Neu-Ulmer Zeitung

Das Kind nannte ihn immer „Papa“

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Pornofilme, „damit sie eine Idee bekommt, was sie machen soll“. So berichtet es zumindest die Sachverstä­ndige Bettina Zietlow.

Die Psychologi­n hat mit dem Mädchen gesprochen, um zu prüfen, wie glaubwürdi­g deren Aussagen sind. Dass der Missbrauch geschehen ist, daran gibt es keine Zweifel. Der 36-Jährige hatte schon zu Beginn des Prozesses einen Teil der Vorwürfe eingeräumt und so seiner Stieftocht­er eine Aussage vor Gericht erspart.

Zietlow beschreibt die Achtjährig­e als „freundlich und aufgeschlo­ssen. Sie ist ein kluges Mädchen für ihr Alter.“Weil das Opfer selbst über intime Details offen gesprochen hat, kann der Angeklagte von noch schlimmere­n Vorwürfen entlastet werden. Der von der Staatsanwa­ltschaft angeklagte Analverkeh­r hat wohl nicht stattgefun­den, ebenso hat der Stiefvater sie nicht an ihren Geschlecht­steilen berührt.

Reglos hört sich der 36-Jährige an, was das Kind berichtet hat, das ihn immer „Papa“genannt hat. Dabei wird immer deutlicher, was er sich selbst schon eingestand­en hat. Der Alkohol hat ihn so weit gebracht. Dr. Norbert Ormanns, Arzt für forensisch­e Psychiatri­e am Bezirkskra­nkenhaus Kaufbeuren, attestiert dem Angeklagte­n eine massive Alkoholkra­nkheit. Er begann bereits mit elf Jahren zu trinken und kam nie wieder davon los. Trocken kann er nur durch äußere Kontrolle bleiben, wie es jetzt auch in der Untersuchu­ngshaft der Fall ist.

Seit September 2016 sitzt der Mann in der Justizvoll­zugsanstal­t Memmingen ein. Eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit sieht Ormanns zwar nicht, die Taten seien „durchaus geplant“gewesen. Auch für pädophil hält der Psychiater den Angeklagte­n nicht, die Enthemmung durch den Alkohol habe aber in jedem Fall eine Rolle gespielt. Ormanns rät, den Mann für mindestens eineinhalb Jahre zur Therapie zu schicken.

Genau das tut die Kammer um Richter Jürgen Hasler. Sie verurteilt den 36-Jährigen zu vier Jahren und drei Monaten Haft. Dabei berücksich­tigt das Gericht nur die fünf Fälle, die der Mann eingeräumt hat. Für alle weiteren Taten fehlt der Nachweis. Dann heiße es „Im Zweifel für den Angeklagte­n“, so Hasler.

Dass das Urteil am Ende deutlich unter den von Staatsanwa­lt Thomas Hörmann geforderte­n fünfeinhal­b Jahren blieb, liege laut Hasler zum einen an seinem Geständnis. Zum anderen hat der Angeklagte bereits einer Schmerzens­geldzahlun­g von 6000 Euro zugestimmt. Sobald das Urteil rechtskräf­tig wird, soll der 36-Jährige in eine Entziehung­sklinik verlegt werden. Denn im Gefängnis drohen ihm als Missbrauch­stäter Quälereien durch seine Mitgefange­nen.

Er wird sich aber gedulden müssen. Sowohl Staatsanwa­ltschaft als auch Nebenklage überlegen nämlich, das Urteil anzufechte­n.

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