B10 Ausbau: Jetzt wird geklagt
Naturschützer und ein Pfuhler Bauer ziehen vor den Verwaltungsgerichtshof. Sie sprechen von unnötigem Flächenverbrauch, Pfusch bei den Planungen und viel Großkotzigkeit
Dem Pfuhler Landwirt Erwin Nusser und Naturschützern im Landkreis reicht’s: Der B 10-Ausbau zwischen Neu-Ulm und Nersingen ist überdimensioniert, sagen sie und sprechen von Pfusch und Großkotzigkeit, von unnötigem Flächenverbrauch und fehlendem Umweltbewusstsein. Sie wehren sich schon seit Monaten vehement gegen den zu üppigen B 10-Ausbau – doch jetzt formieren sich die Gegner mit breiter Brust zu einer Front, die nun vor den Verwaltungsgerichtshof in München zieht. Von dort erhoffen sich die Aktivisten vor allem eines: Bewusstsein für die Natur, die ihrer Meinung nach an der Stelle unnötig verbraucht werde.
Für Walter Zerb, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) für das Pfuhler Ried, ist die Sache klar: „Diese Straße ist ein Ausdruck für völlig verfehlte Verkehrspolitik.“Denn der Ausbau könnte wesentlich schonender ausfallen und wirke dennoch verkehrsentlastend. Die BI hat sich daher dem Bund Naturschutz angeschlossen. Nachdem die Regierung von Schwaben im März den vierspurigen Ausbau der B10 beschlossen hatte, haben sich die Naturschützer sofort ans Formulieren einer Klage gemacht. Wie berichtet, plant das Staatliche Bauamt Krumbach mit einer Fahrbahnbreite von 31 Metern. Das sei unnötig, sagen die Naturschützer und nennen Beispiele von Bundesstraßen, die vierspurig sind, aber mit viel weniger Fläche auskommen: beispielsweise die B10 von Dornstadt nach Ulm oder die B 19 zwischen Kempten und Immenstadt. „Auch in NeuUlm wäre das möglich“, sagt Bernd Kurus-Nägele, Geschäftsführer des Bundes Naturschutz im Landkreis. Er rechnet vor: Bei den 31 Metern Fahrbahnbreite bliebe es nicht, „da kommen noch mal zwei mal 2,5 Meter an jeder Seite hinzu für Mittelund Seitenstreifen. Da werden großkotzig die Flächen verbraucht“. Er und die anderen befürchten, dass mit dem Ausbau noch mehr Fahrzeuge auf die B 10 geleitet würden. Sie fordern daher eine
und die Mitkläger wollen nicht verhindern, dass die Straße ausgebaut wird, „unser Ziel ist ein vernünftiger Ausbau“– einer, der nicht nur motorisierte Verkehrsteilnehmer berücksichtigt. „Wir wissen, dass das hohe Verkehrsaufkommen an der B10 ein Problem ist, aber das lässt sich auch durch die kleinere Variante in den Griff bekommen“, sagt der Vorsitzende.
Thomas Frey, Regionalreferent des Bundes Naturschutz Schwaben, bringt noch einen weiteren Faktor ins Spiel: ungenaue Vorgehensweise bei den Planungen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei erst kurz vor Antragstellung in kürzester Zeit nachgeholt worden. „Wir bemängeln, dass diese fachlich fehlerhaft ist und die Ergebnisse keinen Eingang mehr in die Planung fanden.“Außerdem habe es „ungünstige Überschneidungen“gegeben. Sprich Personalveränderungen: Der Antragsteller beim Staatlichen Bauamt sei im Laufe der Planungen nach Augsburg zur Regierung gewechselt und habe dort in seinem neuen Amt bei der Straßenbaubehörde eben jenen Antrag selbst genehmigt.
Auch Kurus-Nägele wirft den Planern Pfusch vor: „Bei Untersuchungen ist so einiges danebengelaufen – das Pfuhler Ried ist Rastgebiet für Zugvögel, außerdem gibt es dort Fledermausarten. Viele Arten sind nicht ordnungsgemäß erfasst worden.“
Landwirt Erwin Nusser hat noch ein ganz anderes Problem. Er betreibt seinen Hof an der Seestraße in Pfuhl und bewirtschaftet Felder entlang der B 10. Von seinen Wiesen würden mit dem Ausbau 260 Quadratmeter wegfallen. Das sei nicht das Problem, sagt er, vielmehr geht es ihm um seinen künftigen Arbeitsweg. Die Planungen sehen nämlich vor, dass landwirtschaftliche Maschinen künftig nicht mehr auf der B 10 fahren dürfen. Ihnen werde eine Nebenstrecke ausgewiesen. Eine Fahrt aufs Feld dauert dann für Nusser nicht mehr nur 16 Minuten, sondern 30. „Dafür, dass andere 180 fahren dürfen, wird mir und anderen Landwirten mehr Arbeit verursacht.“Er setzt sich mit aller Kraft gegen den zu üppigen Ausbau ein und klagt daher ebenso wie die Naturschützer – auch wenn viel auf dem Spiel steht: Denn geht der Ausbau der B 10 durch, droht ihm sogar die Enteignung seiner Flächen.
Alle B 10-Protestler fühlen sich von der Regierung von Schwaben und somit auch vom Bund übergangen. Frey: „Der Verkehr wurde absolut gestellt. Es wurde nicht mal der Wille gezeigt, die Umwelt und die Landwirte zu berücksichtigen.“Er sieht dahinter ein noch viel größeres Problem: „Wenn Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen will, dürfen Bund und Land nicht mehr Straßenbau in Maximalvarianten betreiben, sondern müssen das Geld in den Ausbau von Bus, Bahn und Radverkehr stecken.“