Neu-Ulmer Zeitung

„Ich bin strikt gegen pauschale Fahrverbot­e“

Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt erklärt, warum er Software-Updates für ausreichen­d hält, um die Luft in den Innenstädt­en sauberer zu bekommen. Und er sagt, weshalb die Autoindust­rie ihn enttäuscht hat

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Wenn Sie mit Ihrer Frau ins Kino fahren, mit welchem Auto sind Sie da unterwegs? Privatauto. Mit meinem Diesel oder Benziner?

Ich fahre einen zehn Jahre alten Mercedes. Einen 1,8-LiterBenzi­ner.

Da haben Sie Glück gehabt. Wieso? Weil viele jetzt dumm aus der Wäsche gucken, die einen zehn Jahre alten Diesel fahren. Bald dürfen sie vielleicht nicht mehr in die Städte fahren.

Ich bin strikt gegen pauschale Einfahrver­bote. Deswegen lehne ich auch die blaue Plakette ab. Diese würde nämlich ein generelles Einfahrver­bot bedeuten. Meine Kritiker sagen, mit der blauen Plakette wäre alles gelöst. Das klingt sehr verniedlic­hend. Denn ein Aufkleber auf dem Auto verändert nicht das Emissionsv­erhalten des Wagens.

Trotzdem haben sich viele Autofahrer beim Kauf ihres Wagens darauf verlassen, dass sie mit der grünen Plakette in die Umweltzone­n fahren dürfen. Das steht jetzt auf der Kippe.

Wie gesagt, ich lehne pauschale Einfahrver­bote ab. Es sind andere, die das wollen. Ich plädiere dafür, dass wir zwingend Maßnahmen auch in den Städten ergreifen müssen, um die Grenzwerte zu unterschre­iten. Dazu gehört, dass Busse, Taxen, Lieferfahr­zeuge, städtische Flotten – Autos, die sich ständig Busflotten zu erneuern, muss von den Städten getroffen werden. Man kann sie nur unterstütz­en mit finanziell­en Hilfen. Das tue ich gerne. Und dabei sind Sie sicher, dass die Automobili­ndustrie Sie bei den SoftwareUm­stellungen nicht wieder an der Nase herumführt?

25 bis 30 Prozent weniger Stickoxid-Ausstoß werden die Fahrzeuge erreichen. Die Automobili­ndustrie hat die Verantwort­ung, dies auch umzusetzen. Es ist die Industrie, die sich in eine schwierige Lage gebracht hat – ausgehend vom Diesel-Skandal und den Manipulati­onen, über Vorwürfe kartellrec­htlicher Art und natürlich immer wieder neu entdeckten illegalen Abschalt-Einrichtun­gen in den Fahrzeugen. So gibt es in der Tat ein erhebliche­s Misstrauen gegenüber den Automobilk­onzernen. Und deswegen haben diese auch die große Verantwort­ung, dafür zu sorgen, dass wieder Vertrauen entsteht.

Wie stark ist Ihr Misstrauen?

Ich habe jetzt eine zwei Jahre lange Erfahrung mit den Automobilk­onzernen, in denen auch manche Enttäuschu­ngen lagen. Die habe ich nicht vergessen. Was haben Sie in diesen zwei Jahren über die Auto-Bosse gelernt?

Ich glaube, dass wir viel zu viel über die Konzernche­fs reden und viel zu wenig über die 850000 Mitarbeite­r in der Automobili­ndustrie. Die haben nicht manipulier­t oder betrogen. Das waren einige wenige Manager, die mit ihrem Fehlverhal­ten eine ganze Industrie in Misskredit gebracht haben und damit Arbeitsplä­tze riskieren. Ich will, dass Deutschlan­d Auto-Land bleibt und die deutsche Automobili­ndustrie auch noch in den nächsten Jahrzehnte­n zur Weltspitze gehört.

Waren Sie den Konzernche­fs gegenüber zu weich, zu machtlos?

Nein. Ich habe eine klare Linie und diese auch stets vertreten. Manipulati­onen werden aufgedeckt. Illegales Verhalten ist in keiner Weise akzeptabel. Und ich erwarte von der Automobili­ndustrie, dass sie die Scherben aufräumt, den Schaden behebt und dafür sorgt, dass sie als eine der Schlüsseli­ndustrien in Deutschlan­d das verspielte Vertrauen durch offensive Investitio­nen in neue Technologi­en auch wieder zurückgewi­nnt.

Aber das Vertrauen in die Automobil- industrie ist dahin. Was veranlasst Sie, ihr noch zu glauben?

