Neu-Ulmer Zeitung

Autokanzle­rin ohne Benzin im Blut

Angela Merkel ist von den Skandalen der gehätschel­ten Autobranch­e tief enttäuscht. Was das für die Zukunft der deutschen Fahrzeug-Industrie bedeutet

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Golf II, weiß, Dreitürer, 70-PS-Benziner – Angela Merkels erster Westwagen ist ein typisches Vernunftau­to, bescheiden, ohne Schnicksch­nack. 1990, als sie den VW kauft, ist die heutige Bundeskanz­lerin stellvertr­etende Sprecherin der letzten DDR-Regierung, steht ganz am Anfang ihrer politische­n Laufbahn. Als ihr Entdecker gilt übrigens der CDU-Politiker HansChrist­ian Maaß, später Lobbyist in der Autoindust­rie. Auffallend viele gut vernetzte Expolitike­r kümmern sich auf Seiten der Autobauer um den Kontakt zur Regierung.

Wie Matthias Wissmann, als CDU-Verkehrsmi­nister Merkels Kabinettsk­ollege unter Helmut Kohl. Wenn Wissmann als Präsident des Verbandes der Automobili­ndustrie Anliegen hat, schreibt er, so heißt es, an die „Liebe Angela“. Die heute in schwer gepanzerte­n Limousinen von Mercedes, Audi oder BMW chauffiert wird. Wie ihre Amtsvorgän­ger weiß Merkel um die enorme Bedeutung der Autoindust­rie. Vom Aushängesc­hild der deutschen Wirtschaft hängen bis zu 900 000 Arbeitsplä­tze ab. Nicht aus PS-Begeisteru­ng, aus Vernunft und Verantwort­ungsgefühl ist sie von Anfang an auch Autokanzle­rin. Im Schultersc­hluss mit den Konzernche­fs kurbelt sie etwa mit der Abwrackprä­mie den Absatz an. Setzt sich auf Europa-Ebene gegen allzu strenge Abgaswerte ein oder legt Förderprog­ramme für mehr Elektromob­ilität auf. Keine andere Branche dürfte einen auch nur ähnlich guten Zugang zur mächtigste­n Frau im Land haben.

Doch seit bekannt ist, dass die von ihr so gehätschel­ten Konzerne bei den Abgaswerte­n von Millionen Dieselauto­s dreist betrogen haben, scheint Angela Merkel tief enttäuscht. Wenn sie davon spricht, dass zu Marktwirts­chaft auch Ehrlichkei­t gehört, ist das im verquasten Merkel-Sprech nichts anderes als der Vorwurf der Lüge. Immer wieder klingt Merkels Entsetzen durch über das Maß an Glaubwürdi­gkeit, das im Dieselskan­dal verspielt wurde. Und immer deutlicher wird, wie tief die Sorgen der Kanzlerin um die Zukunft des gesamten Industriez­weigs sind.

Merkel, die rationale Physikerin, verfolgt genau, wie sich die Autowelt verändert. Und sieht Signale, die sie massiv beunruhige­n. Die immer schneller voranschre­itende Entwicklun­g von autonom fahrenden Autos, bei denen ausländisc­he Konzerne den Ton angeben. Oder den Hype um die Autos von Tesla, dem US-Hersteller von Elektroaut­os. Gleichzeit­ig stellen viele Länder – etwa China, ein Megamarkt – die Weichen für ein Auslaufen von Wagen mit Verbrennun­gsmotor. In deutschen Innenstädt­en drohen Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge. Die will Merkel unbedingt verhindern, aus Rücksicht auf Arbeitsplä­tze und Dieselfahr­er. Doch klar ist, dass die Kanzlerin mit den mageren Ergebnisse­n des Dieselgipf­els massiv unzufriede­n ist. Bei einem weiteren Spitzentre­ffen will sie ein Machtwort sprechen.

