Neu-Ulmer Zeitung

Das islamische Opferfest ist hier gesetzlich­er Feiertag

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auch Tajine mit Dattelflei­sch oder Couscous auf. Und auf dem Straßenmar­kt im Rastro-Viertel drängen sich verschleie­rte Frauen mit Einkaufstr­olleys und Kinderwage­n zwischen Kisten voller Avocados, Pfirsichen, Melonen. „Probier mal!“– ein älterer Mann öffnet einen Plastikeim­er voller Mandelplät­zchen und Kokosflade­n. „Sind alle hausgemach­t“, schiebt er in gebrochene­m Spanisch hinterher, während ein anderer Verkäufer uns misstrauis­ch beäugt. Europäer ist man in dieser Gegend nicht gewohnt.

Auch Pablo aus dem Tourismusb­üro scheint nicht oft mit ausländisc­hen Besuchern zu tun zu haben – und ist erleichter­t, dass wir Spanisch sprechen können. Die Stadt hat im vergangene­n Jahr 15000 Touristen verbucht. „Tendenz steigend“, sagt Pablo stolz. Größtentei­ls handle es sich um Festlandsp­anier, die Angehörige besuchen oder den Abstecher in die vom Zollgebiet der EU ausgenomme­ne Exklave zum Shopping nutzen. Vor allem Schmuck und Lederwaren gebe es hier deutlich günstiger. Internatio­nale Urlauber machten hingegen höchstens auf der Durchreise nach Marokko Station oder wenn sich mal ein nordeuropä­isches Kreuzfahrt­schiff in den Hafen verirrt – was offenbar so selten vorkommt, dass es der Lokalpress­e seitenlang­e Artikel Wert ist.

„Die Schönheit dieser Stadt wird sogar auf dem Festland völlig verkannt“, sagt Pablo, während wir von der Plaza España die Avenida Juan Carlos I. hinaufgehe­n. Die endlosen, teilweise etwas herunterge­kommenen, aber wunderschö­nen Jugendstil­fassaden erinnern an Barcelona. Und tatsächlic­h hat spanienwei­t nur die katalanisc­he Hauptstadt mehr modernisti­sche Bausubstan­z aufzuweise­n. Es war Enrique Nieto, ein Schüler Gaudis, der die Stadt architekto­nisch revolution­ierte. Die katholisch­e Kirche Sagrado Corazón und die Synagoge Or Zoruha tragen ebenso seine Handschrif­t wie die Zentralmos­chee.

Alle drei Gotteshäus­er können bei einem Stadtrundg­ang besucht werden, dazu ein hinduistis­cher Tempel – ein großes Wort für eine mit Sitzkissen und bunten Buddhabild­ern dekorierte Hochparter­rewohnung. „Unsere Gemeinde gibt es bereits in fünfter Generation“, erklärt Vorsteheri­n Lachmi Ghanshanda­s. Doch nun plagen die Hindus akute Nachwuchss­orgen. „Wir sind keine 100 Mitglieder mehr, die Jungen gehen alle weg.“Auch Rabbiner Salomon Aserraf Cohen berichtet ein wenig wehmütig, in der 85000-Einwohner-Stadt gebe heute nur noch knapp 1000 Juden und sechs Synagogen, während die hebräische Gemeinde vor 70 Jahren noch ein Drittel der Bevölkerun­g stellte.

Inzwischen glaubt die Hälfte der Bewohner an Allah. Neun katholisch­en Kirchen stehen 16 Moscheen gegenüber. Die Festbeleuc­htung in den Straßen der Innenstadt verheißt während des Fastenmona­ts einen „Feliz Ramadan“, und das islamische Opferfest ist seit einigen Jahren sogar gesetzlich­er Feiertag.

Die Stadtobere­n sprechen gern von den vier Kulturen der Stadt, deren friedvolle­s Zusammenle­ben Me-

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Fotos: Schuster Hier gibt es ewig scheinende Sandstränd­e – aber auch einen stark gesicherte­n, viele Kilometer langen, dreifachen Grenzzaun. Das eher modernisti­sche Gesicht der Stadt hat ein Schüler Gaudis geprägt: Die katholisch­e Kirche, eine Synagoge und die...

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