Wie die „Landshut“nach Hause kommt
Das Geiseldrama von Mogadischu machte die Lufthansa-Maschine weltberühmt. Jahrelang rottete das Flugzeug in Brasilien vor sich hin. Jetzt kehrt es nach Deutschland zurück. Am Bodensee soll es eine neue Heimat finden. Doch damit sind längst nicht alle Prob
Von der brasilianischen Millionenstadt Fortaleza aus kann man nach Buenos Aires fliegen, nach Lissabon und einmal die Woche sogar nach Frankfurt am Main. Friedrichshafen steht nicht auf dem Flugplan. Bald aber werden sie hier, im äußersten Nordosten Brasiliens, eine Ausnahme machen. Dann wird eine Antonow An-124 landen, das größte in Serie gebaute Frachtflugzeug. Es wird seine riesige Luke öffnen und einen großen Haufen Schrott in seinem Bauch aufnehmen – Rumpf, Tragflächen, Triebwerke und Seitenflosse einer alten Boeing 737. Jener Maschine, Aus der hinteren Tür wurde die Leiche des Flugkapitäns Jürgen Schumann über eine Notrutsche heruntergelassen. Die Terroristen hatten ihn erschossen. Wenig später fand das Geiseldrama ein Ende, als die deutsche Anti-Terror-Einheit GSG 9 die Maschine stürmte und die 82 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder befreite.
Fast 40 Jahre sind seither vergangen. Jahre, in denen die „Landshut“viel erlebt hat. Bis 1985 war sie noch im regulären Liniendienst der Lufthansa, dann wechselte sie mehrmals den Eigentümer. Ihre letzten Flüge absolvierte sie 2008 als Frachtmaschine unter brasilianischer Flagge. Seither steht sie auf dem FlugzeugFriedhof in Fortaleza – die Fenster sind kaputt, die Reifen platt, die Sitze ausgebaut, die Maschine seit Jahren flugunfähig. Jahrelang hat sich in Deutschland kaum jemand Gedanken darüber gemacht. Doch nun, rechtzeitig bevor sich die Befreiung der „Landshut“zum 40. Mal jährt, soll sie nach Friedrichshafen kommen und dort später restauriert werden.
Vorher aber muss eine Gruppe von Lufthansa-Technikern die „Landshut“erst einmal verladebereit machen. Die Hauptaufgabe wird sein, die Tragflächen vom Rumpf zu lösen, erklärt der Historiker und Autor Matthias Rupps, von dem die Idee stammt, das Wrack als Erinnerungsort zu retten. „Das ist aber keine schwierige Aufgabe“, sagt er. „Schließlich ist das noch traditioneller Flugzeugbau.“
Nach heutigen Maßstäben ist die Boeing 737 in der Anfangsversion kein Hightech-Flieger. Damals wurde in den Jets kaum Elektronik, geschweige denn in der Hülle leichte Kohlefaser verbaut. Aluminiumblech und Stahllegierungen reichten aus. Die Techniker müssen also, vereinfacht gesprochen, nur die Nieten am Flächen-Rumpfübergang lösen, die Steuerseile aus Draht trennen, mit denen Querruder und Klappen der Tragflächen bewegt werden, und die Stahlbolzen herausschlagen, mit denen der Flügelholm am Rumpf befestigt ist. Die Vorbereitung der Arbeit, die mit Hebekran und Haltegurten ablaufen werden, dürfte mehr Zeit in Anspruch nehmen als die eigentliche Demontage. Rund drei Tage sind dafür veranschlagt.
Im Frühjahr noch hatte es nach einer ganz anderen, kleinen Lösung für die „Landshut“ausgesehen. Da landete eine Delegation des Bundeskriminalamtes (BKA) in Fortaleza. Sie interessierte sich für einzelne Teile der Boeing wie Türen oder Leitwerk. Die Originalteile sollten dazu dienen, in Deutschland an die erfolgreiche Erstürmung der Maschine und den legendären Einsatz der Spezialeinheit GSG 9 zu erinnern. Von einem Kaufpreis von 25 000 Euro soll damals die Rede gewesen sein. Es kam anders – und günstiger. Das Auswärtige Amt erWelt: warb schließlich das ganze Flugzeug für 75 936 brasilianische Real – umgerechnet etwa 20000 Euro. Ein Schnäppchen, denn das entspricht in etwa dem Wert des Schrotts.
