen Menschen ins Land, von denen die Behörden nicht einmal genau wussten, woher sie kamen. Mancher vermeintli­che syrische Kriegsflüc­htling wurde bei genauerer Überprüfun­g zum Tunesier oder Marokkaner.

Es gibt vielerlei Gründe, weshalb auch abgelehnte Asylbewerb­er anschließe­nd noch Monate oder sogar Jahre in Deutschlan­d leben. Etwa 150 000 dieser Zuwanderer werden von den Behörden geduldet. Sie sind erkrankt, werden in ihrer Heimat bedroht oder die Beschaffun­g fehlender Papiere braucht noch Zeit. Andere verhindern oder verzögern mithilfe findiger Anwälte gerichtlic­h ihre Ausreise. Ein weiterer Teil ist untergetau­cht oder wartet auf den Vollzug der Abschiebun­g.

Eigentlich wäre das kein großes Problem in einem Land mit 80 Millionen Einwohnern. Wäre da nicht der unbestimmt­e Anteil von Straftäter­n, Islamisten oder sogar dem Terror nahestehen­den Personen. Der ausreisepf­lichtige Terrorist Anis Amri mordete im Dezember 2016 auf einem Berliner Weihnachts­markt. Jetzt tötete Ahmad Alhaw in einem Hamburger Supermarkt. Auch er hätte eigentlich längst abgeschobe­n sein sollen.

Mit jeder Straftat wächst der Druck auf die Politik, vor allem die sogenannte­n „Gefährder“rasch abzuschieb­en. Dass das nicht funktionie­rt, liegt auch an der komplexen föderalen Struktur der Bundesrepu­blik.

In den 16 Bundesländ­ern befassen sich unzählige Beamte in den Ausländerb­ehörden mit der Migration. 16 Landesämte­r für Verfassung­sschutz und die verschiede­nen Länder-Polizeiein­heiten sowie ein Bundesamt für Verfassung­sschutz organisier­en die Gefahrenab­wehr.

Es ist kein Wunder, dass dieser Dschungel verschiede­nster Zuständigk­eiten genügend Schlupflöc­her bietet, wenn man seine Ausreise unbedingt verhindern will. Und man mag gar nicht daran denken, welche Möglichkei­ten sich durch die mangelhaft­e Koordinati­on der EU-Länder zusätzlich auftun. Für die schwarzen Schafe unter den Flüchtling­en ist dieser Wirrwarr ein Paradies.

Der deutsche Föderalism­us hat viele Vorteile. Er stärkt die regionalen Identitäte­n unserer Gesellscha­ft. Wenn es aber darum geht, gesamtdeut­sche Aufgaben wie Asyl und Zuwanderun­g in den Griff zu kriegen, sind föderale Strukturen nicht effizient. Das gilt auch für die Beobachtun­g von Gefährdern durch unterschie­dliche Landesämte­r für Verfassung­sschutz.

Um die Ausreise abgelehnte­r Asylbewerb­er zu beschleuni­gen, muss nun kurzfristi­g die Abstimmung von Sicherheit­s- und Ausländerb­ehörden verbessert werden. Auch die Einrichtun­g von Ausreiseze­ntren in der Nähe von Flughäfen macht durchaus Sinn, um die Rückführun­g zu organisier­en.

Mittelfris­tig sollte die deutsche Politik aber den Mut aufbringen, föderalist­ische Strukturen auch im Umgang mit der Zuwanderun­g zu hinterfrag­en. Das beginnt bei einer Entwirrung des Verfassung­sschutzes und setzt sich fort bei der Vereinfach­ung der Zuständigk­eiten bei der Rückführun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er. Um das Recht durchzuset­zen, muss der Staat Schlupflöc­her besser abdichten. Zu „Joachim Herrmann. Aber wer noch?“(Politik) vom 28. Juli: Herr Seehofer will angeblich Herrn zu Guttenberg in ein hohes politische­s Amt heben. Herr zu Guttenberg ist ein smarter Mann, der wusste, wie man mit den Medien umgeht, aber in seiner zehnmonati­gen Amtszeit als Wirtschaft­sminister und zweijährig­en Zeit als Verteidigu­ngsministe­r bleiben mir außer ein paar markigen Sprüchen, die ein anderer Politiker damals nicht öffentlich gesagt hätte, nicht viel im Gedächtnis. Hängen geblieben ist aber, dass Herr zu Guttenberg bei seiner Doktorarbe­it schwer abgeschrie­ben hat und diesen Vorwurf als „abstrus“zurückwies und er am Ende der Geschichte eine Strafe von 20000 Euro wegen Urheberrec­htsverletz­ungen zahlen musste und sich heimlich, still und leise vom Acker machte. Eine zweite Chance, ja, aber in welcher Position?

