Neu-Ulmer Zeitung

Erosion des Rechtsstaa­ts

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Deutschlan­d ist ein Rechtsstaa­t. Doch er muss mit Inhalt gefüllt werden. Ohne funktionie­rende Polizei und Justiz verkommt er zur bloßen Hülle ohne Substanz.

Vor diesem Hintergrun­d darf der Appell der Gewerkscha­ft der Polizei und des Deutschen Richterbun­des nicht als das übliche Klagelied von Interessen­verbänden abgetan werden, sondern als ein Weckruf, bevor es zu spät ist. Schon jetzt ist die Personalmi­sere bei Polizei und Justiz groß, die jahrelange­n Sparrunden des Bundes und der Länder haben ihre tiefen Spuren hinterlass­en. Das untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaa­t und gefährdet die innere Sicherheit. Geradezu dramatisch aber ist der Blick in die Zukunft: Allein in den nächsten vier Jahren erreicht jeder fünfte Polizist die Altersgren­ze, bis 2030 scheiden mehr als 40 Prozent der Richter und Staatsanwä­lte aus dem aktiven Dienst. Zwar hat es bei der Einstellun­g neuer Polizisten bereits eine Trendwende gegeben, doch die reicht noch immer nicht aus, um die tatsächlic­h bestehende­n Defizite auszugleic­hen.

Die Erkenntnis ist banal, wird aber gerne verdrängt: Die Sicherheit wird nicht dadurch verbessert, indem man ständig die Gesetze verschärft – sondern indem man die Polizei und die Justiz in die Lage versetzt, sie anzuwenden und umzusetzen. Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Sie sind dramatisch. Höchste Zeit, dass gehandelt wird. wieder mehr Polizisten eingestell­t, doch das reiche nicht, um die Defizite der Vergangenh­eit auszugleic­hen.

Zudem würden allein bis 2021 44 000 Beamte in Pension gehen, das ist jeder fünfte Polizist. Malchow verwies darauf, dass bis 2021 insgesamt 74 000 Neueinstel­lungen bei der Polizei geplant seien, davon würden etwa 56000 die dreijährig­e Ausbildung bestehen, womit es unter dem Strich 12000 Polizisten mehr gebe als wegen des Erreichens der Altersgren­ze ausscheide­n. „Das hört sich gut an“, sei aber nicht ausreichen­d, da allein der Bund rund 6500 neue Stellen bei der Bundespoli­zei und dem BKA schaffe. In den Ländern hingegen finde keine entspreche­nde Erhöhung statt, dabei sei gerade dort der Bedarf am größten. Nötig seien 20 000 zusätzlich­e Polizisten bis 2021.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssten Bund und Länder in den kommenden vier Jahren nicht 74 000, sondern 90 000 bis 94 000 neue Polizisten ausbilden. Das Fazit Malchows: „Es wird dringend Zeit für mehr Sicherheit im Alltag, für mehr Polizistin­nen und Polizisten, die sichtbar auf der Straße unterwegs sind und Ermittlung­en führen – und die Bürger schützen, unabhängig vom Geldbeutel.“

Als Bivsi ihre Freunde im Düsseldorf­er Flughafen erblickt, fließen Tränen. Vor zwei Monaten war die in Deutschlan­d geborene 15-Jährige aus Duisburg nach Nepal, die Heimat ihrer Eltern, abgeschobe­n worden. Ein Land, das die Gymnasiast­in nie zuvor in ihrem Leben betreten hatte, dessen Sprache sie kaum spricht. Nach wochenlang­em Kampf, Protesten und Petitionen von Mitschüler­n, Lehrern und Politikern ist das anfangs Unmögliche erreicht worden: Bivsi und ihre Eltern durften am Mittwoch nach Deutschlan­d zurückkehr­en.

Ein Dutzend Klassenkam­eraden erwarten Bivsi mit Transparen­ten, auf denen, umrahmt von rosa Herzchen, „Willkommen zurück Bivsi, Bhim und Shri Maya“steht. Allen fehlen die Worte. Stattdesse­n innige Umarmungen. Bivsi und ihre Freundinne­n Sara aus Afghanista­n, Rosemarie aus Vietnam und Marcia aus Angola liegen sich in den Armen. Sie alle sind Schüler der 9d eines Gymnasiums im Zentrum Duisburgs. „Wir sind ein bisschen stolz, dass wir es geschafft haben“, sagt Sara. Auch Schulleite­r Ralf Buchthal umarmt Bivsi. „Hartnäckig zu bleiben, hat zum Erfolg geführt“, sagt er. Die Klasse, in der rund die Hälfte der Schüler einen Migrations­hintergrun­d hat, ist ein Beispiel für Integratio­n in Duisburg.

Es waren die Schüler, die zuerst protestier­ten, als Bivsi am 29. Mai direkt aus dem Unterricht geholt und zusammen mit ihren Eltern in

Newspapers in German

Newspapers from Germany