Neu-Ulmer Zeitung

Gerettet!

Mitten in der Hochsaison erschütter­t ein Erdbeben die italienisc­he Insel Ischia, auf der auch Kanzlerin Merkel gerne ihren Urlaub verbringt. Drei Kinder erleben ein Drama

- VON CHRISTA LANGEN PEDUTO

Am Dienstag um kurz vor 14 Uhr bricht ein lang anhaltende­r Applaus auf Ischia aus. In der Nacht hatte ein Erdbeben die auch bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel beliebte italienisc­he Urlauberin­sel in der Nähe von Neapel erschütter­t. Nun hieven Rettungskr­äfte im Ort Casamiccio­la eine Krankenlie­ge aus den Trümmern eines eingestürz­ten Hauses. Auf ihr der elfjährige Ciro, den sie nach einem fast 17-stündigen Hilfseinsa­tz befreien können.

Er sieht mitgenomme­n aus, Feuerwehrl­eute umarmen sich mit Tränen in den Augen. Drei Stunden vorher hatten sie bereits Ciros Bruder, den siebenjähr­igen Mattias, ausgebudde­lt; noch ein paar Stunden früher den sieben Monate alten Pasquale. Teils mit bloßen Händen.

Ciro, sagt ein Feuerwehrm­ann, habe die ganze Nacht über mit den Rettungskr­äften in Kontakt gestanden – und ihnen geholfen, erst seine Geschwiste­r und dann ihn selbst retten zu können: „Er ist ein kleiner großer Mann.“

Ciro wurde zum Helden, die Geschichte von der Rettung der drei Kinder aus den Trümmern ging als „Wunder“um die Welt. Der Elfjährige habe seinem siebenjähr­igen Bruder vermutlich das Leben gerettet, indem er ihn unter ein Bett zog, berichtete­n Helfer. Später habe er mit einem Besenstil gegen die Trümmer geklopft, um die Retter aufmerksam zu machen.

Am Dienstagna­chmittag sieht es so aus, als ob es bei dieser vorläufige­n Erdbeben-Bilanz bleiben wird: Zwei Tote, 39 Verletzte, 2600 obdachlos Gewordene in den Orten Casamiccio­la und Laccameno. Mindestens 20 Häuser sind so stark beschädigt worden, dass sie wohl abgerissen werden müssen.

Das Beben der Stärke 4,0 hatte die mehr als 60000 Inselbewoh­ner am Montag um 20.57 Uhr überrascht – ebenso wie die rund 250 000 Touristen, darunter viele Deutsche. Es ist Hauptsaiso­n, Abendessen­szeit. „Wir haben uns gleich unter den Tisch geworfen“, erzählt eine Urlauberin. Sie kam mit dem Schrecken davon. Schlimmer traf es den Ort Casamiccio­la. Dort stürzte eine Kirche ein, eine Frau wird von den herabstürz­enden Gebäudetei­len erschlagen. Eine weitere Frau stirbt beim Einsturz eines Hauses.

Weil in Laccameno das Krankenhau­s evakuiert wird, müssen Ärzte und Pfleger die Patienten stundenlan­g im Freien behandeln – darunter die drei Brüder. Ihnen gehe es recht gut, sie seien wie durch ein Wunder körperlich gesund und können die Klinik wohl am heutigen Mittwoch verlassen, erklären die Ärzte am Nachmittag. Nur Ciro habe eine Fußverletz­ung. Baby Pasquale habe schon kurz nach seiner Rettung in die Arme seiner Mutter, die ein viertes Kind erwartet, zurückkehr­en können. Vater Alessandro Toscano sagte überglückl­ich: „Fantastisc­h, was diese Feuerwehrl­eute geleistet haben.“Er selbst erlitt eine Armverletz­ung.

Nach dem Beben waren die meisten Menschen auf der Insel im Freien geblieben. Viele Urlauber wollen nun vorzeitig abreisen, bis Dienstagmi­ttag sind es 10 000. Sonderfähr­en bringen sie zum Festland. „Die Insel Ischia kommt mir wie eine Falle vor, die jeden Moment zuschnappe­n kann“, sagt ein Urlauber im italienisc­hen Fernsehen, als er im Hafen auf die nächste Fähre wartet. Rund 30 leichtere Nachbeben wurden inzwischen gezählt, Experten schließen auch ein weiteres schweres Beben in nächster Zeit nicht aus.

Ischia ist eine Vulkaninse­l und ohnehin immer erdbebenge­fährdet gewesen. Im Jahr 1883 waren dort bei einem Beben mehr als 2000 Bewohner tödlich verunglück­t und ganz Casamiccio­la zerstört worden. Diesmal traf es nur ältere Gebäude.

Expertin Francesca Bianco erklärte, dass dieses Mal Erdkrusten­verschiebu­ngen das Erdbeben ausgelöst hätten – wie fast genau vor einem Jahr in Mittelital­ien, insbesonde­re in Amatrice, wo ein Beben eine Stärke von 6,1 erreicht hatte. Dass die Schäden auf Ischia nun so groß seien, liege auch an den Häusern, die nicht erdbebensi­cher seien.

Für den exzentrisc­hen dänischen Erfinder und U-BootBauer Peter Madsen wird es immer enger: Am heutigen Mittwoch will sich die dänische Polizei erstmals zur Identität der am Montag in einer Bucht bei Kopenhagen gefundenen Wasserleic­he äußern. Dann liege wohl das Ergebnis der DNA-Analyse vor. Bei der Leiche handelt es sich um den Torso einer Frau – ohne Arme, Beine und Kopf, die wohl „mechanisch“abgetrennt worden seien. Es ist wahrschein­lich, dass es sich um die Leiche der nach einer U-Boot-Fahrt mit Madsen vor mehr als einer Woche verscholle­nen 30-jährigen schwedisch­en Journalist­in Kim Wall handelt. Gestern suchten Taucher an der Fundstelle nach weiteren Körperteil­en.

Bereits am Montag war bekannt geworden, dass Madsen ein Teilgestän­dnis abgelegt hat. Die schwedisch­e Journalist­in, die über ihn schreiben wollte, sei im U-Boot aufgrund „eines Unglücks“gestorben, behauptete er. Er habe sie dann „auf See bestattet“. Wall war am frühen Abend des 10. August mit Madsen in dessen U-Boot „UC3 Nautilus“in See gestochen. Walls Freund meldete sie später als vermisst. Dann sank Madsens U-Boot – angeblich wegen eines Defekts. Madsen wurde gerettet, die Journalist­in blieb verscholle­n. Und der Erfinder behauptete, sie schon wenige Stunden nach dem Auslaufen wieder an Land gesetzt zu haben. Überwachun­gskameras am Hafen zeigten jedoch, dass diese Angabe erlogen war.

Madsen wurde dann wegen Verdachts auf „fahrlässig­e Tötung unter besonders schweren Umständen“verhaftet.

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Foto: Carabinier­i Press Office, ANSA, dpa Rettungskr­äfte holen am Dienstag in Casamiccio­la auf der Insel Ischia den kleinen Mattias aus einem eingestürz­ten Haus heraus.
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Kim Wall

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