Staub: Die Gefahr im eigenen Haus?
Forscher aus Amerika haben die Wirkung von Chemikalien im Hausstaub auf den menschlichen Körper untersucht. Die Ergebnisse sind besorgniserregend – gerade für Kinder
Chemikalien im Hausstaub machen möglicherweise dick. Sie aktivieren Fettzellen, die wiederum die Einlagerung von Fett anregen, berichten US-Forscher im Fachmagazin Environmental Science & Technology. Sie haben den Effekt allerdings bislang nur in Zellversuchen beobachtet. Besorgniserregend sei das Ergebnis vor allem mit Blick auf die Gesundheit von Kindern: Der beobachtete Effekt trat schon bei sehr geringen Staubmengen ein. Nach Schätzungen der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) nähmen Kinder täglich erheblich größere Staubmengen auf als in den Versuchen eingesetzt.
Die Chemikalien, die Christopher Kassotis und seine Mitarbeiter von der Duke University in Durham bei ihrer Studie im Blick hatten, gehören zur Gruppe der sogenannten endokrinen Disruptoren. Das sind weitverbreitete, synthetische oder natürlich vorkommende Stoffe, die in den Hormonhaushalt des Körpers eingreifen. Sie werden deshalb auch Umwelthormone genannt. Die Substanzen stecken zum Beispiel als Weichmacher oder Flammschutzmittel in zahlreichen Alltagsgegenständen und Verpackungsmaterialien oder in Pestiziden und Kosmetika.
Hunderte Umwelthormone sind bekannt, doch die Wirkung auf den menschlichen Körper ist längst nicht für jeden Stoff genau unter- sucht. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass einige der Substanzen zu Gewichtszunahmen führen. Die Forscher um Kassotis wollten nun herausfinden, ob bereits Rückstände der Chemikalien in gewöhnlichem Hausstaub biologisch wirksam sind. Sie sammelten in insgesamt elf Haushalten Staub, bereiteten die Proben auf und gaben sie dann zu Kulturen von Vorläuferzellen von Fettzellen. Zusätzlich untersuchten sie in dem Zellversuch direkt die Wirkung einiger organischer Chemikalien, die häufig in Innenräumen nachgewiesen werden, darunter Weichmacher, Flammschutzmittel, kung auf die Zellen. 28 der 44 getesteten organischen Chemikalien beeinflussten die Vorläuferzellen in ähnlicher Weise.
Die Forscher stellten eine Wirkung schon bei einer Staubmenge von drei Mikrogramm fest – das sei mehr als 16 000-mal weniger als Kinder täglich aufnähmen, nämlich etwa 50 Milligramm. Noch sei unklar, wie viel der aufgenommenen Staubmenge samt der darin enthaltenen Chemikalien biologisch im Körper verfügbar und an Vorläufern der Fettzellen wirksam würden. Dies müsse dringend weiter untersucht werden, schreiben die Forscher.
Dass hormonell wirksame Substanzen im Hausstaub zu finden sind, sei lange bekannt. Auch die dick machende Wirkung sei für einige Substanzen in Zell- und Tierversuchen nachgewiesen, erläutert Josef Köhrle, Seniorprofessor am Institut für Experimentelle Endokrinologie der Charité (Berlin) und Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). „Wir haben aus Bevölkerungsstudien auch Hinweise darauf, dass diese Stoffe beim Menschen Adipositas begünstigen können.“Das Ergebnis der aktuellen Studie in einer Zellkultur sei von daher nicht ganz überraschend.
Es gebe allerdings einige Einschränkungen, die bei der Beurteilung der Studie zu bedenken sind. So hätten die Wissenschaftler etwa für ihre Versuche nur eine Zelllinie verwendet und es wäre wünschenswert, die Wirkung auch an anderen Zellen zu testen, etwa Fettzellen des Menschen. Auch gebe die Studie keine Hinweise darauf, wie viele der Chemikalien wirksam werden, wenn Hausstaub auf natürlichem Weg in den Körper gelangt. Zusammen mit den bereits vorhandenen Erkenntnissen gebe die Untersuchung Anlass zur Sorge. „Aber zu sagen, dass Hausstaub dick macht, geht mit Sicherheit zu weit.“
Die Verwendung von hormonell wirksamen Chemikalien ist aufgrund möglicher Gesundheitsgefahren hochumstritten. In der EU wird seit Jahren nach Wegen gesucht, wie ihr Einsatz reguliert werden kann. Anfang Juli einigten sich Delegierte der Regierungen und Behörden der EU-Staaten auf Kriterien, wie diese Stoffe in Pflanzenschutzmitteln identifiziert werden können. Auf dieser Grundlage könnten die hormonschädlichen Chemikalien bewertet und letztlich vom Markt genommen werden, erklärte EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis.
Kritiker, unter anderem die drei weltweit größten endokrinologischen Fachgesellschaften, bemängelten, die Auflagen seien nicht streng genug. Demnächst sollen ähnliche Kriterien für Schädlingsbekämpfungsmittel festgelegt werden; schließlich soll ihre Verwendung auch für Spielsachen, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen reguliert werden.
Amerikanische Forscher haben mit neuester Gentechnik einen Eingriff in die Keimbahn von Embryonen vorgenommen. Die Pioniertat bricht Tabus. Konkret haben die Forscher bei menschlichen Embryonen einen Gendefekt behoben. Sie korrigierten mithilfe der Genschere Crispr-Cas9 eine Mutation, die zu Herzmuskelverdickung (hypertrophe Kardiomyopathie) führt. Andere ErbgutTeile wurden dadurch nicht geschädigt, wie die Forscher im Magazin Nature betonen. Mit dem Verfahren könne man eines Tages tausende Erbkrankheiten verhindern, schreibt das Team um Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health and Science University in Portland. Die Embryonen wurden nach wenigen Tagen zerstört.
Bei Mitgliedern des Deutschen Ethikrats stieß die Arbeit auf ein geteiltes Echo. Der Vorsitzende Michael Dabrock spricht von „unseriösen Heilsversprechungen“. Dagegen sagt Medizinethikerin Claudia Wiesemann von der Universitätsmedizin Göttingen, die Studie zeige, dass die Technik unter Umständen praktikabel sein könne. Ob dies wünschenswert sei, hänge vom Einzelfall ab. In Deutschland sind solche Versuche verboten.