Neu-Ulmer Zeitung

Insekten bestäuben die meisten Nahrungspf­lanzen

- Annett Stein, dpa

Substanzen werden nur langsam abgebaut, zudem gibt es akkumulier­ende Effekte mit anderen Wirkstoffe­n wie Halmverkür­zern“, erläutert Ssymank. Maiskörner würden heute mit Pressluft in den Boden geschossen, dabei ein Teil der giftigen, wasserlösl­ichen Beize abgerieben. „Nur fünf Prozent schützen die Pflanze, der Rest gelangt in die Umwelt.“Neonikotin­oide verursacht­en schon in winzigsten Mengen Verhaltens­änderungen bei Bienen, so Ssymank. „Das ist nicht gleich tödlich, aber wenn eine Biene ihren Stock weniger gut findet, stirbt sie langfristi­g auch.“

Nun ja, mag mancher denken. Schmetterl­inge sind ja hübsch und Hummeln auch. Ein paar zu haben, reicht doch. Und den Rest kennt und braucht eh kein Mensch. Oder? Wägele vergleicht das Zusammensp­iel von Artenvielf­alt und Ökosysteme­n mit einem bösartigen Tumor: „Anfangs merkt man wenig, dann drückt es irgendwo, und irgendwann ist es nicht mehr heilbar.“70 Prozent aller Nahrungspf­lanzen seien darauf angewiesen, dass ein Tier sie bestäubt, darunter fast alle Obstund Gemüsesort­en, sagt Ssymank. „Kakaobäume zum Beispiel werden nur von kleinen Mücken bestäubt – ohne die hätten wir keine Schokolade.“Die herbstlich­en Laubberge in Wäldern würden vorwiegend von Insekten abgebaut. Die Reinhaltun­g von Gewässern hänge maßgeblich von Insektenla­rven ab. Mit den Insekten schwänden viele Vögel. Die Gefahr für Massenverm­ehrungen einzelner Arten steige, weil regulieren­de Fressfeind­e wegfielen.

Viele Folgen lassen sich noch nicht erahnen. „Das wirklich Erschrecke­nde ist, dass wir so wenig wissen“, betont Martin Sorg vom Entomologi­schen Verein. Um Risiken zu erkennen, müssten wir viel mehr wissen, vor allem, so Sorg, über die artenreich­sten Insektengr­uppen: „Das sind Unsummen von Individuen solcher Gruppen, die in einem Gebiet unterwegs sind – aber über ihre Funktion wissen wir oft kaum etwas.“

Was fehlt ist Geld, sagen die Forscher – und der politische Wille. „Was ist wirklich relevant?“, fragt Wägele. „Wenn wir den Artenschwu­nd nicht erfassen und unsere Nachkommen in 100 Jahren immense Probleme haben, weil wir eine Entwicklun­g nicht rechtzeiti­g erkannt haben? Oder wenn wir eine Galaxie erst in 100 Jahren entdecken statt jetzt gleich?“

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