Glanzvolle Titelkämpfe und starke Leistungen
Bei der DM der U20 und U18 gibt es für Lokalmatadore zwei Medaillen. Eine Vöhringerin überrascht
Glanzvolle und perfekt ausgerichtete deutsche Leichtathletik-Jugendmeisterschaften erlebten die fast 2000 Athletinnen und Athleten im Ulmer Donaustadion. Zum perfekten, „goldenen“Abschluss für Gastgeber SSV 1846 fehlten nur vier Zentimeter, um die Marcel Cymcyk im U-20-Weitsprung den Sieg verpasste. So blieben die Silbermedaille, Bronze für Antonia Kinzel im Kugelstoßen und weitere Finalplatzierungen und Bestleistungen für die Starter aus der Region stehen.
Obwohl die internationalen Meisterschaften in Grosseto/Italien und Nairobi/Kenia schon zwei, drei Wochen her sind, rafften sich viele der jugendlichen Topathleten noch zu sportlichen Großtaten auf. Insbesondere Sprinter und Springer nutz- ten die vor allem am Samstag optimalen Bedingungen im Donaustadion, für die neben dem angenehmen Wetter und Rückenwind auch über 150 Helfer von SSV 46, dem Leichtathletik-Kreis und dem ganzen Land sorgten. So rannten über 100 Meter die 18-jährige Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid) mit 11,33 und der 17-jährige Luis Brandner (Erfurt) mit 10,44 Sekunden zu neuen deutschen Bestzeiten.
Dagegen machte am Sonntag wechselnder Wind den Weitspringern zu schaffen. Nachdem er im ersten Versuch mit 7,23 Metern in Führung gegangen war, brachte der 18-jährige Marcel Cymcyk (SSV 46) keinen Fuß mehr aufs Brett und konnte nicht mehr kontern, als ihm David Kirch (Auerbach/ Streitheim) im vierten Durchgang mit 7,27 Metern die Führung abgenommen hat- te. Auch seine Vereinskameraden Marcel Mayer und Maximilian Vollmer blieben als Fünfter und Sechster mit 6,95 beziehungsweise 6,67 Metern deutlich unter ihren Möglichkeiten. Das blieb auch die 4x100-Meter-Staffel des SSV 46, die deutlich in Führung liegend den zweiten Wechsel nicht vollenden konnte und so ihre Medaillenchancen einbüßte. Mehrkämpfer Vollmer konnte sich immerhin über neue Bestleistungen über 100 Meter in 10,93 Sekunden und 110 Meter Hürden in 14,56 Sekunden freuen. Über die Hürden kam er im Finale dann auf Rang acht. Den erreichte auch Vereinskamerad Fynn Zenker mit 4,70 Metern im Stabhochsprung.
Am nächsten dran an einer weiteren Medaille neben Cymcyk und Antonia Kinzel, die am Freitag Bronze mit der Kugel und Rang vier mit dem Diskus erreicht hatte, war überraschend 1500-Meter-Läuferin Salome Kirchner (SC Vöhringen). Die 18-Jährige, vor den Meisterschaften nicht mal unter den Top 15 der deutschen Bestenliste, verbesserte schon im Vorlauf ihre Bestzeit um drei Sekunden. Auch im Endlauf gelang ihr ein couragiertes Rennen, in dem sie nur zwei Mädchen ziehen lassen musste und sich in der Verfolgergruppe hielt. Einem letzten Angriff auf die Bronzemedaille hielt die Leverkusenerin Berit Scheid dann stand, sodass für Kirchner, mit einer weiteren Bestzeit von 4:40,51 Minuten, ein toller vierter Rang heraussprang. Ihre Vereinskameradin Svenja Pfetsch rannte mit 25,40 Sekunden über 200 Meter ins B-Finale und schloss als Gesamt-13. ab. Auch über 100 Meter kam sie nicht an ihre Bestleistung heran: Nach 12,43 Sekunden (im Vorlauf 12,34) war im Halbfinale Endstation. Mehrkämpferin Kerstin Steinle (SG Dettingen/ Donau) verpasste über 100 m Hürden mit 15,20 Sekunden das Halbfinale. Im Kugelstoßen wurde sie mit 11,82 Metern Zwölfte.
Den Abschluss der Meisterschaften bildeten die Langstaffel-Meisterschaften der Aktiven, für die sich auch beide SSV-46-Teams qualifiziert hatten. Die 3x1000-MeterStaffel mit Aimen Haboubi, Fabian Konrad und Korbinian Völkl verbesserte als 15. ihren Kreisrekord um weitere drei Sekunden auf 7:34,50 Minuten. In der 3x800-Meter-Staffel kamen Marlene Gomez Islinger, Tanja Maier und Lisa Thaler nicht ganz an ihre Vorleistung heran und liefen mit 7:05,04 Minuten auf Rang 13 ein.
Zwei Mal olympisches Gold, vier Mal Weltmeisterin, neun Mal in Europa ganz vorne, Welt- und Europacupsiegerin – viel mehr geht wohl nicht. Heike Drechsler, als Weitspringerin sowie 100- und 200Meter-Läuferin eine Ikone der deutschen Leichtathletik, hat sich ausgerechnet das Ulmer Donaustadion für eine Premiere ausgesucht. Als Kampfrichterin stand sie am Wochenende bei den deutschen U-18- und U-20-Meisterschaften erstmals an der Weitsprunggrube. „Das ist kein PR-Gag“– Drechsler, selbst 22 Mal über sieben Meter weit gesprungen, hat die Bodenhaftung nicht verloren. 13 Jahre nach ihrem Karriereende will sie wieder Stadionluft schnuppern – eben als Kampfrichterin. „Ich bin mir für keine Arbeit zu schade und möchte gerne meine Erfahrungen weitergeben“, betont die sympathische Ausnahmesportlerin.
„An der Grube ist das wie Gartenarbeit“, berichtet Drechsler lachend von ihren ersten Eindrücken als Funktionärin. Sie erzählt strahlend von Gänsehautfeeling und dass in ihr immer noch das Feuer brennt. Mit Kappe, Sonnenbrille und Rechen ausgestattet, wurde sie von den jungen Athleten am Wochenende allerdings eher nicht erkannt. „Das ist in Ordnung, die sind auf ihren Wettkampf fokussiert.“Heike Drechslers nächster Einsatz als Kampfrichterin auch in anderen Disziplinen steht noch nicht fest. Eine Karriere als Trainerin hatte sie auch in Betracht gezogen, jedoch verhindert ihr Beruf ein solches Engagement. Die 52-jährige WahlKarlsruherin ist bei einer großen Krankenkasse im Bereich Prävention im gesamten Bundesgebiet tätig.
„Wenn man für eine Gruppe verantwortlich sein will, muss man vor Ort sein“, erklärt sie. „Die Leichtathletik lebt, leider fehlt es etwas in der Breite“– eine maßgebliche Position innerhalb des DLV schließt sie nicht grundsätzlich aus, aber sie will niemandem den Platz wegnehmen. Heute jährt sich ein besonderer Tag für Heike Drechsler: Vor genau 25 Jahren wurde sie erstmals Olympiasiegerin. 1992 in Barcelona – im Weitsprung. Die Wettbewerbe in London und Rio hat Drechsler nur als Touristin erlebt. Nicht nur deshalb hat sie einen großen Traum: noch einmal Olympia in Deutschland und dann womöglich als Kampfrichterin im Stadion. (jürs)