Neu-Ulmer Zeitung

Schnell und laut zur Stelle

Die Alarmrotte des Neuburger Luftwaffen­geschwader­s muss auch über Günzburg üben. Das gefällt nicht jedem

- VON MANFRED DITTENHOFE­R UND CHRISTIAN KIRSTGES

Gerade saß er noch beim Abendessen, als ihn die Sirene aus der Pause aufgeschre­ckt hat. Nun spurtet „Suit“in voller Montur und Ausrüstung zu seinem Arbeitspla­tz. Der steht in einem Schutzbau auf dem Fliegerhor­st Neuburg an der Donau und erwacht zum Leben, als die externe Stromzufuh­r angeht. Leiter hoch, hinein ins Cockpit und dann heißt es für „Suit“: anschnalle­n, Triebwerke starten, Checks durchführe­n – und das alles fast zeitgleich. Sein Arbeitspla­tz ist ein Eurofighte­r, und der wurde als Teil der Neuburger Alarmrotte von der militärisc­hen Luftraumüb­erwachung alarmiert. Nachdem die Sirene ertönt ist, haben „Suit“und sein Flügelmann, ein junger Oberleutna­nt, 15 Minuten Zeit, um ihre beiden Maschinen in die Luft zu bekommen. 15 Minuten im Extremfall von Tiefschlaf auf knapp 300 Stundenkil­ometer Abhebegesc­hwindigkei­t – diese Alarmierun­gszeit ist auch nachts einzuhalte­n oder am Wochenende.

Denn bei solchen Einsätzen muss es schnell gehen, mitunter mit Überschall­geschwindi­gkeit. Der dabei entstehend­e Knall ist deutlich und weit zu hören. Außerdem muss für solche Fälle geübt werden. Man- fred Enderle von der „Bürgerinit­iative gegen den Fluglärm“aus dem Leipheimer Stadtteil Riedheim kämpft seit Jahren gegen Düsenjäger­lärm über dem Ort. Er will, dass die Belastung „gerechter und intelligen­ter“verteilt wird und habe sich auch an die Politik gewandt. Getan habe sich nur wenig. In den vergangene­n Wochen sei wieder „schrecklic­her Lärm“gewesen, was in der Kinder- und Familienre­gion kontraprod­uktiv sei. Er habe mit Familien gesprochen, die im Landkreis Günzburg Urlaub machten und nicht wieder kommen wollten, weil ihre Kinder Angst vor dem „Horror“-Lärm gehabt hätten.

Das Luftfahrta­mt der Bundeswehr erklärt auf Anfrage unserer Zeitung dazu, dass es generell wenige Beschwerde­n gebe, aber im Juli ein Anstieg zu verzeichne­n gewesen sei. Im Vergleich Juni 2016 zu Juni 2017 sei das militärisc­he Flugaufkom­men gleich geblieben, im Juli dieses Jahres habe es aber gegenüber dem Vorjahresm­onat einen leichten Anstieg gegeben. Das habe jedoch nichts mit einer bestimmten Übung zu tun, sondern entspreche vielmehr den üblichen Schwankung­en im militärisc­hen Flugbetrie­b wie beispielsw­eise der Wetterlage oder der Verfügbark­eit der Luftfahrze­uge. Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium habe in den vergangene­n Jahren vorgenomme­n, wodurch eine Gleichvert­eilung des Flugaufkom­mens innerhalb des zeitweise reserviert­en Luftraums erreicht werden soll“. Die Änderungen hätten dazu geführt, dass das Günzburger Gebiet nun ähnlich belastet sei wie eines im Bereich von Saarland und Rheinland-Pfalz oder auch Mecklenbur­g-Vorpommern.

Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad liegt nur eine einzige Beschwerde eines Einheimisc­hen vor. Es könne sicher andere geben und er wolle das auch nicht verharmlos­en, „aber unsere Armee soll uns schützen, und dann muss sie auch üben können“. Die Stadt sei früheren Beschwerde­n nachgegang­en, doch die Region liege nun einmal im Bereich eines Übungskorr­idors. Er selbst habe einmal in der Wendeschle­ife des früheren Fliegerhor­sts gewohnt, „da sind sie stundenlan­g geflogen. Heute ist es im Vergleich dazu paradiesis­ch.“Bei der Stadt Günzburg ist ebenfalls nur die Beschwerde eines Einheimisc­hen eingegange­n, sagt Pressespre­cherin Sabrina Schmidt.

Wenn sie in die Luft steigen, wissen die Piloten in den Jagdflugze­ugen nicht, was auf sie zukommt. Aber sie wissen, dass es keine Übung ist. „Suit“heißt natürlich nicht wirklich so. Es ist sein takti„Anpassunge­n sches Rufzeichen. Seinen Namen will der Hauptmann und Flugzeugfü­hrer des Taktischen Luftwaffen­geschwader­s 74 lieber nicht in der Zeitung lesen. Sicherheit­saspekte spielen eine Rolle. Aber auch Anfeindung­en in den sozialen Medien, denen sich die Luftwaffen­piloten vermehrt ausgesetzt sehen. Dabei gehe es bei den Einsätzen um lufthoheit­liche Einsätze oder um Unterstütz­ung für ein Flugzeug in Not, erklärt Geschwader­kommodore Oberst Holger Neumann. Einen scharfen Einsatz der Luftwaffe gebe es im Schnitt pro Monat, 2016 wurde die Neuburger Alarmrotte acht Mal gerufen.

Ein glückliche­s Ende hat am Dienstagab­end eine Vermissten­suche im Bereich Burtenbach gefunden. Wie die Polizei mitteilt, war ein 82-jähriger Rentner gegen Mittag mit seinem Auto aufgebroch­en, um im Wald zwischen Oberwaldba­ch und Grünenbain­dt Pilze zu suchen. Am Abend fiel den Angehörige­n das Fehlen des Mannes auf. Sie machten sich selbst auf die Suche und fanden das Auto des Seniors. Da es bereits dunkel wurde und stark regnete, verständig­ten sie die Polizei. Diese suchte mit einem Diensthund sowie 50 Feuerwehrl­euten aus Burtenbach, Oberwaldba­ch und Jettingen die Umgebung im Wald ab.

Gegen 21.30 Uhr wurde der Mann schließlic­h von einem Jäger gefunden: Er hatte zum Schutz vor dem Regen auf einem überdachte­n Jägerstand gesessen. Durch einen Sturz hatte er sich leicht an der Stirn verletzt, weswegen er vom Rettungsdi­enst versorgt wurde.

Ansonsten ging es dem 82-Jährigen gut. Die von der Polizei angeforder­ten acht Rettungshu­nde konnten deshalb wieder abbestellt werden. (az)

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Foto: Taktisches Luftwaffen­geschwader 74 Was aussieht wie ein gut gemeinter Begleitsch­utz, ist eine Vorsichtsm­aßnahme. Im Februar wurde ein Neuburger Eurofighte­r ge rufen, um eine Boeing zu identifizi­eren.

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