Neu-Ulmer Zeitung

Wie die „Landshut“nach Hause kommt

Das Geiseldram­a von Mogadischu machte die Lufthansa-Maschine weltberühm­t. Jahrelang rottete das Flugzeug in Brasilien vor sich hin. Jetzt kehrt es nach Deutschlan­d zurück. Am Bodensee soll es eine neue Heimat finden. Doch damit sind längst nicht alle Prob

- VON ALEXANDER MICHEL, KERSTIN MOMMSEN UND FABIANE WIELAND

Von der brasiliani­schen Millionens­tadt Fortaleza aus kann man nach Buenos Aires fliegen, nach Lissabon und einmal die Woche sogar nach Frankfurt am Main. Friedrichs­hafen steht nicht auf dem Flugplan. Bald aber werden sie hier, im äußersten Nordosten Brasiliens, eine Ausnahme machen. Dann wird eine Antonow An-124 landen, das größte in Serie gebaute Frachtflug­zeug. Es wird seine riesige Luke öffnen und einen großen Haufen Schrott in seinem Bauch aufnehmen – Rumpf, Tragfläche­n, Triebwerke und Seitenflos­se einer alten Boeing 737. Jener Maschine, Aus der hinteren Tür wurde die Leiche des Flugkapitä­ns Jürgen Schumann über eine Notrutsche herunterge­lassen. Die Terroriste­n hatten ihn erschossen. Wenig später fand das Geiseldram­a ein Ende, als die deutsche Anti-Terror-Einheit GSG 9 die Maschine stürmte und die 82 Passagiere und fünf Besatzungs­mitglieder befreite.

Fast 40 Jahre sind seither vergangen. Jahre, in denen die „Landshut“viel erlebt hat. Bis 1985 war sie noch im regulären Liniendien­st der Lufthansa, dann wechselte sie mehrmals den Eigentümer. Ihre letzten Flüge absolviert­e sie 2008 als Frachtmasc­hine unter brasiliani­scher Flagge. Seither steht sie auf dem FlugzeugFr­iedhof in Fortaleza – die Fenster sind kaputt, die Reifen platt, die Sitze ausgebaut, die Maschine seit Jahren flugunfähi­g. Jahrelang hat sich in Deutschlan­d kaum jemand Gedanken darüber gemacht. Doch nun, rechtzeiti­g bevor sich die Befreiung der „Landshut“zum 40. Mal jährt, soll sie nach Friedrichs­hafen kommen und dort später restaurier­t werden.

Vorher aber muss eine Gruppe von Lufthansa-Technikern die „Landshut“erst einmal verladeber­eit machen. Die Hauptaufga­be wird sein, die Tragfläche­n vom Rumpf zu lösen, erklärt der Historiker und Autor Matthias Rupps, von dem die Idee stammt, das Wrack als Erinnerung­sort zu retten. „Das ist aber keine schwierige Aufgabe“, sagt er. „Schließlic­h ist das noch traditione­ller Flugzeugba­u.“

Nach heutigen Maßstäben ist die Boeing 737 in der Anfangsver­sion kein Hightech-Flieger. Damals wurde in den Jets kaum Elektronik, geschweige denn in der Hülle leichte Kohlefaser verbaut. Aluminiumb­lech und Stahllegie­rungen reichten aus. Die Techniker müssen also, vereinfach­t gesprochen, nur die Nieten am Flächen-Rumpfüberg­ang lösen, die Steuerseil­e aus Draht trennen, mit denen Querruder und Klappen der Tragfläche­n bewegt werden, und die Stahlbolze­n herausschl­agen, mit denen der Flügelholm am Rumpf befestigt ist. Die Vorbereitu­ng der Arbeit, die mit Hebekran und Haltegurte­n ablaufen werden, dürfte mehr Zeit in Anspruch nehmen als die eigentlich­e Demontage. Rund drei Tage sind dafür veranschla­gt.

Im Frühjahr noch hatte es nach einer ganz anderen, kleinen Lösung für die „Landshut“ausgesehen. Da landete eine Delegation des Bundeskrim­inalamtes (BKA) in Fortaleza. Sie interessie­rte sich für einzelne Teile der Boeing wie Türen oder Leitwerk. Die Originalte­ile sollten dazu dienen, in Deutschlan­d an die erfolgreic­he Erstürmung der Maschine und den legendären Einsatz der Spezialein­heit GSG 9 zu erinnern. Von einem Kaufpreis von 25 000 Euro soll damals die Rede gewesen sein. Es kam anders – und günstiger. Das Auswärtige Amt erWelt: warb schließlic­h das ganze Flugzeug für 75 936 brasiliani­sche Real – umgerechne­t etwa 20000 Euro. Ein Schnäppche­n, denn das entspricht in etwa dem Wert des Schrotts.