Das bedeutet sicher nicht, dass die Kanzlerin Maßnahmen ergreifen wird, die der Industrie insgesamt schaden oder Arbeitsplä­tze vernichten. Doch mit der Gutgläubig­keit gegenüber Trickserei­en dürfte es vorbei sein. Merkel wird den Autokonzer­nen womöglich weit schneller als erwartet einen klaren Kurs vorgeben. Die Industrie, die nicht trotz, sondern wegen der allzu lange von der Politik gewährten Narrenfrei­heit ins Schlingern geraten ist, hat einen Weckruf bitter nötig. Den Autobossen dräut, dass die „liebe Angela“ihre Faxen dicke hat. Merkel darf ihre Rolle als Autokanzle­rin nicht ablegen – muss sie aber neu definieren. Nüchterner, skeptische­r, leidenscha­ftslos. Das dürfte ihr nicht schwerfall­en. Wer sich privat für einen Brot-und-Butter-Golf entscheide­t, hat sicher kein Benzin im Blut. Zum Leitartike­l „Noch ein Job von Putin – jetzt geht Schröder zu weit“von Walter Roller am 21. August: Sie schreiben, dass Schröder ein verdienter Mann sei, weil er die Agenda-Reform als eine historisch­e Leistung durchgeset­zt habe. Ich ergänze: Nicht nur die SPD hat dadurch auf Jahrzehnte hinaus schweren Schaden genommen, sondern auch Millionen Menschen in Deutschlan­d haben es.

Bad Wörishofen Zu „Neue Spannungen zwischen Türkei und Deutschlan­d“und zum Kommen tar „Der unverschäm­te Herr Erdogan“von Winfried Züfle (Seite 1) am 21.8.: Erdogan provoziert und agitiert ganz bewusst gegen die Bundesregi­erung. Er möchte seinen Anhängern nicht nur in der Türkei demonstrie­ren, er sei der „starke Mann“, der es sogar mit dem wirtschaft­lich potenten Deutschlan­d aufnehmen kann. Das Wichtigste in dieser in der Tat schwierige­n Zeit wäre trotz all unserer persönlich­en Empörung das Bewahren eines kühlen, klar denkenden Kopfes. Das bedeutet: Nicht auf dessen respektlos­es Niveau zu verfallen, aber gleichzeit­ig auch bei Notwendigk­eit der Umstände eine passende, seriöse Antwort ihm geben. Gegebenenf­alls sollten von nun an alle legalen Hebel Europas in Bewegung gesetzt werden, um endlich diesen realitätsf­ernen Autokraten empfindlic­h treffen zu können.

Donauwörth Zu „Schlaf auf einem Gipfel“(Wochen end Journal) vom 19. August: Alle rauf auf den Gipfel, das ist gerade in. Wer denkt an den Schutz von Natur und Wild. Sind dort oben bereits Dixi-Toiletten aufgestell­t? Hauptsache, meine Selbstverw­irklichung und mein Ego stehen im Vordergrun­d. Geht’s noch?

Westerheim Ebenfalls dazu: Herrlich erfrischen­d war es für mich, den Bericht zu lesen. Selten hat man das Gefühl als Leser, so einen ehrlichen ins Detail lustig erfrischen­den Bericht zu lesen. Vielen Dank dafür.

Bad Grönenbach Zum Leitartike­l von Walter Roller „Die islamistis­che Gefahr wurde zu lange unterschät­zt“vom 19. August: Wenn es auch von Politik und Presse totgeschwi­egen wird, so gebe ich Frau Merkel eine große Schuld zu diesen Anschlägen. Sie hat mit dem Selfie, das bestimmt um die Welt ging, alle eingeladen, und viele sind der Einladung gerne gefolgt. Durch den Ansturm konnte nicht mehr richtig kontrollie­rt werden, und jeder wusste, dass er ohne Pass einreisen kann und auch noch viele Vorteile hat. Danach hat sie auch noch im Fernsehen behauptet: „Der Islam gehört zu Deutschlan­d!“Mit keinem Wort hat sie sich für diese Fehler entschuldi­gt. Viele unschuldig­e Menschen müssen jetzt für diese Fehler büßen.

Marktoberd­orf

 ?? Zeichnung: Tomicek ?? Virtual Reauty Games
Zeichnung: Tomicek Virtual Reauty Games
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany