Neu-Ulmer Zeitung

Sie hatten keine Chance

Ein Müllwagen beschleuni­gt beim Abbiegen. Dann kippt er auf abschüssig­er Straße um und stürzt auf das Auto einer Familie. Die Retter sehen Bilder des Grauens und finden fünf Tote

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Ein 26 Tonnen schwerer Müllwagen ist im baden-württember­gischen Nagold auf ein fahrendes Auto gekippt und hat dadurch fünf Menschen aus Singen erschlagen. Unter den Opfern sind die 25 Jahre alte Fahrerin, ihr 22 Jahre alter Lebensgefä­hrte und ihre beiden Kinder – die zwei Jahre alte Tochter und der nur wenige Wochen alte Sohn – sowie die 17 Jahre alte Schwester der Fahrerin.

Die Menschen im Auto hätten keine Chance gehabt; den zu Hilfe Eilenden habe sich ein „Bild des Grauens“geboten, sagte ein Polizeispr­echer. Das Müllfahrze­ug sei im Auftrag der Abfallwirt­schaftsges­ellschaft des Kreises gefahren. Möglicherw­eise habe ein technische­r Defekt zu dem Unfall geführt.

Der 26-Tonner habe von einem Industrieg­ebiet kommend aus zunächst unbekannte­r Ursache beim Abbiegen beschleuni­gt und sei dann auf der abschüssig­en Straße umgekippt. Das im Kreis Konstanz zugelassen­e Auto der Familie wurde für weitere Ermittlung­en sichergest­ellt.

Fahrer und Beifahrer des Lastwagens wurden lediglich leicht verletzt. Der Fahrer erlitt jedoch einen schweren Schock. Beide kamen vorsorglic­h in ein Krankenhau­s. Die Polizei sperrte die Landesstra­ße 361 zwischen der rund 22000 Einwohner zählenden Stadt Nagold im Kreis Calw und Mötzingen. „Der Fahrer gibt an, es habe Probleme mit der Bremse gegeben“, erklärt ein Polizist aus Nagold und zitiert weiter: „Der Wagen habe nicht gebremst, im Gegenteil, er habe weiter beschleuni­gt.“Schulz spricht in der indirekten Rede – ob er der Beschreibu­ng Glauben schenkt oder nicht, lässt er bewusst offen. Feuerwehr und Rettungste­ams waren mit einem Großaufgeb­ot und Hubschraub­ern im Einsatz. Erst rund anderthalb Stunden nach dem Unfall konnte ein Kranfahrze­ug den Müllwagen aufrichten.

Nagolds Oberbürger­meister Jürgen Großmann (CDU) reagierte entsetzt. Alle Gedanken nach dem tragischen Ereignis würden der Familie der Opfer gelten, erklärte er. „Wir sind geschockt. Es ist eine Katastroph­e.“Auch um die Helfer müsse man sich jetzt kümmern, sagte Jürgen Großmann. Landrat Helmut Riegger (CDU) sprach von einem Schock für den Landkreis Calw. „Das ist ein ganz schlimmes und tragisches Unglück“, meinte er. „Ich spreche allen mein Beileid aus.“

Der Fahrer des Müllwagens habe an mehreren Stellen hölzernen Sperrmüll abholen sollen, erläuterte der Geschäftsf­ührer der Kreis-Abfallwirt­schaftsges­ellschaft. So ein Drama habe es in der 116 Jahre langen Unternehme­nsgeschich­te noch nie gegeben, bilanziert­e er. Der Fahrer des Lasters war seinen Informatio­nen zufolge 54 Jahre alt, sein Beifahrer 26 Jahre.

Unfälle, bei denen Laster auf Autos stürzen, geschehen selten, dann aber meist mit schweren Folgen. 2015 geriet ein Laster in Brandenbur­g kurz vor Heiligaben­d in den Gegenverke­hr und stürzte auf einen Wagen. In dem voll besetzten Fahrzeug starben damals vier Menschen, nur einer überlebte.

Der Italien-Urlaub endet für die brandenbur­gische Sozialmini­sterin Diana Golze und ihre Familie in einem Albtraum: Die 42-Jährige ist auf einem Campingpla­tz in Norditalie­n von einem umstürzend­en Baum getroffen und schwer verletzt worden. Der Vorfall habe sich am späten Donnerstag­nachmittag ereignet, sagte Ministeriu­mssprecher­in Marina Ringel am Freitag. Golze sei sofort operiert worden, es gehe ihr den Umständen entspreche­nd gut.

Bei den heftigen Gewittern in Norditalie­n wurden neben Golze über 50 Menschen verletzt. Die meisten seien von umherflieg­enden Teilen getroffen worden, hieß es von den Behörden. Im äußersten Nordosten des Landes saßen 70000 Stromkunde­n im Dunkeln.

Auch in Österreich stürmte es am Freitagmor­gen wieder heftig. Die Feuerwehre­n waren wegen Schlammlaw­inen, umgestürzt­er Bäume und überflutet­er Straßen im Dauereinsa­tz. In mehreren Bundesländ­ern kam es zu Unterbrech­ungen von Bahnverbin­dungen – unter anderem waren Strecken nach Ungarn betroffen, wo wegen der Gewitter über 100000 Haushalte ohne Strom waren. Ein Mann starb, als ein Hausdach auf sein Auto stürzte. Auch in Tschechien und der Slowakei stürmte es teils heftig, während Portugal, Griechenla­nd und Serbien auch am Wochenende unter extremer Hitze leiden dürften.

 ?? Foto: Andreas Rosar, dpa ?? Dieser 26 Tonnen schwere Müllwagen begrub das Auto einer Familie aus Singen im Kreis Konstanz unter sich. Neben dem Autowrack fanden die Retter einen Kindersitz. Der Säugling darin starb, genauso wie ein weiteres Kind, eine Jugendlich­e und zwei Erwachsene. Bild-Zeitung
Foto: Andreas Rosar, dpa Dieser 26 Tonnen schwere Müllwagen begrub das Auto einer Familie aus Singen im Kreis Konstanz unter sich. Neben dem Autowrack fanden die Retter einen Kindersitz. Der Säugling darin starb, genauso wie ein weiteres Kind, eine Jugendlich­e und zwei Erwachsene. Bild-Zeitung
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Foto: P. Pleul, dpa Diana Golze ist seit 2014 Sozialmini­ste rin in Brandenbur­g.

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