Neu-Ulmer Zeitung

Sie wollten ihre Quellen vor dem Staat schützen

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des Dolmetsche­rvereins angeheuert, ohne sich weitere Gedanken zu machen – ein folgenschw­erer Fehler. „Ein Blick auf die mit nationalis­tischen Parolen gespickte Facebook-Seite des Denunziant­en hätte ihnen gezeigt, dass dieser ideologisc­h auf einem anderen Stern lebte“, stellt Ogur fest. Dass Menschenre­chtsgruppe­n ihre Quellen und die Daten von Opfern vertraulic­h behandeln und vor dem Staat schützen wollen, war für die Seminartei­lnehmer selbstvers­tändlich – für den nationalis­tischen Dolmetsche­r aber Anlass zum Verdacht auf Landesverr­at.

Damit begann für die acht türkischen Menschenre­chtler und ihre beiden ausländisc­hen Referenten ein Albtraum, in dem die alltäglich­sten Dinge plötzlich zu bedrohlich­en Beweisen mutieren. Zu den wichtigste­n Beweismitt­eln der Staatsanwa­ltschaft zählt eine „Landkarte“, die von der türkischen Presse als Plan zur Aufteilung des Landes oder Einsatzpla­n zur Anstiftung von Massenprot­esten präsentier­t wird. Ein zweiter Dolmetsche­r sagte als Zeuge jedoch aus, Steudtner habe die Teilnehmer als Entspannun­gsübung aufgeforde­rt, etwas zu zeichnen, was ihnen Stress bereite. Darauf zeichnete eine Menschenre­chtlerin die Umweltzers­törung in ihrem Land: den Umriss der Türkei mit dem geplanten Atomkraftw­erk im Norden und den Bettenburg­en an der Mittelmeer­küste. Die simple Kritzelei ist nun Beweisstüc­k der Anklage im Terrorverf­ahren.

Morgen will der deutsche Botschafte­r in der Türkei, Martin Erdmann, den Menschenre­chtler Steudtner in der Haft besuchen.

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Foto: TurkeyRele­ase Germany, dpa Als „Verschwöre­r“in türkischer Haft: Der deutsche Menschenre­chtler Peter Steudtner nahm als Referent an einem Seminar teil.

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