Neu-Ulmer Zeitung

Mitreißend­e „Steinflut“

Alfred und Eka Bradler aus Ulm haben mit ihrem spektakulä­ren Projekt in der Schweiz große Aufmerksam­keit erregt. Nun ist es sogar Teil eines renommiert­en Kunst-Festivals

- VON MARCUS GOLLING

Man muss gar nicht auf den Berg steigen, um sich von der „Steinflut“beeindruck­en zu lassen. Es geht auch vom Silsersee aus, wie der Künstler Alfred Bradler berichtet: „Die Bootsführe­r der Fähren tun in der Mitte ein bisschen langsam, damit sich die Leute das ansehen und fotografie­ren können.“Dass das überhaupt noch möglich ist, können Bradler und seine Frau und Arbeitspar­tnerin Eka als Erfolg verbuchen.

Denn eigentlich sollte die „Steinflut“, eine Land-Art-Installati­on am Fuße des 3165 Meter hohen Piz Lagrev bei Sils im Schweizer Oberengadi­n, längst wieder abgebaut sein. Im Juni legte das Ulmer Künstlereh­epaar los und befestigte eigenhändi­g rund 1500 dünne rote Stoffdecke­n auf den Felsbrocke­n einer 4000 Hektar großen Geröllhald­e. Von unten betrachtet sollte so der Eindruck eines roten Stroms zum Tal hin entstehen. Eine Knochenarb­eit, wie sich der aus Österreich stammende Alfred Bradler, Jahrgang 1942, erinnert. „Wir haben jeden Tag 700 Kilogramm Steine mit den Händen bewegt.“Drei Wochen lang. Davon hatten die Bradlers zwei Jahre gebraucht, um die nötigen Genehmigun­gen einzuholen. Das alles für ein Projekt, das ursprüngli­ch nur zweieinhal­b Wochen laufen sollte – bis 9. Juli.

Doch es kam anders. Noch während der Bauarbeite­n überbracht­e die örtliche Tourismus-Beauftragt­e eine Nachricht aus dem Gemeindera­t: Die „Steinflut“dürfe auf jeden Fall bis Mitte August bleiben. „Darauf hatten wir still gehofft“, so Bradler. Das Duo ist ein wenig stolz, auch die Einheimisc­hen überzeugt zu haben. „Die Engadiner können stur und streng sein“, sagt der in der Region Ulm für seine „Sapri“-Figuren bekannte Künstler. Er habe aber gespürt, dass sich die Menschen in der Region mit dem Werk identifi- zierten. Das sei für ihn entscheide­nd: „Wir haben es für die Menschen dort gemacht, von Anfang an.“

Zwischenze­itlich ist die „Steinflut“– benannt nach einem Buch des Schweizer Autors Franz Hohler – zu weiteren Ehren gekommen. Denn die Installati­on am Berg gehört nun zum Programm des „St. Moritz Art Masters“, kurz SAM. Das Festival präsentier­t jedes Jahr in der letzten Augustwoch­e Kunst an teils ungewöhnli­chen Orten, etwa in Hotels und Kirchen, aber auch unter freiem Himmel. Unter den für 2017 ausgewählt­en Künstler, die zumeist von ihren Galerien präsentier­t werden, befinden sich auch internatio­nale Kunststars wie Pipilotti Rist, Peter Lindbergh und David Hockney. „Das ist die Umgebung, die zu uns passt“, sagt Bradler und lacht. Offenbar war es SAM-Direktor Philipp Noller, der die Installati­on entdeckte, für gut befand und in das Festivalpr­ogramm aufnahm.

Geld bringt das den Bradlers freilich nicht, nur Aufmerksam­keit. Denn die Besichtigu­ng der „Steinflut“, die nun bis September am Piz Lagrev bleiben wird, kostet keinen Eintritt. Dabei hätte das Duo ein wenig Geld gut brauchen können, wie Alfred Bradler zugibt: „Wir haben unseren Etat etwas überzogen.“Das Projekt wurde aus eigenen Mitteln und mit finanziell­er Unterstütz­ung von Sponsoren realisiert. Dazu hat Bradler Ölbilder mit „gemalten Interpreta­tionen“des Themas geschaffen, die in einer Galerie im Oberengadi­ner Dorf Maloja ausgestell­t und verkauft werden.

Anfang September reist das Künstler-Ehepaar wieder nach Sils – zum Abbau. Vier bis fünf Tage werde es dauern, die Decken von den Felsbrocke­n zu entfernen, schätzt Alfred Bradler. Ist das dann der endgültige Abschied von der „Steinflut“? Nicht unbedingt. Denn wie der Künstler erzählt, gebe es weitere Interessen­ten für das Projekt. Die Münchnerin Herlinde Koelbl ist einer der großen Namen der deutschen Fotografie. Bekannt ist sie vor allem für ihre Langzeitpr­ojekte, in denen sie gesellscha­ftliche Zusammenhä­nge offenlegt und damit häufig an Tabus rüttelt. Das Stadthaus zeigt derzeit eine Auswahl von Fotografie­n aus verschiede­nen Serien von den Anfängen bis heute. Heute, Donnerstag, führt Projektlei­terin Karla Nieraad durch die Werkschau der Fotografin. Beginn ist 17.30 Uhr. Um Anmeldung unter Telefon 0731/161-77 00 oder per E-Mail an stadthaus@ulm.de wird gebeten. (az) Mit „Superdrumm­er“Pete York kommt am Samstag, 5. August, ein internatio­nal erfolgreic­her Künstler auf die Sommerbühn­e am Blautopf. Seine Karriere begann in den 1960ern in England mit der Gründung der Spencer Davis Group („Keep on Running“, „Somebody Help Me“). Nach Blaubeuren bringt er Christoph „Boogie Wolf“Steinbach (Piano), Albert Koch (Mundharmon­ika) und Jazzsänger­in Nina Michelle mit, die bereits mit bekannten Musikern wie Max Greger arbeitete. Das Konzert beginnt um 20 Uhr. (az) O

Karten gibt es bei Traffiti in der Neuen Mitte Ulm und unter www.sommerbueh­ne.com.

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Foto: Lorenz Bäuerle/Uptitle Production­s Eine rote Spur in den Schweizer Alpen: die Land Art Installati­on „Steinflut“(großes Bild) von Alfred und Eka Bradler (kleines Bild).
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Herlinde Koelbl

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