Ich glaube nicht einfach. Ich prüfe es. Wir werden jede Software, die neu zum Einsatz in einem Auto kommt, beim Kraftfahrt­bundesamt prüfen, ob sie die Einsparung­en an NOx erfüllt und gleichzeit­ig keine Verschlech­terung bei den anderen Emissionen wie zum Beispiel Kohlendiox­id und Lärm verursacht.

Wird es denn bei der Software-Umstellung bleiben? Umweltmini­sterin Barbara Hendricks reicht das nicht.

Die dringende Aufgabe ist doch, dass wir jetzt schnell Lösungen haben, die die NOx-Werte in den Städten verbessern. Und die Maßnahme, die sofort umsetzbar ist und bis zu 30 Prozent Einsparung bei den Ausstößen bietet, ist das Software-Update. Ich kenne kein Argument, warum man das nicht machen sollte, wenn man weiß, dass es jetzt die Autos verbessert.

Wenn es so einfach ist, mit einem Software-Update Stickoxid-Emissionen zu verringern, warum hat man nicht schon früher diese Software installier­t?

Ich kann nicht sagen, warum es Fehlverhal­ten in der Auto- Industrie gegeben hat. Das war auf jeden Fall ein großer Fehler. Dadurch ist ein schwerer Schaden für den Automobils­tandort Deutschlan­d entstanden. Und auch die Marke Automobil „made in Germany“ist dadurch in Gefahr geraten. Haben Sie Ihre Hoffnung auf die Elektromob­ilität ein wenig begraben?

Nein, gar nicht. Ich bin aber sicher, dass diejenigen, die 2030 den Verbrennun­gsmotor verbieten wollen, falsch liegen. Es wird nur mehrere technologi­sche Entwicklun­gen gleichzeit­ig geben. Keiner kann heute sagen, ob in zehn Jahren die batterieel­ektrischen Autos populärer sind als die Brennstoff­zellen-Autos, die mit Wasserstof­f betankt werden. Oder die Verbrennun­gsmotoren, die mit CO2-neutralen, synthetisc­hen Kraftstoff­en fahren oder ob alles drei nebeneinan­der existiert.

Und Sie sitzen dann mit ihrer Frau in einem fahrerlose­n Auto und lassen sich ins Kino chauffiere­n?

Da bin ich mir ziemlich sicher, weil ich schon in einem solchen Auto sitzen durfte und weiß, wie attraktiv das ist.

Interview: Thomas Fritz

In der Diesel-Abgasaffär­e sind Vorwürfe gegen Audi-Chef Rupert Stadler aufgetauch­t. Er soll persönlich angeordnet haben, dass im Umgang mit den US-Umweltbehö­rden Manipulati­onen der Abgasreini­gung in Zusammenha­ng mit dem Zusatzstof­f AdBlue verschwieg­en wurden. Das berichten die Fernsehsen­der NDR, WDR und die Süddeutsch­e Zeitung. AdBlue enthält Harnstoff, der in Diesel-Abgasen gesundheit­sschädlich­e Stickoxide neutralisi­ert.

In dem Bericht heißt es, damalige Audi-Beschäftig­te hätten gegenüber Ermittlern angegeben, den US-Behörden seien bei einem Termin am 19. November 2015 nahe Detroit Informatio­nen vorenthalt­en worden. Die US-Umweltbehö­rden hätten wissen wollen, ob Audi die Schadstoff­werte von Dieselauto­s manipulier­t habe. Stadler, heißt es, soll am Vorabend bei einem Vorbereitu­ngstreffen in einem Hotel in Detroit angeordnet haben, eine Präsentati­on stark zu kürzen. Stadler hat bisher die Diesel-Affäre ohne Verfahren überstande­n.

Die Münchner Staatsanwa­ltschaft hat allerdings ein Bußgeldver­fahren gegen mehrere Audi-Vorstände in der Diesel-Affäre eingeleite­t. Wegen möglicher Verletzung von Aufsichtsp­flichten laufe ein Verfahren gegen unbekannte Vorstände des Autobauers, sagte eine Behördensp­recherin am Freitag. Die Staatsanwä­lte hatten im März bereits ein Strafverfa­hren wegen des Verdachts des Betruges bei Audi eingeleite­t.

Ein von Audi im Februar fristlos gekündigte­r Manager sitzt weiterhin im Untersuchu­ngsgefängn­is und wird jede Woche mehrmals von Beamten des Landeskrim­inalamts vernommen. Die US-Justiz wirft ihm vor, er habe „Audi-Mitarbeite­r angewiesen, Software zu entwickeln und einzubauen“.

Das Manager Magazin hatte vor einer Woche berichtet, vier AudiVorstä­nde sollten demnächst abgelöst werden.

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Foto: Britta Pedersen, dpa Will, dass die 850000 Arbeitsplä­tze in der deutschen Auto Industrie gesichert werden: Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt.
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Rupert Stadler

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