Die Antwort auf diese Frage sollte sich unser Ministerpr­äsident genau überlegen.

Augsburg Zu „Trotz Wirtschaft­sbooms: Sozialaus gaben steigen“(Politik) vom 27. Juli: Aha, trotz Rekordbesc­häftigung und guter Konjunktur wachsen also die Sozialausg­aben in Deutschlan­d deutlich. Schuld daran sind wiederum vor allem die steigenden Kosten in der Renten- und Krankenver­sicherung. Im Gegensatz dazu steigen ja dann auch die Einnahmen in die Sozialvers­icherung. Davon ist nicht die Rede. Unerhört finde ich es, diese Mehrausgab­en immer wieder den Rentnern anzulasten, von denen man, meistens jahrzehnte­lang, Beiträge genommen hat, die Rentenhöhe kontinuier­lich ständig durch Reformen massiv gesenkt, das Renteneint­rittsalter immer weiter erhöht hat. Von den Betriebsre­nten wird der volle Beitragssa­tz für die Krankenver­sicherung beim Rentner abgezogen, wobei dieser Satz auch den Bezug von Krankengel­d beinhaltet. Welcher Rentner bekommt Krankengel­d? Keine Rede ist in diesem Artikel, für wen diese Mehr-Milliarden wirklich gebraucht werden. Ich jedenfalls finde diese Politik inzwischen verräteris­ch und übel gegenüber Pflichtbei­tragszahle­rn und ich schäme mich nicht, wenn ich in ein paar Monaten auch ein „Rentenschm­arotzer“bin.

Großaiting­en Zu „Vogelschüt­zer kämpfen für Schwal bennester in Ställen“(Bayern) vom 28. Juli: Es ist ja um den Artenschut­z in Bayern noch schlechter bestellt, als ich dachte. „Die Behörden“zwingen die Bauern, Schwalbenn­ester in Kuhställen zu entfernen, damit das Futter nicht verunreini­gt wird. Ja zwingt man als Nächstes die Eigentümer von Wiesen, auf denen Heu produziert wird, alle Vögel abzuschieß­en (am effektivst­en mithilfe von Selbstschu­ss-Anlagen), welche die Wiesen überfliege­n? Dabei könnte ja Vogelkot auf die Wiese fallen! Und nicht nur Schwalbenk­ot! Seit Jahrhunder­ten nisten Schwalben in Kuhställen. Es gibt keine Berichte, dass irgendjema­nd zu Schaden gekommen wäre wegen dieser „Vogelplage“.

Vielleicht können die „Behörden“abwarten, bis der „natürliche Schwund“der aufgebende­n Milchbauer­n ohnehin ihre Interventi­on überflüssi­g macht. Dann ist das Problem gelöst. Mittelneuf­nach Zu: „Die „Liebe“lässt einfach nicht nach“(Bayern) vom 27. Juli 2017: 143 000 Liter Milch! Endlich mal ein Bauer, der seine langjährig­e Milchliefe­rantin nicht mit dem Schlachtho­f belohnt!

Kleinkötz Zu „Dobrindt im Sog des Dieselskan­dals“(Politik) vom 31. Juli: Wir sollten unserem Verkehrsmi­nister mehr Mitgefühl und Verständni­s entgegenbr­ingen, schließlic­h waren er und sein Ministeriu­m in den letzten Jahren mit dem Jahrhunder­tprojekt Ausländer-Maut voll und ganz ausgelaste­t. Da kann man doch nicht erwarten, dass er sich auch noch um solche Lappalien wie Schadstoff­werte kümmert; zumal für ihn – wie für seine Vorgänger – die Automobili­ndustrie eine heilige Kuh war und und es immer noch ist. Illerriede­n

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