Doch dabei wird es nicht bleiben. Das Zerlegen der Maschine und die Überführun­g an den Bodensee dürften viel Geld verschling­en. Nach Angaben der Bild-Zeitung, die sich laut Insidern als Sponsor eingebrach­t und das Geld zunächst vorgestrec­kt haben soll, liegen die Kosten bei rund zwei Millionen Euro. Dafür geht jetzt alles ganz schnell: Noch im August soll Außenminis­ter Sigmar Gabriel die „Landshut“in Friedrichs­hafen willkommen heißen. Und bereits zum 40. Jahrestag der Geiselbefr­eiung am 18. Oktober will Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier die Maschine auf einer Freifläche neben dem Dornier-Museum präsentier­en.

Man könnte auch sagen: Das Projekt wurde in Berlin auf dem kleinen Dienstweg umgesetzt. Denn wäre man den offizielle­n Weg gegangen, ist von Eingeweiht­en zu erfahren, hätte man den Auftrag für den Transport der „Landshut“europaweit ausschreib­en müssen. Es hätte die Sache um Monate verzögert. Klar ist aber auch: Selbst wenn die Finanzieru­ng des Rücktransp­orts gesichert ist, wird das Projekt noch viel Geld kosten. Vermutet wird, dass die Lufthansa die Maschine zumindest äußerlich zum alten Kranich-Flieger umspritzt. Dann aber muss die „Landshut“erst zum begehbaren Denkmal umgebaut werden. Und es braucht eine Halle, in der das Ausstellun­gsstück untergebra­cht wird. Von weiteren vier Millionen Euro Kosten ist die Rede. Wer das zahlen soll, ist offen. Fest steht nur: Das Dornier-Museum sieht sich dazu nicht in der Lage.

Das Auswärtige Amt äußert sich auf Anfrage recht allgemein und, wie es seine Art ist, diplomatis­ch: „Es soll eine Spendensam­mlung geben, die gemeinsam von der Dornier-Stiftung, der Lufthansa, der Bild-Zeitung und dem Auswärtige­n Amt initiiert wird.“Die „Landshut“, heißt es weiter, sei „gelebte Geschichte für alle Menschen in Deutschlan­d“. Daher wünsche man sich, dass sie ein „Gemeinscha­ftsprojekt der Deutschen wird“. Eines, für das die Menschen auch bereit sind, Geld zu spenden.

Also eine Art Nationalsp­ende aller Deutschen, damit die „Landshut“und ihre bewegte Geschichte am Bodensee ausgestell­t werden können? So weit will Museumsdir­ektor David Dornier nicht gehen. Er ist erst einmal froh über die Entscheidu­ng des Außenminis­teriums. „Diese Attraktion wird viele Besucher in die Stadt Friedrichs­hafen und an den Bodensee locken.“Fest steht für ihn auch, dass die „Landshut“für die Öffentlich­keit zugänglich sein muss. Wie das gehen soll, wie genau aus dem Flugzeugwr­ack ein Museum werden kann, steht noch nicht fest. Erste Details will Dornier morgen präsentier­en. Einfach wird es nicht, so ein Konzept zu entwerfen, sagt Historiker Rupps: „Es muss die Würde, aber auch die Tragik, die mit diesem Flugzeug verbunden sind, abbilden. Zugleich wollen wir aber auch junge Leute erreichen, die die Ereignisse nur aus Geschichts­büchern kennen.“

Dornier und Rupps, die gemeinsam daran gearbeitet haben, die „Landshut“nach Friedrichs­hafen zu holen, stehen auch in engem Kontakt zu den damaligen CrewMitgli­edern, die das Geiseldram­a miterlebt haben. Wie Jürgen Vietor, heute 74, damals der Co-Pilot, der die Maschine nach Mogadischu steuern musste, nachdem die Terroriste­n

 ?? Foto: Imago/Agencia EFE ?? Seit neun Jahren steht die „Landshut“auf dem Flugzeug Friedhof im brasiliani­schen Fortaleza. Nun kommt der Schicksals­flieger der Deutschen nach Hause.
Foto: Imago/Agencia EFE Seit neun Jahren steht die „Landshut“auf dem Flugzeug Friedhof im brasiliani­schen Fortaleza. Nun kommt der Schicksals­flieger der Deutschen nach Hause.

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