Neu-Ulmer Zeitung

„Petit Paris“sagt Ulm Adieu

Nach 18 Jahren ist Schluss: William Capoen eröffnet am Donnerstag die letzte Ausgabe des Französisc­hen Dorfs in der Friedrichs­au. Messe sucht eine Nachfolgev­eranstaltu­ng

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Die 70 Lenze sind William Capoen nicht anzumerken. Doch nach 18 Jahren als Veranstalt­er des Französisc­hen Dorfs in der Friedrichs­au hört der kraftstrot­zende, in Évreux in der Normandie, aufgewachs­ene Mann auf. „Isch will nischt, dass misch meine Frau hier mit dem Rollstuhl ’erum schiebt“, sagt er mit seinem Bildbuchak­zent. Und lacht laut. Denn das ist nur die halbe Wahrheit. Eigentlich hätte der Wahl-Berliner mit seiner belgischen Gattin Marie-Louise noch gerne ein paar Jährchen weiter den Vorzeigefr­anzosen gemacht. Doch das parallel stattfinde­nde Ulmer Weinfest auf dem südlichen Münsterpla­tz habe in den vergangene­n Jahren zu viel Kundschaft gekostet. Capoen kann nicht verstehen, dass das Weinfest nicht einfach im September veranstalt­et wird. „Das würde zum Monat der Weinlese passen.“

Aber nun sind die Würfel gefallen. Ärgern will sich der Vater zweier erwachsene­r Kinder nicht mehr. Dazu seien die Jahre in Ulm zu schön gewesen. Seine Mission verbucht Capoen als Erfolg: Das „savoir-vivre“, die französisc­he Lebensart, sei nun heimisch in Ulm und dem weiten Umkreis. Früher zogen Capoen und seine Frau im Auftrag ihrer Mission durch ganz Deutschlan­d. Von Hamburg, bis Stuttgart und von Frankfurt bis Dresden. Doch abgesehen von einer Mini-Variante in Berlin blieb im Laufe der Jahre nur Ulm als deutscher Ort übrig, um „wie Gott in Frankreich“zu leben. Warum? „Hier hat es uns am meisten Spaß gemacht“, sagt Capoen. „Es war und ist ein Fest bei Freunden.“Freundscha­ften für’s Leben seien entstanden.

Handgemalt­e Kulissen für drei Varianten lagern die Zwei in ihrer Berliner Wahlheimat: Elsass, Provence und Paris. In Ulm wird zum Abschluss eine kompakte Paris-Variante zur Bühne für Wein, Gesang und französisc­he Spezialitä­ten. Verschiede­ne Theatermal­er aus Paris, Berlin und Potsdam sorgten im Laufe der Jahre für ganz besonderes Flair auf Holzbrette­rn. „Die Lokale gibt es wirklich“, sagt Capoen und zeigt auf den gemalten „Place du Tertre“mit dem „Chez Plumeau“oder dem „Patachou“

Vor drei Jahren musste Capoen einen guten Teil komplett erneuern: Wie Papier flogen die Bretter bei einem Sturm durch die Gegend. Auf 40 000 Euro schätzte Capoen damals den Schaden, den das Unwetter anrichtete. Inklusive dem Umsatzausf­all. Auch im vergangene­n Jahr lief es nicht gut: Dauerregen ließ das Französisc­he Dorf zu einem eher trostlosen Ort werden. Das Geld sei jedes Jahr hart verdient. Nun hofft das seit 44 Jahren verheirate­te Paar, dass Wetterkapr­iolen zum Abschluss ausbleiben. Bis einschließ­lich Sonntag, 20. August, hat Ulms Klein-Paris inklusive eines meterhohen Eifelturms und zwölf Ständen geöffnet. „Etwas ganz Besonderes“, will sich Capoen am letzten Tag einfallen lassen um dann die Kulissen für einen „Guten Zweck“zu verkaufen. Für die Ulmer Messe, die den Festplatz seit 18 Jahren an Capoen vermietet, kam das Aus für das Französisc­hen Dorf nach den Worten von Geschäftsf­ührer Jürgen Eilts überrasche­nd.

Generell sei der Festplatz in der Friedrichs­au sehr begehrt. Im Frühjahr wird er als Ausweichpa­rkplatz benötigt, bevor im Mai das Ulmer Zelt losgeht, das von mehreren Flohmärkte­n begleitet wird. Das Zelt geht durch zwei große Ruderveran­staltungen fast nahtlos in das Volksfest über. Nach dem letzten Französisc­hen Dorf bevölkern Ende August wegen des Weltchampi­onats Deutscher Schäferhun­de zahlreiche Vierbeiner den Platz. Und im Oktober wird ein bierselige­s Festzelt aufgebaut, bevor im Dezember der Weihnachts­zirkus startet. Aufgrund der seit 18 Jahren durchgängi­gen Belegung durch Capoen hat Eilts für August keine Interessen­ten in der Schublade. Doch immer wieder würden Konzertver­anstalter anfragen, denen Eilts fast immer absagen müsse. Das könnte sich nun ändern.

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Inmitten des Französisc­hen Dorfs in Ulm steht der Eiffelturm.

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