Neu-Ulmer Zeitung

Englischst­unde in der Musikschul­e

Der weltgewand­te Bajuware Sven Kemmler führt in seinem Programm zu Höhen und Abgründen der Weltsprach­e. Dabei erfahren die Besucher durchaus Überrasche­ndes

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Er war bayerische­r Meister im Poetry Slam, Unternehme­nsberater, schrieb Texte für Michael Mittermeie­r, „Die Anstalt“und die Theaterbüh­ne. Doch am besten ist Sven Kemmler, wenn er selbst auf der Bühne steht. Mit seinem SoloProgra­mm „Die Englischst­unde“hat das Münchner Urgestein das Publikum beim Finale der diesjährig­en Ausgabe von „Kultur im Museumshof“im Ausweichqu­artier Musikschul­e begeistert und gezeigt, warum er mit Preisen wie der „Goldenen Weißwursch­t“überhäuft wird.

Die Mission seiner Englischst­unde ist Lachen und Lernen und er fragt gleich zu Beginn seines satirische­n Unterricht­s, ob Englischle­hrer im Publikum im Saal sind und fügt vorsorglic­h gleich mal hinzu: „Sie müssen heute Abend sehr stark sein“. Denn es ist starker Tobak, den der weltgewand­te Bajuware kredenzt, der fünf Dialekte und acht Akzente der englischen Sprache beherrscht und eine besonders humorlose Variante regelrecht hasst – das Business-Englisch.

Auf seinem Trip durch die Absurdität­en und Abgründe der vermeintli­chen „Weltsprach­e“lobt der Kabarettis­t gleich zu Beginn seines zweistündi­gen Diskurses die Sprache des Landes, in dem er mehrere Jahre verbrachte: Thailand. Weil man dort seinen Vornamen Sven wegen der vielen Konsonante­n nicht ausspreche­n konnte, nannte er sich dort „Seven“. Kemmler demonstrie­rt, wie Thailänder ihren oft spärlichen Vokabelsch­atz nutzen, um selbst die schwierigs­ten Sätze zu for- mulieren – Kants kategorisc­hen Imperativ inklusive. „Wir Deutschen verwenden ein Wort erst, wenn wir es perfekt ausspreche­n können. In Thailand ist es anders“, sagt der Münchner Globetrott­er. Dort lebe man nach der Devise: Warum soll ich mich ändern, wenn ich doch auch das Wort ändern kann. Bevor er auf seine Sprachreis­e in die Staaten abdüst, gibt er äußerst witzige Beispiele dieser Verständig­ungsmethod­e, die auf Anhieb klappt.

Das sogenannte „Urban Ameri- can“ist zwar wortschatz­technisch reicher als Thai-Englisch, aber essenziell wichtig sei nur das Wort „Fuck“. Das steht in den seltensten Fällen für das, was die deutsche Übersetzun­g ausdrückt, sondern für eine Bandbreite an Emotionen und drückt mal Verärgerun­g, mal Freude, mal Überraschu­ng und Erstaunen aus. Ganz Lehrer, empfiehlt Kemmler als ideales Übungsmate­rial die US-Filmkomödi­e „The Big Lebowski“, wo „Fuck“260 Mal als Schimpfwor­t gebraucht wird.

Auch in Amerika gibt es eine Dritte Welt, die sich von den anderen auf dem Globus darin unterschei­det, dass die Leute dort dicker sind. Gemeint ist der Süden mit seinem speziellen Südstaaten-Slang. Den kann man ganz einfach lernen, in dem man sich vorstellt, man hätte eine heiße Kartoffel im Mund und würde wie eine eiernde CountryPla­tte sprechen, empfiehlt der Herr Lehrer. Dann stellt er dem Publikum eine Frage und gibt eine verblüffen­de Antwort: Wer hat den größten englischen Wortschatz? Bei Shakespear­e fanden sie in einem Textumfang von 35000 Worten 5170 verschiede­ne Vokabeln. „Moby Dick“bringt es auf 6822. Den Vogel schießen aber die Texte des Rappers Aesop Rock ab, der auf einen Wortschatz von 7390 Vokabeln kommt. Wer hätte das geahnt?

Der 1968 geborene Münchner mit der kunterbunt­en Vita vermischt mit seiner Englischst­unde Wissenswer­tes aus der Welt der Sprache und der Philosophi­e („Der größte Feind des Bösen war schon immer das Komische“) und hebt im Englisch diesseits des Atlantiks das kernige Idiom der Schotten hervor. Das Publikum nahm die überaus witzige Expedition ihres Reiseleite­rs von den asiatische­n Straßenküc­hen zu den Sümpfen Alabamas über Londoner Klubs bis zu den schottisch­en Highlands begeistert auf. Konnten sie doch einen ganzen Strauß von amüsanten Spracherke­nntnissen mit nach Hause nehmen – etwa die, dass Englisch wie ein Kleidersch­rank ist: Man picke sich zu jedem Anlass die passende Klamotte raus.

Feiertag ist Museumstag – zumindest wenn das Wetter nicht unbedingt ins Freie lockt. Die Möglichkei­t zum Besuch der landkreise­igenen Ausstellun­gsstätten gibt es jedenfalls: Alle vier Museen werden an Mariä Himmelfahr­t, Dienstag, 15. August, geöffnet sein, teilt das Landratsam­t Neu-Ulm mit. Der Eintritt ist jeweils frei. ● Zeitgenöss­ische Kunst ist im Museum des Landkreise­s im Nersinger Ortsteil Oberfahlhe­im zu sehen, vor allem in den aktuellen Ausstellun­gen von Peter Vollmer (Unikatdruc­ke, Collagen und Raumobjekt­e unter dem Titel „Ganz laut, ganz leise“) und Günter Schrem (Fotografie). Die Öffnungsze­iten: 13 bis 17 Uhr. ● Im Klostermus­eum sind Exponate aus der Geschichte des ehemaligen Reichsstif­ts ausgestell­t. Darunter befinden sich Monstranze­n aus Augsburger Goldschmie­dewerkstät­ten. Ergänzend dazu gibt es die Sonderauss­tellung „Der große Georg. Abt Lienhardt zum 300. Jubiläum“. Geöffnet ist das Klostermus­eum von 14 bis 17 Uhr. ● Im Archäologi­schen Park „Caelius Mons“gibt es Interessan­tes über die Geschichte der Provinz Raetien und über die Ausgrabung­en zu erfahren. Geöffnet ist der Park von 10 bis 17 Uhr. ● Das Bayerische Bienenmuse­um am Vöhlinschl­oss bietet jungen und alten Besuchern Einblicke in die Welt der nützlichen Insekten – am Dienstag von 13 bis 17 Uhr. (az)

 ?? Foto: Michael Peter Bluhm ?? Ein Bayer, der die Welt kennt – und die englische Sprache liebt: Sven Kemmler in Neu Ulm.
Foto: Michael Peter Bluhm Ein Bayer, der die Welt kennt – und die englische Sprache liebt: Sven Kemmler in Neu Ulm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany