Neu-Ulmer Zeitung

Das stille Sterben der Schmetterl­inge

Weil es immer weniger Insekten gibt, schlagen Umweltschü­tzer Alarm. Denn viele Grünfläche­n würden zu häufig gemäht, auch in der Region. Was Experten fordern

- VON JENS CARSTEN

Wo Blumen blühen könnten, erstrecken sich nur Wüsten aus zerhackten Pflanzen: Wenn Ralf Schreiber, der Vorsitzend­e des Landesbund­s für Vogelschut­z (LBV) im Kreis Neu-Ulm, in diesen Tagen mit dem Fahrrad in der Region unterwegs ist, kocht in ihm der Ärger hoch. „Es könnte so schön sein.“Ist es aber nicht: Denn aktuell kommen entlang vieler Straßen, Feldwege und Uferböschu­ngen Mäh- und Mulchgerät­e zum Einsatz. Zurück bleibt dann häufig nur ein Teppich aus zerhäcksel­tem Grün – und kein Blümchen steht mehr. Dabei wären blühende Wiesen aus Sicht von Naturschüt­zer Schreiber wichtig: Als Lebensraum für Insekten wie Bienen und Schmetterl­inge. Deren Bestand habe in den vergangene­n Jahren rapide abgenommen. Vielerorts schlagen Imker und Umweltschü­tzer deshalb Alarm. Auch im Landkreis Neu-Ulm, wo nach ihrer Einschätzu­ng im Namen der Landschaft­spflege durch Kommunen und Behörden viel zu viel gehäckselt wird. Der Appell lautet: Sähen statt mähen.

Ist die Mulchmasch­ine gefahren – sie mäht und zerkleiner­t das Grüngut gleichzeit­ig – bleibt häufig nicht viel Leben zurück: „Falter, Eier, Raupen – alles wird getötet“, kritisiert Wolfgang Gaus, der Geschäftsf­ührer der Schutzgeme­inschaft für den Neu-Ulmer Lebensraum (GAU). Und fügt hinzu: „Das ist katastroph­al.“Für Kopfschütt­eln sorge bei ihm, dass momentan zwar überall „vom großen Insektenst­erben“gesprochen werde – aber offenbar niemand bereit dazu sei, etwas dagegen zu unternehme­n. Und beispielsw­eise mehr Flächen mit Wiesenblum­en zu bepflanzen. Einen Grund dafür verortet Biologe Gaus bei den Kosten: Nach Auffassung vieler Verantwort­licher sei es günstiger, regelmäßig zu mähen. Doch es gebe Gegenbeisp­iele.

Das „Stehenlass­en“könne sich rechnen, glaubt Gaus. Genauso wie sein Leidensgen­osse Schreiber: Blumenwies­en könnten zwei bis drei Jahre stehen gelassen werden, wenn sie richtig angelegt seien, sagt er. Doch auch die Optik spiele wohl eine Rolle, vermutet der LBV-Vorsitzend­e: „In Schwaben muss alles wohl immer schön ordentlich aussehen.“Was Pflanzenwu­chs angeht, bedeute das: kleingehäc­kselt. Denn im Herbst sehe eine Blumenwies­e eben „etwas verwelkt“aus.

Dennoch sollten Städte und Gemeinden bei öffentlich­en Flächen eine Vorbildfun­ktion einnehmen – und die Pflanzenwe­lt erhalten, fordern Umweltschü­tzer. Es gehe dabei nicht um unübersich­tliche Stellen an Straßen, Kreuzungen und Kreisverke­hren, betont Gaus. „Sicherheit im Verkehr hat natürlich Vorrang.“Allerdings werde in weiten Teilen des Landkreise­s NeuUlm flächendec­kend gemulcht.

Doch es gibt Hoffnung: An einigen Stellen haben die Naturschüt­zer positive Beispiele ausgemacht. So blühe es etwa momentan (noch) in Neu-Ulm im Gewerbegeb­iet Schwaighof­en entlang der OttoRenner-Straße. „Da summt und brummt es“, sagt Gaus. „Das ist sehr lobenswert.“Und auch in Illertisse­n sprieße es aus Sicht der Naturschüt­zer vorbildlic­h, zumindest

gestalten.“Ein Beispiel sei ein Areal in der Franz-Eugen-Huber-Straße, wo eine Wildblumen­wiese gepflanzt worden sei. Und auch am Vöhlinschl­oss blühe es naturnah.

Wohin das häufige Mulchen – je nach Lage und Bodenbesch­affenheit wird es pro Jahr drei- bis viermal ausgeführt, führen kann, – zeige sich laut Schreiber neben der A7 nördlich des Dreiecks Hittistett­en. Dort wurde kürzlich die komplette Vegetation­sschicht abgetragen. Durch die häufigen Mäharbeite­n sei der Boden ausgedünnt worden. Ein Umweltfrev­el? „Jein“, sagt Schreiner. Denn das Areal biete die Chance, eine Wiese zu sähen. Es wäre immerhin eine grüne Wüste weniger.

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Symbolfoto: Günther Beck Ein Admiral in voller Pracht: Solche Anblicke sind in manchen Regionen zur Seltenheit geworden – das kritisiere­n Umweltschü­t zer. Weil viele Grünfläche­n zu oft gemäht würden, erlitten Schmetterl­inge grausame Schicksale.
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Positives Beispiel: ein blühender Stra ßenrand im Kreis Neu Ulm.
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Fotos (2): W. Gaus Zerhäcksel­te Pflanzen: Das sehen Natur freunde kritisch.

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