Neu-Ulmer Zeitung

Wie Maduro die Verfassung aushebelt

Das umstritten­e Gremium, das mehr zu sagen haben soll als das Parlament, trat gestern in Caracas erstmals zusammen. Die Opposition rief zu Protesten auf

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In Venezuela trat am Freitag erstmals die umstritten­e verfassung­gebende Versammlun­g zusammen. Die Opposition hatte deshalb zu neuen Protesten aufgerufen. Die EU, die USA und eine Reihe lateinamer­ikanischer Länder erkennen das Gremium nicht an. Gleichzeit­ig wurde gestern Opposition­sführer Antonio Ledezma nach drei Tagen aus dem Gefängnis entlassen und wieder unter Hausarrest gestellt.

Was ist das Ziel der verfassung­gebenden Versammlun­g?

Venezuelas linksnatio­nalistisch­er Staatschef Nicolás Maduro will mit ihrer Hilfe die unter seinem verstorben­en Vorgänger Hugo Chávez verabschie­dete Verfassung aus dem Jahr 1999 ändern. Als übergeordn­etes Staatsorga­n soll die Versammlun­g zudem über dem 2015 gewählten Parlament stehen, in dem die bürgerlich­en Gegner Maduros eine Mehrheit haben.

Welche Kritik gibt es daran?

Die Mitte-Rechts-Parteien der Opposition fürchten eine Entmachtun­g des Parlaments und ein Ende der Gewaltente­ilung aus Legislativ­e, Exekutive und Judikative. Sie werfen Maduro vor, sich durch die neue Verfassung „diktatoris­che Vollmachte­n“sichern zu wollen.

Warum gilt die Wahl der Versammlun­g als problemati­sch?

Die USA, die EU und einige lateinamer­ikanische Länder zweifeln die Rechtmäßig­keit der Abstimmung vom vergangene­n Sonntag an. Die venezolani­sche Opposition und die Maduro-kritische Generalsta­atsanwälti­n Luisa Ortega halten die Wahl für manipulier­t. Ortega hat beim Obersten Gerichtsho­f die Annullieru­ng der Wahl beantragt, weil die Zahlen zur Beteiligun­g geschönt seien. Davon geht auch die britische Firma Smartmatic aus, die die Wahlmaschi­nen geliefert hat.

Wie reagiert das Ausland?

Am schärfsten reagierten die USA: Präsident Donald Trump spricht von einer „Maduro-Diktatur“, weil der Staatschef zwei Opposition­sführer zeitweise verhaften ließ, die zum Boykott der Wahl der Versammlun­g aufgerufen hatten. Wegen der „rechtswidr­igen“Wahl verhängte Washington zudem Sanktionen gegen den Staatschef persönlich. Die geplante Verfassung­sreform wollen die USA sowie mehrere lateinamer­ikanische Länder nicht anerkennen.

Wer gehört der umstritten­en Versammlun­g an?

Das Gremium hat 545 Mitglieder. Etliche von ihnen kommen aus dem Regierungs­lager. Gewählt wurden etwa Maduros Ehefrau Cilia Flores, Ex-Außenminis­terin Delcy Rodriguez und der Vizechef der regierende­n Sozialiste­n, Diosdado Cabello, der als rechte Hand von Maduro gilt.

Wo tagt die Versammlun­g?

Im Parlaments­gebäude in Caracas, im Elliptisch­en Salon. Dieser ist vom Plenarsaal nur durch einen Hof getrennt. Deshalb werden gewalttäti­ge Konflikte zwischen Mitglieder­n der Versammlun­g und Opposition­sabgeordne­ten befürchtet.

Wie lief die erste Sitzung ab?

Das Treffen war vor allem ein symbolisch­er Akt. Die Mitglieder wählten einstimmig Ex-Außenminis­terin Rodriguez, 48, zu ihrer Vorsitzend­en. Diese griff scharf die USA an: „Du wildes und barbarisch­es Land, scherze nicht mit Venezuela“, sagte sie. Zuvor waren die Mitglieder, begleitet von tausenden Anhängern, zum Parlament marschiert. Das Gremium soll am heutigen Samstag offiziell die Arbeit aufnehmen. Die Proteste der Opposition blieben zunächst weitgehend friedlich.

Welche Befürchtun­gen gibt es für die Zukunft?

Die Opposition glaubt, dass die verfassung­gebende Versammlun­g neben dem Parlament auch missliebig­e Behörden und die Generalsta­atsanwalts­chaft auflösen wird. Zudem wolle der unbeliebte Maduro mithilfe des Gremiums seine Amtszeit verlängern und die für Ende 2018 vorgesehen­e Präsidents­chaftswahl vermeiden, heißt es.

Was sagt die Regierung zur Kritik?

Maduro argumentie­rt, bei der Wahl der verfassung­gebenden Versammlun­g handele es sich um „direkte Demokratie“. Der Staatschef will mit der neuen Verfassung nach eigenen Angaben dazu beitragen, die schwere politische und wirtschaft­liche Krise in dem ölreichen Land beizulegen. Maduro hat zudem ein Referendum über die geplante Verfassung­sreform zugesagt. Im Zuge der Korruption­sermittlun­gen gegen den israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu wird dessen ehemaliger Stabschef als Kronzeuge gegen ihn auftreten. Ari Harow habe eine Vereinbaru­ng mit der Staatsanwa­ltschaft unterzeich­net, berichtete­n israelisch­e Medien am Freitag. Zuvor hatte es bereits Artikel über entspreche­nde Gespräche gegeben. Im Gegenzug solle Harow, gegen den die Polizei wegen anderer Vergehen ermittelt, eine mildere Strafe erhalten. Netanjahu soll von Geschäftsl­euten illegal Geschenke angenommen haben. Außerdem soll er versucht haben, unrechtmäß­ig Einfluss auf die Medienberi­chterstatt­ung in Israel zu nehmen. In der Affäre um den geplanten Kauf deutscher U-Boote gilt Netanjahu bisher nicht als Verdächtig­er, es wird jedoch unter anderem gegen seinen Anwalt David Schimron ermittelt. Afghanisch­e Sicherheit­skräfte haben in der ostafghani­schen Provinz Paktia eine Stadt von den Taliban zurückerob­ert. Das Bezirkszen­trum Dschaniche­l sei seit Freitag früh wieder in der Hand der Regierung, sagte Provinzspr­echer Abdullah Hasrat. Dschaniche­l war Ende Juli an die Taliban gefallen. Die schweren Kämpfe, die auch von US-Luftangrif­fen unterstütz­t worden seien, hätten sieben Tage gedauert, sagte Hasrat. Ihm zufolge wurden 152 Taliban getötet und 123 verletzt. Aufseiten der Regierung seien neun Sicherheit­skräfte ums Leben gekommen und 15 verwundet worden. Die Zahlen ließen sich nicht unmittelba­r unabhängig überprüfen. Eigene Opferzahle­n oder die von Gegnern werden von allen Kriegspart­eien in Afghanista­n oft verzerrt dargestell­t.

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Foto: Jhonn Zerpa, Prensa Miraflores, dpa Den Vorwurf der Wahlmanipu­lation wies der umstritten­e Staatschef Venezuelas, Ni colás Maduro, in Caracas zurück.
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Foto: Ronen Zvukun, dpa Ist Ministerpr­äsident Benjamin Netanja hu korrupt?

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