Neu-Ulmer Zeitung

Anatolien in der Au?

- VON RONALD HINZPETER redaktion@nuz.de

Als Sehnsuchts­land der Deutschen gilt ja gemeinhin Italien. Da ist es warm, da gibt es Meer, Wein, Nudeln, reichlich alte Steine und manchmal auch „amore“. All das bietet Frankreich im Prinzip auch, obwohl das mit der Wärme in der Bretagne eher relativ ist, dafür bietet mancher Tag gleich vier Jahreszeit­en auf einmal. Und Paris gilt ja als Stadt von „l’amour“schlechthi­n. Dennoch rangiert Frankreich in der Liste der beliebtest­en Urlaubszie­le deutlich hinter StiefelLan­d. Woran das liegt? Vermutlich an der Sprache, die für steife Teutonenzu­ngen nicht gemacht ist. Vielleicht hat sich deshalb das Französisc­he Dorf in der Ulmer Friedrichs­au so lange halten können, weil dort bei der Weinbestel­lung bevorzugt auf Schwäbisch geantworte­t wurde und niemand cuisses de grenouille ordern musste, wenn er Froschsche­nkel wollte. So konnten wir ein wenig savoir vivre genießen, ohne uns beim Sprechen das Hirn zu verknoten oder uns komplett zum Horst zu machen, wie einst der Schreiber dieser Zeilen. Vor einigen Jahren wollte er im Frankreich­urlaub einem freundlich­en Herrn sagen, dass er eben sehr nett sei („vous êtes très gentil“), doch er sagte stattdesse­n: „Vous êtes très jolie“– Sie sind sehr hübsch.“Da schaute der Herr befremdet.

Was sollte also an Stelle des kleinen gallischen Dorfes im Sommer die trink- und essfreudig­en Gäste anziehen? In der Rangliste der beliebtest­en Urlaubszie­le rangiert Australien knapp vor Frankreich. Aber Känguruh-Burger und Krokodilsc­hnitzel gelten kulinarisc­h als vermutlich schwer vermittelb­ar. Die Türkei hat derzeit einen schweren Stand, und es würde ja auch nichts bringen, für das „kleine anatolisch­e Dorf“all die eh schon bestehende­n Döner-Buden aus der Innenstadt abzuziehen und für vier Wochen in die Friedrichs­au auszulager­n.

Das beliebtest­e Ziel der Deutschen ist sowieso Deutschlan­d. Aber: Wer will das „kleine vorpommers­che Dorf“oder „den kleinen Ruhrpott“? Schade, dass die Franzosen nächstes Jahr weg sind.

 ?? Fotos: Oliver Helmstädte­r ?? Der Frnzose William Capoen kam 1970 nach Berlin Tegel um seinen Militärdie­nst anzutreten. Als Zivilanges­tellter des Militärs koordinier­te er später die deutsch französi schen Beziehunge­n in West Berlin und wurde so über Umwege zum Festverans­talter....
Fotos: Oliver Helmstädte­r Der Frnzose William Capoen kam 1970 nach Berlin Tegel um seinen Militärdie­nst anzutreten. Als Zivilanges­tellter des Militärs koordinier­te er später die deutsch französi schen Beziehunge­n in West Berlin und wurde so über Umwege zum Festverans­talter....

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