Doch dabei wird es nicht bleiben. Das Zerlegen der Maschine und die Überführung an den Bodensee dürften viel Geld verschlingen. Nach Angaben der Bild-Zeitung, die sich laut Insidern als Sponsor eingebracht und das Geld zunächst vorgestreckt haben soll, liegen die Kosten bei rund zwei Millionen Euro. Dafür geht jetzt alles ganz schnell: Noch im August soll Außenminister Sigmar Gabriel die „Landshut“in Friedrichshafen willkommen heißen. Und bereits zum 40. Jahrestag der Geiselbefreiung am 18. Oktober will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Maschine auf einer Freifläche neben dem Dornier-Museum präsentieren.
Man könnte auch sagen: Das Projekt wurde in Berlin auf dem kleinen Dienstweg umgesetzt. Denn wäre man den offiziellen Weg gegangen, ist von Eingeweihten zu erfahren, hätte man den Auftrag für den Transport der „Landshut“europaweit ausschreiben müssen. Es hätte die Sache um Monate verzögert. Klar ist aber auch: Selbst wenn die Finanzierung des Rücktransports gesichert ist, wird das Projekt noch viel Geld kosten. Vermutet wird, dass die Lufthansa die Maschine zumindest äußerlich zum alten Kranich-Flieger umspritzt. Dann aber muss die „Landshut“erst zum begehbaren Denkmal umgebaut werden. Und es braucht eine Halle, in der das Ausstellungsstück untergebracht wird. Von weiteren vier Millionen Euro Kosten ist die Rede. Wer das zahlen soll, ist offen. Fest steht nur: Das Dornier-Museum sieht sich dazu nicht in der Lage.
Das Auswärtige Amt äußert sich auf Anfrage recht allgemein und, wie es seine Art ist, diplomatisch: „Es soll eine Spendensammlung geben, die gemeinsam von der Dornier-Stiftung, der Lufthansa, der Bild-Zeitung und dem Auswärtigen Amt initiiert wird.“Die „Landshut“, heißt es weiter, sei „gelebte Geschichte für alle Menschen in Deutschland“. Daher wünsche man sich, dass sie ein „Gemeinschaftsprojekt der Deutschen wird“. Eines, für das die Menschen auch bereit sind, Geld zu spenden.
Also eine Art Nationalspende aller Deutschen, damit die „Landshut“und ihre bewegte Geschichte am Bodensee ausgestellt werden können? So weit will Museumsdirektor David Dornier nicht gehen. Er ist erst einmal froh über die Entscheidung des Außenministeriums. „Diese Attraktion wird viele Besucher in die Stadt Friedrichshafen und an den Bodensee locken.“Fest steht für ihn auch, dass die „Landshut“für die Öffentlichkeit zugänglich sein muss. Wie das gehen soll, wie genau aus dem Flugzeugwrack ein Museum werden kann, steht noch nicht fest. Erste Details will Dornier morgen präsentieren. Einfach wird es nicht, so ein Konzept zu entwerfen, sagt Historiker Rupps: „Es muss die Würde, aber auch die Tragik, die mit diesem Flugzeug verbunden sind, abbilden. Zugleich wollen wir aber auch junge Leute erreichen, die die Ereignisse nur aus Geschichtsbüchern kennen.“
Dornier und Rupps, die gemeinsam daran gearbeitet haben, die „Landshut“nach Friedrichshafen zu holen, stehen auch in engem Kontakt zu den damaligen CrewMitgliedern, die das Geiseldrama miterlebt haben. Wie Jürgen Vietor, heute 74, damals der Co-Pilot, der die Maschine nach Mogadischu steuern musste, nachdem die Terroristen