Neu-Ulmer Zeitung

In Polen stirbt einer der letzten Urwälder Europas

Regierung in Warschau missachtet Auflagen der EU ebenso wie Gerichtsur­teile. Das zeigt sich nicht nur beim Umweltschu­tz

- VON DETLEF DREWES

Bialowieza ist einer der letzten Urwälder Europas. Ein Drittel des von der Unesco zum Weltnature­rbe gekürten 150 000 Hektar großen Forstes liegt auf polnischer Seite, zwei Drittel gehören zu Weißrussla­nd. Doch ausgerechn­et im dichten Gestrüpp eines in vielen Jahren entstanden­en Unterholze­s droht Polen seine EU-Zugehörigk­eit endgültig an den Baum zu fahren. Ende vergangene­r Woche ordnete der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg auf Antrag der Brüsseler EU-Kommission in einem Eilverfahr­en den Stopp der Rodung des Biosphären­gebiets an.

Warschaus Umweltmini­ster Jan Szyszko scherte sich jedoch nicht darum und schickt seither an jedem Tag die Holzfäller an die Arbeit, die sich mit gigantisch­en Maschinen durch den Wald fressen und dabei auch an Polens Glaubwürdi­gkeit sägen. Angeblich geht es um den Schutz der Gewächse vor dem Borkenkäfe­r, doch den hat bislang noch kein Umweltschü­tzer in Bialowieza entdeckt. Stattdesse­n entlarvt sich die ohnehin umstritten­e nationalko­nservative Führung als ignorant gegenüber allen EU-Gesetzen.

Seit Anfang 2016 geht Brüssel gegen die von der Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) getragene Regierung vor. Zunächst waren es die Gängelung des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks sowie die Reform des Verfassung­sgerichtes. In diesem Jahr kam der Umbau des Richterapp­arates hinzu, Verstöße gegen die in wichtigen Ministerrä­ten der Union und eine Geldbuße.

Dass Warschau in Sachen Urwald auf eine pauschale Strafe von vier Millionen Euro zulaufen könnte, plus einem weiteren Zwangsgeld von mutmaßlich rund 300 000 Euro pro Tag, wird die Regierung Szydlo vielleicht nicht schocken, weil sie einfach nicht bezahlt. Aber seit einigen Jahren kann die Kommission solche Strafen von den rund 13,4 Milliarden Euro Fördermitt­eln einfach abziehen, die Polen zum Beispiel 2015 zustanden. Das tut weh, vor allem für einen Staat, dessen Haushalt zu drei Prozent von der EU bezahlt wird.

Was ist mit dem Land los, fragen sich viele in Brüssel. „Wäre das Land heute noch kein EU-Mitglied, hätte es keine Chance auf Aufnahme“, diagnostiz­ierte der CDU-Außenpolit­iker im EU-Parlament, Elmar

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